11Os83/21x – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 2. November 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Vizthum als Schriftführerin in der Strafsache gegen * L* und * Ö* wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Ö* sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft in Ansehung dieses Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 15. März 2021, GZ 23 Hv 11/21g-33, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten Ö* fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil, das auch den unangefochten in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch des * L* enthält, wurde * Ö* des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 2 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er am 5. November 2019 in F* mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz durch Einbringen einer gegen * L* sowie den Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs gerichteten Klage beim Landesgericht F*, in der er zusammengefasst vorbrachte, dass sich am 18. August 2019 in D* ein Verkehrsunfall ereignet habe, an dem er mit seinem PKW der Marke Porsche 911 sowie L* mit einem PKW der Marke Ford Kuga, der beim Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs haftpflichtversichert gewesen sei, beteiligt gewesen seien, wobei L* aufgrund einer Vorrangsverletzung das Alleinverschulden treffe, obwohl er den Unfall gemeinsam mit L* fingiert hatte, um die Versicherungsleistung zu erhalten, mithin durch Täuschung über Tatsachen, die zuständige Richterin des Landesgerichts F* im Zivilverfahren AZ * zur Stattgebung der Klage zu verleiten versucht, welche den Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs in einem Betrag von 64.174,60 Euro samt 4 % Zinsen seit 23. August 2019 sowie Prozesskosten in unbekannter Höhe am Vermögen schädigen sollte.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und „Abs 1 Z 9a lit a“ bzw „Abs 9a und lit a“ StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Ö*.
[4] Der Antrag (ON 32 S 14) auf Einholung eines verkehrstechnischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass es sich „bei gegenständlichem Fall um ein Unfallgeschehen gehandelt hat und der Unfall nicht fingiert war“ legt nicht dar, warum der beantragte Beweis – entgegen dem zu diesem Zeitpunkt bereits verlesenen, im Zivilverfahren eingeholten verkehrstechnischen Gutachten (ON 19, [unjournalisiertes] Protokoll der zu AZ * des Landesgerichts F* am 20. Jänner 2021 durchgeführten Tagsatzung S 3 ff in ON 2), wonach die Frage, ob es sich beim gegenständlichen Geschehen um einen Unfall oder ein fingiertes Schadensereignis handle, aus technischer Sicht nicht zu klären sei und letzteres aus technischer Sicht möglich bleibe (ON 19 S 1 und 9) – das behauptete Ergebnis erwarten lasse (RIS-Justiz RS0099453, RS0118444, RS0118123; Ratz , WK StPO § 281 Rz 330).
[5] Warum der – vom Erstgericht im Urteil nicht weiter relevierte – Umstand, dass „bei der Unfallaufnahme keine weitere Person anwesend war“, erheblich (RIS Justiz RS0116987, RS0107445; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 341) sein sollte, ist dem auf Vernehmung der Polizeibeamtin * V* gerichteten Beweisantrag (ON 32 S 14) ebenso wenig zu entnehmen wie die Darlegung, warum sich die beantragte Zeugin – im Gegensatz zum auch an der Unfallaufnahme mitwirkenden Zeugen Li* (ON 32 S 8 f) – rund eineinhalb Jahre später an dieses zum damaligen Zeitpunkt – aufgrund unstrittiger Angaben der Unfallgegner zum Unfallverlauf – irrelevante Detail erinnern sollte.
[6] Auch der Antrag (ON 32 S 15) auf Einvernahme des Zeugen „* A*“ zum Beweis dafür, dass „ein gewisser A* nicht an Ort und Stelle war, als der Unfall stattgefunden hat“, wurde vom Erstgericht ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgewiesen. Einmal mehr lässt dieser Antrag die Erheblichkeit des Beweisthemas vermissen, konstatiert das Erstgericht doch bloß die Anwesenheit eines – namentlich nicht genannten – „Cousins“ (US 4 f), wobei es erwog, dass kleinere Abweichungen in Details, insbesondere auch dazu, wem der schwarze PKW gehört habe und ob die dritte Person ein Bekannter oder Cousin von Ö* gewesen sei, nichts an der Glaubhaftigkeit des Angeklagten L* zu ändern vermochten (US 9 f).
[7] Das zur Antragsfundierung im Rechtsmittel Nachgetragene einschließlich des darin gestellten Beweisantrags auf Vernehmung eines Zeugen ist aufgrund des im Nichtigkeitsbeschwerdeverfahren geltenden Neuerungsverbots unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618 [T2, T4, T25], RS0098978 [T2, T9]).
[8] D as Vorbringen der Mängelrüge, die nur dann gesetzmäßig ausgeführt ist, wenn sie die Gesamtheit der Entscheidungsgründe berücksichtigt (RIS-Justiz RS0119370, RS0116504), beschränkt sich darauf, die Verantwortung des Angeklagten Ö*, die vom Erstgericht „unerörtert gelassen“ (inhaltlich Z 5 zweiter Fall) worden sei, als „richtig und glaubwürdig“ hervorzukehren, während nicht nachvollziehbar sei, auf welche Beweisergebnisse es die Feststellung eines fingierten Unfalls stütze, wofür dieser Angeklagte „kein Motiv und keinen Grund“ gehabt hätte.
[9] Damit werden die tatrichterlichen Erwägungen hiezu (US 7–13) prozessordnungswidrig zur Gänze übergangen. Überdies wird solcherart kein Begründungsdefizit im Sinn der Anfechtungskategorien des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes aufgezeigt, sondern lediglich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld die Beweiswürdigung der Tatrichter angegriffen (RIS-Justiz RS0119370, RS0099455).
[10] Der – im Rahmen der Rechtsrüge – erhobene Vorwurf, das Gericht sei „seiner Pflicht zur amtswegigen Erforschung der Wahrheit nicht nachgekommen“, entzieht sich mangels weiterer Konkretisierung einer Erwiderung (vgl im Übrigen RIS-Justiz RS0115823).
[11] Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei der Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810).
[12] Diesen Rahmen verlässt die Rechtrüge (Z 9 lit a) prozessordnungswidrig, indem sie – die Beweiswürdigung des Erstgerichts kritisierend – vorbringt, das „Gericht wäre verpflichtet gewesen, in der Verantwortung und Aussage des Zweitangeklagten entsprechende Feststellungen zu treffen“, und solcherart bloß von den Urteilsannahmen abweichende Konstatierungen begehrt .
[13] Das Erfordernis weiterer Feststellungen dazu, dass der PKW des Beschwerdeführers im Unfallzeitpunkt bereits verkauft und zudem vollkaskoversichert gewesen sei, leitet die Beschwerde nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS-Justiz RS0116565).
[14] Indem sich der Nichtigkeitswerber auf den Zweifelsgrundsatz bezieht, macht er weder einen materiellen noch einen formellen Nichtigkeitsgrund geltend (RIS-Justiz RS0099756, RS0102162).
[15] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
[16] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.