3Ob148/21t – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** P*****, vertreten durch Dr. Anton Cuber und Mag. Claudia Kopp Helweh, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Mag. J***** M*****, vertreten durch Held Berdnik Astner Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen 86.917,60 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 24. Juni 2021, GZ 3 R 34/21a 54, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Gegenstand des Verfahrens ist die Sachverständigenhaftung des Beklagten für ein angeblich unrichtiges Gutachten, das er im Mai 2012 (ergänzt im September 2013 und im Jänner 2014) im Finanzstrafverfahren gegen den Kläger wegen des Verdachts der Abgabenhinterziehung in den Jahren 2002 bis 2006 erstattet hat. Der Kläger begehrt den Ersatz der Verteidigungskosten und der (noch nicht bezahlten) Kosten für die steuerliche Beratung, die ihm in Finanzstrafverfahren angeblich entstanden sind.
[2] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
[3] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
[4] Mit der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage auf:
[5] 1. Als erheblich bezeichnet der Kläger zunächst die Frage, ob das im Finanzstrafverfahren erstattete Sachverständigengutachten des Beklagten objektiv richtig sein könne, wenn im nachfolgenden strafgerichtlichen Wiederaufnahmeverfahren ein abweichender strafbestimmender Wertbetrag von nur 13.201,55 EUR festgestellt worden sei.
[6] Der Kläger übersieht, dass der Grund für die Wiederaufnahme des gerichtlichen Finanzstrafverfahrens in der Neubemessung der Steuerschuld für die Jahre 2002 bis 2006 im Abgabeverfahren am 1. 9. 2014 gelegen war. Dabei steht – mangels ausdrücklichen Vorbringens des Klägers ohne Verfahrens- und Feststellungsmängel – nicht fest, worauf die steuerliche Neubemessung durch die Finanzbehörde im Abgabeverfahren zurückzuführen war, insbesondere ob diesem Ergebnis ein Vergleich vor dem Bundesfinanzgericht zugrunde lag. Mangels jeglichen Anhaltspunkts dafür, dass im strafgerichtlichen Wiederaufnahmeverfahren die Ermittlung des strafbestimmenden (und für die strafgerichtliche Zuständigkeit nach § 53 Abs 1 iVm § 221 Abs 2 FinStrG maßgebenden) Verkürzungsbetrags im Gutachten des Beklagten in Frage gestellt wurde, liegt in der Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, dass für die Beurteilung der objektiven Richtigkeit des Gutachtens des Beklagten eine vom Kläger argumentierte zwingende Bindung an den im finanzstrafrechtlichen Wiederaufnahmeverfahren angenommenen Wertbetrag nicht bestehe, keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung.
[7] 2. Weiters führt der Kläger in seinem Rechtsmittel aus, dass die Frage erheblich sei, ob der Beklagte für sein Gutachten das Ablaufen der Fristen für die Einkommensteuer 2005 sowie für die Einkommensteuer und die Umsatzsteuer 2006 nach Maßgabe der „Quotenregelung“ (vom BMF erlassmäßig verlängerte Einreichfristen durch die „Quotenvereinbarung für berufsmäßige Parteienvertreter“) hätte abwarten müssen, weil es sich bei diesem Erlass in Wirklichkeit um eine Verordnung (im Sinn des § 134 Abs 1 BAO) handle.
[8] Bei dieser Argumentation übersieht der Kläger, dass er nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen im Mai 2007 die Umsatzsteuererklärungen sowohl für 2005 als auch für 2006 abgegeben hat und diese Erklärungen bei der Überprüfung des beanstandeten Gutachtens des Beklagten im vorliegenden Haftungsverfahren berücksichtigt wurden, sowie dass er die Einkommensteuererklärungen für 2005 und 2006 auch innerhalb der von ihm argumentierten verlängerten Fristen nicht abgegeben hat und die entsprechenden Verkürzungsbeträge im Rahmen der Betriebsprüfung ermittelt wurden. Jedenfalls außerhalb der Quotenfrist eingereichte Steuererklärungen begründen Säumigkeit, weshalb der Beklagte auf die erst nachträglich erstellten Steuererklärungen des Klägers nicht Bedacht zu nehmen hatte (vgl UFSW vom 4. 10. 2005, RV/1443 W/05 RS6).
[9] 3. Die Vorinstanzen sind bei Beurteilung der Haftung des Beklagten von den zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen (vgl 8 Ob 36/14y; 8 Ob 89/15v; 3 Ob 170/16w; 1 Ob 181/18a). Dies gilt insbesondere für die Ansicht, dass es sich bei den Fragen, ob das Gutachten des Beklagten im Finanzstrafverfahren die geltend gemachten Mängel aufwies und welche Auswirkungen ein richtiges Gutachten auf den Verfahrensausgang gehabt hätte, im konkreten Fall um Tatfragen handelt (vgl 8 Ob 6/09d; 7 Ob 96/19x).
[10] Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt hält sich ihre Beurteilung, dass die Haftung des Beklagten für die vom Kläger geltend gemachten Kosten mangels Kausalität zu verneinen sei, im Rahmen der Rechtsprechung.
[11] 4. Mangels erheblicher Rechtsfrage war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.