4Ob96/21b – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und Hon. Prof. PD Dr. Rassi sowie die Hofrätinnen Dr. Faber und Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache des Klägers J***** S*****, vertreten durch Hock Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Beklagte C***** AG, *****, vertreten durch SRG Stock Rafaseder Gruszkiewicz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 85.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 10. März 2021, GZ 39 R 57/21b 24, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Der Kläger ist Mieter, die Beklagte Vermieterin einer Wohnung mit einer Gesamtfläche von mehr als 200 m². In einer Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag wurde aufgrund von Instandsetzungsarbeiten auf Mieterseite (die durch ein Gutachten mit 120.000 EUR bewertet wurden) vereinbart, dass beginnend mit dem Kalenderjahr 2010 dieser Betrag über zehn Jahre abgeschrieben wird. Innerhalb dieser Zeit hat der Mieter ein Weitergabe bzw Untervermietungsrecht. Im Fall einer Kündigung innerhalb der 10 Jahres-Frist durch den Mieter hat der Vermieter die Möglichkeit, durch Ablöse des sich bis zum Kündigungszeitpunkt um die Abschreibung verminderten Investitionsbetrags das Weitergaberecht zu übernehmen. Als der Kläger im Jahr 2018 beabsichtigte, sein Weitergaberecht auszuüben, bot er zunächst der Beklagten an, ihm dieses gegen Zahlung von 182.000 EUR abzulösen. Die Beklagte vertrat die Rechtsansicht, dass sie aufgrund der vereinbarten Abschreibung berechtigt sei, dem Kläger das Weitergaberecht mit 12.000 EUR abzulösen. Dieses Angebot interessierte den Kläger nicht und er machte sich auf die Suche nach Nachmietern, die er Anfang 2019 auch fand.
[2] Die Nachmieter (ein Ehepaar) schlossen mit dem Kläger eine Vereinbarung, wonach sie aufgrund des bestehenden Weitergaberechts in die Mietrechte des Klägers eintreten. Geplanter Stichtag für die Übergabe bzw Übernahme der Mietrechte war der 1. 5. 2019. Als Entgelt für die Ausübung des Weitergaberechts und die Übernahme des Bestandobjekts samt Inventar wurde der Betrag von 85.000 EUR vereinbart. Falls der Vermieter erkläre, die Weitergabe der Mietrechte an die Nachmieter nicht zu akzeptieren, wurde diesen ein Rücktrittsrecht eingeräumt. Der Kläger informierte (als Akt der Höflichkeit) die Vertreterin (Hausverwaltung) der Beklagten von seiner Absicht, vom Weitergaberecht Gebrauch zu machen und ersuchte um Bestätigung, dass keine Einwände bestehen. Die Beklagte bestritt (letztlich auch im Wege einer Anwaltskorrespondenz), dass der Kläger ein Weitergaberecht habe. Die in Aussicht genommenen Nachmieter lehnten es ab, in einen Mietvertrag einzutreten und dann mit dem Vermieter streiten zu müssen. Sie traten daher von der mit dem Kläger getroffenen Vereinbarung zurück.
[3] Der Kläger begehrt von der Beklagten (letztlich) die Zahlung von 85.000 EUR sA aus dem Titel des Schadenersatzes. Der Schaden (entgangene Ablösesumme) sei ihm durch das vertragswidrige Verhalten der Beklagten entstanden.
[4] Die Beklagte wendete im Wesentlichen ein, beim geforderten Betrag handle es sich um eine nach dem MRG verbotene Ablöse. Für den Schadenersatz fehle es am Schaden, an der Kausalität, Rechtswidrigkeit und Adäquanz. Eine Bestätigung der Akzeptanz der Nachmieter sei nicht erforderlich gewesen, der Kläger hätte lediglich den Eintritt des Nachmieters anzeigen müssen. Die Zustimmung der Beklagten zum Eintritt sei nicht erforderlich gewesen. Für einen Ersatz von entgangenem Gewinn fehle es an der groben Fahrlässigkeit.
[5] Das Erstgericht stellte mit Zwischenurteil – zusammengefasst – fest, dass die Beklagte dem Kläger dem Grunde nach für den Schaden hafte, den der Kläger infolge der Bestreitung des vereinbarten Weitergaberechts durch die Beklagte erlitt.
