1Ob177/21t – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer Zeni Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N***** W*****, vertreten durch Mag. Helmut Scheuch, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Stadt Wien, *****, vertreten durch die Fellner Wratzfeld Partner Rechtsanwälte GmbH, Wien, und 2. Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 600.000 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Juli 2021, GZ 14 R 88/21w 26, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 9. April 2021, GZ 32 Cg 24/19p 18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Die Beweiswürdigung und die darauf beruhenden Feststellungen der Vorinstanzen sind im Revisionsverfahren nicht mehr anfechtbar (RIS Justiz RS0043371 [T22, T24]; RS0069246 [T1]).
[2] 2.1. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 Satz 1 ABGB beginnt zu laufen, wenn der Ersatzberechtigte sowohl den Schaden als auch den Ersatzpflichtigen soweit kennt, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann (vgl RIS Justiz RS0034366; RS0034524). Die Kenntnis muss den ganzen anspruchsbegründenden Sachverhalt umfassen, insbesondere auch den Ursachenzusammenhang zwischen dem Schaden und dem dem Schädiger angelasteten Verhalten, sowie in Fällen der Verschuldenshaftung auch jene Umstände, aus denen sich das Verschulden des Schädigers ergibt (RS0034951 [T1, T2, T4, T5, T7]). Der anspruchsbegründende Sachverhalt muss dem Geschädigten nicht in allen Einzelheiten, aber doch soweit bekannt sein, dass er in der Lage ist, das zur Begründung seines Anspruchs erforderliche Sachvorbringen konkret zu erstatten (RS0034524 [T24, T25]); er darf nicht etwa so lange mit der Klageführung warten, bis er alle Beweismittel gesammelt hat, die sein Prozessrisiko auf ein Minimum reduzieren (RS0034524 [T6, T7]). Wann eine in diesem Sinn ausreichende Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen anzunehmen ist, hängt stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab (RS0034524 [T23, T41]).
[3] 2.2. Das Berufungsgericht legte diese Rechtsprechung seiner Entscheidung zugrunde und ging davon aus, dass die Schadenersatzansprüche des Klägers gegenüber der Erstbeklagten, die aus dem Verbringen und Zerschneiden seiner Anlage Ende Mai 2015 resultieren, verjährt sind. Der Kläger habe wegen dieser „Abrisshandlungen“ die Erstbeklagte bereits mit Besitzstörungsklage vom 15. 6. 2015 geklagt. Diese Klagsführung sei offensichtlich von der Überzeugung des Verschuldens von Organen der Erstbeklagten getragen gewesen. Damit habe die Dreijahresfrist für die Verjährung der Ansprüche bereits im Juni 2015 begonnen. Im Zeitpunkt der Einbringung des Verfahrenshilfeantrags des Klägers am 13. 2. 2019, den er mit einem Schriftsatz samt Klagserzählung und Urteilsbegehren verband, seien seine Ansprüche gegenüber der Erstbeklagten bereits verjährt gewesen. Diese Beurteilung ist nicht zu beanstanden.
[4] Gegenstand einer Besitzstörungsklage ist nicht nur die Feststellung der Störung, sondern auch die Wiederherstellung des früheren Besitzstandes und das Verbot der Fortsetzung oder Wiederholung der Störung (7 Ob 234/01t mwN). Gemäß § 454 Abs 1 ZPO sind Besitzstörungsklagen innerhalb von 30 Tagen anhängig zu machen, nachdem der Kläger von der Störung Kenntnis erlangt hat. Da der Kläger bereits im Juni 2015 gerade wegen der Handlungen, die nunmehr Gegenstand des Schadenersatzanspruchs sind, gegen die Erstbeklagte als Störerin eine Besitzstörungsklage erhob, ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, seit damals hätten ausreichende Erfolgsaussichten für die Einbringung der gegenständlichen Klage bestanden, nicht zu beanstanden. Durch die Bezugnahme auf einzelne Beweisergebnisse vermag der Kläger keine Fehlbeurteilung aufzuzeigen.
[5] 3. Die Vorinstanzen wiesen auch das auf Amtshaftung gestützte Klagebegehren gegenüber der Zweitbeklagten ab. Zu den nachvollziehbaren Argumenten des Berufungsgerichts, dass sein Amtshaftungsanspruch aus der Verbringung der Anlage in eine bestimmte Bucht gemäß § 6 Abs 1 AHG bereits seit Jänner 2018 verjährt und die Zweitbeklagte in die weitere Verbringung der Anlage nicht involviert gewesen sei, nimmt der Kläger nicht Stellung und vermag somit keine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen.