7Ob116/21s – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätin und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Stefula und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. I* D*, 2. Dr. A* D*, vertreten durch Dr. Christian Kleinszig, Dr. Christian Puswald, Rechtsanwälte in St. Veit an der Glan, deren Nebenintervenienten Ing. H* U*, vertreten durch Univ. Prof. Dr. Gernot Murko und andere, Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei M* S*, vertreten durch Mag. Dr. Stephan Medwed Rechtsanwalts-Kommanditpartnerschaft in Klagenfurt, wegen 58.745,67 EUR sA, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 7. Mai 2021, GZ 4 R 28/21a 82, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 19. November 2020, GZ 28 Cg 77/18m 78, teilweise abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 1.017,90 EUR (darin enthalten 169,65 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1] Die Revision ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruchs des Berufungsgerichts mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig. Die Zurückweisung der Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
Rechtliche Beurteilung
[2] 1. Im Revisionsverfahren ist nur mehr die Frage eines Abzugs „neu für alt“ im Zusammenhang mit den von den Klägern aufgewendeten und klageweise geltend gemachten Kosten zur Behebung eines vom Rechtsvorgänger der Beklagten zu vertretenden Mangels (Herstellung einer den Bauauflagen entsprechenden Abwasserhebeanlage) strittig.
[3] 2.1 Gemäß § 932 Abs 2 und 4 ABGB kann der Übernehmer zunächst nur die Verbesserung oder den Austausch der Sache verlangen. Durch den Vorrang der Verbesserung wird sichergestellt, dass der Übergeber zunächst die Gelegenheit bekommt, den vertragsgemäßen Zustand herzustellen. Die Rechtsbehelfe der zweiten Stufe, Preisminderung oder Wandlung, kann der Übernehmer nur geltend machen, wenn die Verbesserung und der Austausch nicht möglich sind, für den Übergeber mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wären oder wenn er dem Verlangen des Übernehmers nicht oder nicht in angemessener Frist nachkommt. Ferner kann der Übernehmer die Rechtsbehelfe der zweiten Stufe fordern, wenn die primäre Abhilfe für den Übernehmer mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden wäre oder wenn ihm die Verbesserung oder der Austausch aus triftigen, in der Person des Übergebers liegenden Gründen nicht zumutbar ist (7 Ob 37/21y, vgl RS0120246).
[4] 2.2 Gemäß § 933a Abs 1 ABGB kann der Übernehmer Schadenersatz fordern, wenn der Übergeber den Mangel verschuldet hat. § 933a Abs 1 ABGB schreibt als lex specialis, die den §§ 1295 ff ABGB vorgeht, den Grundsatz der vollen Konkurrenz zwischen Gewährleistung und Schadenersatz explizit im Gesetz fest. Damit wird klargestellt, dass der Übernehmer wegen der vom Übergeber verschuldeten (= schuldhaft nicht vor Übergabe beseitigten) Mängel auch Anspruch auf Schadenersatz hat (5 Ob 65/18x; vgl RS0122651).
[5] 2.3 Als sekundärer Rechtsbehelf – also bei Unmöglichkeit oder Unverhältnismäßigkeit bzw bei Verweigerung oder Verzögerung der Verbesserung oder des Austauschs oder aber bei erheblichen Unannehmlichkeiten oder Unzumutbarkeiten für den Unternehmer – kann der Gewährleistungsberechtigte grundsätzlich Geldersatz in Form des Erfüllungsinteresses verlangen (RS0126731 [T2], 1 Ob 138/17a). Danach ist er so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung stünde. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gilt dies jedenfalls dann, wenn der Mangel behebbar ist (RS0126732). Das Erfüllungsinteresse besteht zunächst in den Kosten der Mängelbehebung. Als Geldersatz für den Mangelschaden gebühren daher – nach Wahl des Gewährleistungsberechtigten – insbesondere die Verbesserungskosten, die Austauschkosten oder die Ersatzvornahmekosten (RS0131269, 1 Ob 138/17a).
[6] 2.4 Die Kläger begehren Geldersatz für die von ihnen aufgewendeten Kosten der bereits durchgeführten Ersatzvornahme durch einen Dritten als Erfüllungsinteresse infolge Verzugs des Rechtsvorgängers der Beklagten mit der Verbesserung. Dabei handelt es sich entgegen ihrer Bezeichnung nicht um einen Gewährleistungsbehelf nach § 932 ABGB, sondern um einen Schadenersatzanspruch nach § 933a ABGB. Die Frage des Beginns der Gewährleistungsfrist stellt sich damit nicht, sodass sich auch ein Eingehen auf das Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts zu Punkt 5.5 des Kaufvertrags erübrigt.
[7] 3.1 Über den Umfang und die Art der Berechnung des Geldersatzes trifft § 933a ABGB keine Aussage, sodass auf die allgemeinen schadenersatzrechtlichen Regeln zurückgegriffen werden muss (10 Ob 29/16m).
[8] 3.2 Auch bei einem Schadenersatzanspruch nach § 933a ABGB, der auf Verbesserung gerichtet ist, ist der Nutzen des Geschädigten aus der um Jahre verlängerten Lebensdauer des Werks nach dem Prinzip „neu für alt“ in Abzug zu bringen (RS0021942 [T11]; 6 Ob 146/20v, 10 Ob 80/19s). Ein Vorteilsausgleich ist im Rahmen der Gewährleistung ausgeschlossen (RS0018699), im Schadenersatzrecht hingegen aufgrund der dort gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise (RS0030206) vorzunehmen.
[9] 3.3 Die Beurteilung, ob ein Abzug „neu für alt“ entsprechend einer verhältnismäßigen Abnützungsquote gerechtfertigt ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher in der Regel keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (RS0030246 [T9]).
[10] 3.4 Bei Erneuerung von Teilen einer Sache, die ohne Beschädigung vor dem Zugrundegehen bzw vor dem Unbrauchbarwerden der Sache ohnehin erneuert hätten werden müssen, führt die Erneuerung der Teile unter Tragung der Gesamtkosten durch den Schädiger dann zu einer Bereicherung des Geschädigten, wenn die Sache auch insgesamt keine Wertsteigerung erfährt, wie dies etwa bei Häusern und Installationen der Fall ist. Um eine Bereicherung des Geschädigten zu vermeiden, sind ihm nur aliquote Anteile der Erneuerungskosten zu ersetzen. Dabei ist in erster Linie die Restlebensdauer, die der beschädigte Sachteil gehabt hätte, zur erwarteten Lebensdauer des erneuerten Sachteils in Beziehung zu setzen (RS0030206; 5 Ob 292/05k; 8 Ob 67/20s). In diesem von der Rechtsprechung vorgegebenen Rahmen hielten sich die Vorinstanzen.
[11] 4. Der Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).
[12] 5. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Für die Revisionsbeantwortung gebührt aber kein Streitgenossenzuschlag, weil sich der Nebenintervenient der Kläger am Revisionsverfahren nicht beteiligt hat (RS0036223).