JudikaturOGH

4Ob110/21m – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. September 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon. Prof. PD Dr. Rassi, Dr. Parzmayr sowie die Hofrätin Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin B***** GmbH, *****, vertreten durch MMag. Simon Herzog, Rechtsanwalt in Zell am See, gegen die Beklagte F***** A/S, *****, vertreten durch Dr. Constanze Emesz, Rechtsanwältin in Salzburg, wegen (ausgedehnt) Zuhaltung eines Vertrags (Streitwert 9.005 EUR) und 5.900 EUR sA, über die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 29. März 2021, GZ 22 R 22/21w 41, womit das Urteil des Bezirksgerichts Zell am See vom 11. November 2020, GZ 15 C 511/19x 36, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin betreibt einen stationären Onlinehandel (Onlineshop) und eine Ausstellung mit Artikeln rund ums Bad. Die Beklagte stellt Badzubehör her. Die Streitteile unterfertigten im Juli 2019 eine Partnervereinbarung. Diese enthält neben der Festlegung einer Laufzeit, der zu verrechnenden Preise und der Liefer- und Zahlungsbedingungen ua auch folgenden Passus:

„Bedingung für die Vereinbarung ist, dass der Händler die Anforderungen von [Firmenschlagwort der Beklagten] hinsichtlich Ausstellung und Schulung des Personals gemäß Vereinbarung erfüllt. Der Händler muss ein repräsentatives Sortiment von [Firmenschlagwort der Beklagten] -Produkten im Showroom ausstellen. Dies wird individuell zwischen [Firmenschlagwort der Beklagten] und dem Händler vereinbart. […] Das Verkaufspersonal muss mit den [Firmenschlagwort der Beklagten] -Konzepten vertraut sein, um den Erwartungen des Kunden gerecht zu werden. Für die notwendige Schulung des Personals steht ein Vertreter von [Firmenschlagwort der Beklagten] zur Verfügung.“

[2] Eine Schulung von Mitarbeitern der Klägerin durch die Beklagte fand nicht statt. Dass eine individuelle Vereinbarung zwischen den Streitteilen betreffend die Ausgestaltung der Verkaufsräumlichkeiten der Klägerin mit Produkten der Beklagten abgeschlossen wurde, hat die Klägerin nicht behauptet. Die Beklagte nahm die in der Folge getätigten Bestellungen der Klägerin nicht an.

[3] Die Klägerin begehrt die Zuhaltung der (nach ihrem Vorbringen ohne Vereinbarung von aufschiebenden Bedingungen wirksam zustande gekommenen) Partnervereinbarung und Schadenersatz (Vertrauens- und Imageschaden, entgangener Gewinn). Die Beklagte habe im August 2019 bestellte Waren trotz mehrmaliger Aufforderung und Nachfristsetzung vertragswidrig nicht geliefert.

[4] Die Beklagte wendete ein, dass die Partnervereinbarung mangels Erfüllung der vereinbarten Bedingungen (Personalschulung durch die Beklagte, Vereinbarung eines auszustellenden Produkt Sortiments) nicht zustande gekommen sei. Davon abgesehen habe die Partnervereinbarung lediglich die Rahmenbedingungen für künftig abzuschließende Lieferverträge festgelegt. Offerte betreffend Warenlieferungen an die Klägerin habe die Beklagte nicht angenommen.

[5] Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Partnervereinbarung sei nicht als Vorvertrag, der eine Verpflichtung zum zukünftigen Abschluss von Einzelverträgen enthalte, sondern als Rahmenvertrag einzustufen, der lediglich die Dauer der angelegten Geschäftsbeziehung strukturiere, allerdings keine Lieferverpflichtung enthalte. In der Folge seien auch keine Kaufverträge zustande gekommen, weil die Beklagte die Bestellungen nicht angenommen habe. Auch habe die Klägerin schon Produkte der Beklagten in ihren Onlinehandel aufgenommen, noch bevor die vereinbarte Mitarbeiterschulung stattgefunden habe. Dieser Vertragsbruch habe bereits vor der ersten Bestellung dazu geführt, dass keine weitere Zusammenarbeit von Seiten der Beklagten zustande gekommen sei.

[6] Das Berufungsgericht verwarf die Nichtigkeitsberufung, die darauf gestützt war, dass ein Zeuge und der Geschäftsführer der Beklagten per Videokonferenz vernommen worden waren, obwohl sich die Klägerin dagegen ausgesprochen hatte, und verneinte einen auf diesen Umstand gegründeten Verfahrensmangel; im Übrigen bestätigte es das Ersturteil. Die Partnervereinbarung zwischen den Streitteilen sei unter aufschiebenden Bedingungen (individuelle Vereinbarung über das auszustellende Sortiment; Schulung von Mitarbeitern der Klägerin durch die Beklagte) abgeschlossen worden, die bis zur Beendigung der Zusammenarbeit nicht eingetreten seien; sie sei damit nicht wirksam geworden. Die Klägerin habe nicht darauf vertrauen dürfen, vor Herstellung der im Vertrag vereinbarten Voraussetzungen bei der Beklagten Waren beziehen zu können.

[7] Das Berufungsgericht ließ nachträglich die Revision zur Frage zu, ob vor dem Hintergrund der Neufassung des § 3 1. COVID-19-Justizbegleitgesetz auch im ordentlichen Zivilverfahren die Einvernahme eines Zeugen oder einer Partei im Wege einer Videokonferenz gegen den Willen des Prozessgegners zulässig sei.

[8] Die Klägerin beantragt mit ihrer – von der Beklagten beantworteten – Revision wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung, der Klage stattzugeben.

Rechtliche Beurteilung

[9] Die Revision ist ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen iSv § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig .

[10] 1.1. Der Beschluss des Berufungsgerichts, mit dem eine wegen Nichtigkeit erhobene Berufung verworfen wurde, kann – auch dann, wenn er in das Berufungsurteil aufgenommen wurde – weder mit Revision noch mit Rekurs bekämpft werden (RIS Justiz RS0043405; vgl auch RS0042981). Dasselbe gilt für vom Berufungsgericht verneinte Verfahrensmängel (RS0042963).

[11] 1.2. Somit kann unabhängig davon, ob bereits Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 3 des 1. COVID-19-JuBG (der die Einvernahme von Parteien und Zeugen im Wege einer Videokonferenz ermöglicht) vorliegt, der Umstand, dass ein Zeuge und der Geschäftsführer der Beklagten vor dem Erstgericht per Videokonferenz einvernommen wurden, in der Revision nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden.

[12] 2.1. Die Rechtsrüge macht allein geltend, dass die abgeschlossene Partnervereinbarung dahin auszulegen sei, dass die Beklagte der Klägerin bestellte bzw abgerufene Ware nach Bestellung frei Haus zu liefern habe; die Beklagte habe sich zu einem „Kauf auf Abruf“ verpflichtet.

[13] 2.2. Die Rechtsmittelwerberin setzt sich damit nicht mit den Rechtsausführungen des Berufungsgerichts, wonach die Partnervereinbarung nicht wirksam zustande gekommen sei, auseinander, weshalb eine Überprüfung der in der angefochtenen Entscheidung vertretenen Rechtsansicht nicht stattfinden kann (vgl RS0043654 [T15]). Die somit auch in diesem Punkt unzulässige Revision ist daher zurückzuweisen.

[14] 3. Die Revisionsbeantwortung der Beklagten diente nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, weil darin nicht auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen wurde. Ein Kostenersatz findet daher nicht statt.

Rückverweise