[6] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, dass es aussprach, dass das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, dem Kläger 85.000 EUR sA zu zahlen, dem Grunde nach zu Recht bestehe. Die Frage, ob eine nach § 27 MRG verbotene Ablöse vorliege, sei hier nicht zu prüfen, da dieser Fragenkomplex nicht den Grund des Anspruchs, sondern dessen Höhe betreffe. Die Beklagte habe infolge einer unvertretbaren Rechtsansicht die Ausübung des dem Kläger aufgrund der Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag zustehenden Weitergaberechts dadurch vereitelt, dass sie dieses bestritten habe, worauf die vom Kläger präsentierten präsumtiven Mietrechtsnachfolger von der Vereinbarung über die Ausübung eines Weitergaberechts zu einem Entgelt von 85.000 EUR zurückgetreten seien. Damit habe die Beklagte – mit zumindest bedingtem Vorsatz – im Vermögen des Klägers einen Schaden verursacht, da der Kläger die mit den präsumtiven Mietrechtsnachfolgern vereinbarte Ablöse nicht habe lukrieren können. Der Schaden (dessen Höhe mangels Feststellungen zum Wert der zu übergebenden Küche betraglich noch nicht feststehe) sei gemäß § 1295 Abs 2 ABGB zu ersetzen.
Rechtliche Beurteilung
[7] Die Beklagte zeigt in ihrer – auf Klageabweisung, in eventu Aufhebung, gerichteten – außerordentlichen Revision keine erheblichen Rechtsfragen auf. Die Revision ist daher unzulässig und somit zurückzuweisen.
[8] 1. Die Revision wiederholt den Standpunkt der Beklagten, dass das Weitergaberecht den Mieter berechtige, seine Rechte und Pflichten aus dem Bestandverhältnis durch bloße Erklärung an den Vermieter auf einen Dritten zu übertragen. Die Zustimmung des Vermieters sei keine Voraussetzung.
[9] 2. Dies ist aber ohnehin unstrittig (vgl auch RIS Justiz RS0032700). Im vorliegenden Verfahren geht es vielmehr darum, ob die ausdrückliche Ablehnung der konkreten Weitergabe durch die Beklagte einen Schadenersatzanspruch begründet.
[10] 3. Dazu ist zunächst die – oben wiedergegebene – Vereinbarung zwischen dem Kläger und der (Rechtsvorgängerin der) Beklagten auszulegen. Wenn die Vorinstanzen diese dahin verstanden haben, dass dem Kläger ein unbedingtes (befristetes) Weitergaberecht zustand und die Beklagte dieses nur im Fall der Kündigung (sohin bei Nichtinanspruchnahme des Weitergaberechts) durch den Kläger „übernehmen“ konnte, so liegt darin schon wegen des eindeutigen Wortlauts keine unvertretbare Vertragsauslegung im Einzelfall (vgl RS0042936).
[11] 4.1. Die Beklagte hat durch ihre Ablehnung der vertraglich zugesagten Weitergabe gegen ihre Vertragspflicht verstoßen und dem Kläger dadurch einen Schaden zugefügt. Es widersprach ihren aus der Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag abzuleitenden (Neben )Pflichten, dass sie sich trotz des eindeutigen Wortlauts der Vereinbarung und somit in offensichtlicher Kenntnis der Unrichtigkeit ihrer Behauptung gegen die Weitergabe aussprach. Auch wenn die Weitergabe ohne ihre Zustimmung wirksam ausgeübt hätte werden können, musste ihr bewusst sein, dass sie mit der beharrlichen Ablehnung der Akzeptanz der Weitergabe das Zustandekommen der Ablösevereinbarung zwischen dem Kläger und den vorgesehenen Nachmietern gefährdet und dem Kläger damit einen Vermögensschaden in beträchtlicher Höhe zufügt (hat doch der Kläger der Beklagten die Ablöse seines Weitergaberechts um 182.000 EUR angeboten).
[12] 4.2 Wegen des vertragswidrigen Verhaltens der Beklagten kann der geltend gemachte Schaden bereits auf § 1295 Abs 1 ABGB gestützt werden. Dass die Vorinstanzen den Schadenersatzanspruch auf § 1295 Abs 2 ABGB gestützt haben, bedarf daher im Ergebnis keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.
[13] 5. An diesem Ergebnis können auch die Ausführungen der Beklagten nichts ändern, sie habe ja das Weitergaberecht „an sich“ nicht bestritten, sondern nur das Weitergaberecht „in diesem Sinne“. Diesen Einwand haben bereits die Vorinstanzen vertretbar als unzutreffend beurteilt, haben doch die Vertreter der Beklagten ausdrücklich (und schriftlich) mitgeteilt, dass die Beklagte das Weitergaberecht immer bestritten habe und nur die „Neuvermietung“ prüfen wolle. Von einem Anerkenntnis des Weitergaberechts „an sich“ kann daher keine Rede sein.