26Ds1/21b – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 13. Oktober 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Kalivoda und die Anwaltsrichter Dr. Klaar und Dr. Schimik in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Scheichel als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes über die Berufung des Beschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 22. Oktober 2019, AZ D 140/17, D 101/18, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wehofer, des Kammeranwalt Stellvertreters Mag. Steiner und des Beschuldigten zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung des Beschuldigten wird Folge gegeben und von einer Zusatzstrafe abgesehen.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes schuldig erkannt.
[2] Demnach schritt er im Jahr 2015 im Verfahren ***** des Landesgerichts ***** als Verteidiger des ***** ein, obwohl es sich um einen Fall der notwendigen Verteidigung gemäß § 61 Abs 1 StPO handelte und er zu diesem Zeitpunkt Rechtsanwaltsanwärter war, der noch nicht unter § 15 Abs 2 RAO fiel. Der Beschuldigte habe zwar auf Weisung seines Ausbildungsanwalts gehandelt, jedoch in vollem Unrechtsbewusstsein. Hierfür wurde er unter Bedachtnahme auf das Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 15. Mai 2017, AZ 53/16, zu einer Geldbuße von 1.000 Euro als Zusatz Disziplinarstrafe verurteilt.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen wendet sich die Berufung des Beschuldigten wegen des Ausspruchs über die Strafe. Ihr kommt Berechtigung zu.
[4] Dem Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 15. Mai 2017, AZ 53/16, lag zugrunde, dass ***** ebenfalls im Jahr 2015 in der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht ***** im Verfahren ***** einen in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten ohne entsprechende Substitutionsberechtigung verteidigte. Hierfür wurde er letztlich zu einer Geldbuße von 1.000 Euro verurteilt (20 Ds 17/17f).
[5] Für die dem Beschuldigten hier zur Last liegende Tat kam im Hinblick auf die zeitlichen Verhältnisse, was im angefochtenen Erkenntnis beachtet wurde, nur eine Zusatzstrafe in Betracht (§ 31 StGB).
[6] Bei deren Bemessung infolge der vorliegenden Berufung waren das Zusammentreffen mit den schon im vorgenannten Verfahren geahndeten Disziplinarvergehen als erschwerend zu werten (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB), der ordentliche Lebenswandel des Beschuldigten, sein Geständnis, die damals auf ihm lastende Drucksituation und das lange Zurückliegen der Tat als mildernd.
[7] Bei gemeinsamer Aburteilung der Taten wäre eine Geldbuße von 1.500 Euro als tat- und schuldangemessen anzusehen. Unter Bedachtnahme auf die schon verhängte Geldbuße wäre demnach im vorliegenden Fall eine Geldbuße von 500 Euro als Zusatzstrafe zu verhängen (§ 40 StGB).
[8] Zum Ausgleich für die durch die unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer beim Disziplinarrat der der Rechtsanwaltskammer Wien entstandene Konventionsverletzung (Art 6 Abs 1 MRK) war allerdings von dieser Zusatzstrafe abzusehen.