4Ob135/21p – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und Hon. Prof. PD Dr. Rassi, sowie die Hofrätinnen Dr. Faber und Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** Limited, *****, vertreten durch Schwarz Schönherr Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Kinberger-Schuberth-Fischer Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Unterlassung und Beseitigung (Gesamtstreitwert 43.340 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Mai 2021, GZ 2 R 47/21b 59, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung:
[1] Das Zeichen „Schweppes“ ist weltweit bekannt, ua für das Getränk „Tonic Water“, das es in mehreren Varianten gibt. Das Zeichen ist zwar als solches keine eingetragene Unionsmarke, ist aber seit Langem in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) als nationale Wort- und Bildmarke eingetragen. Diese nationalen Marken sind im Wesentlichen identisch (EuGH, C 291/16, Schweppes SA , Rn 5).
[2] Ursprünglich war Ca ***** Inhaberin aller im EWR eingetragenen Schweppes Marken (Parallelmarken). Nunmehr ist die C ***** Inhaberin der Markenrechte für „Schweppes“ in mehreren vorwiegend osteuropäischen Ländern (ua in Kroatien und Bosnien-Herzegowina) und auch im Vereinigten Königreich. Die Klägerin ist Inhaberin der nicht an die C ***** übertragenen Parallelmarken, ua in Österreich für die für die Warenklasse 32 („natürliche und künstliche Mineral-, luft und gashaltige Wasser einschließlich Ingwerbier“) mit Priorität vom 28. Jänner 1933 eingetragene nationale Marke Nr 7797 „SCHWEPPES“. Weiters ist sie Inhaberin weiterer (nationaler) Wort-Bild-Marken für die Warenklassen 32 und 33 (diverse alkoholische und nicht alkoholische Getränke) mit dem Zeichen „Schweppes“.
[3] Die beklagte Gesellschaft handelt mit Waren aller Art mit Sitz in Wien. Im Februar 2019 sollten 1.296 Flaschen mit der Marke Schweppes aus Bosnien Herzegowina nach Österreich zur Beklagten als Empfängerin geliefert werden. Die Waren wurden aber vom Zollamt Salzburg nach den Bestimmungen der Produktpiraterieverordnung vorläufig sichergestellt.
[4] Die Klägerin begehrt, der Beklagten die Benutzung (insb die Einfuhr und das Inverkehrbringen) von Waren in Österreich zu verbieten, die mit den klägerischen Marken gekennzeichnet sind und die nicht von der Klägerin oder mit ihrer Zustimmung von einem ihrer Lizenznehmer im EWR in Verkehr gebracht worden sind. Hinsichtlich der beschlagnahmten Flaschen stellt sie ein Beseitigungsbegehren. Die Klägerin macht dabei ihre Markenrechte geltend und stützt sich auf §§ 51 und 52 MSchG.
[5] Die Beklagte wandte – für das drittinstanzliche Verfahren noch von Relevanz – die Erschöpfung des Markenrechts nach § 10b MSchG ein. Die sichergestellten Flaschen seien mit Zustimmung der C***** für Kroatien und somit für den europäischen Markt hergestellt worden.
[6] Die Vorinstanzen gaben der Klage statt. Das Berufungsgericht hielt unter Hinweis auf die Judikatur des EuGH ua fest, dass auch bei der Aufspaltung von Markenrechten in Parallelmarken, die für verschiedene Berechtigte in verschiedenen Staaten registriert sind, die allfällige Zustimmung zur Einfuhr durch ein anderes Unternehmen mit Markenrechten (hier: C ***** ) nicht zur Erschöpfung des die klagsgegenständlichen (nationalen) Marken betreffenden Markenrechts führe . Im Fall einer freiwilligen Markenaufspaltung könne jedes der voneinander unabhängigen Unternehmen die Einfuhr von Waren des jeweils anderen Unternehmens mit dem geschützten Zeichen abwehren.
[7] Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision im Hinblick auf die von ihm referierte Judikatur und die Einzelfallbezogenheit nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
[8] In ihrer dagegen erhobenen außerordentlichen Revision zeigt die Beklagte dagegen keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[9] 1.1 Nach dem (Art 7 Abs 1 MarkenRL umsetzenden) § 10b Abs 1 MSchG gewährt die Marke ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten, die Marke für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke von ihrem Inhaber oder mit seiner Zustimmung im EWR in den Verkehr gebracht worden sind. Es gilt der Grundsatz der bloß EWR-weiten Erschöpfung; das Markenrecht ist daher nur erschöpft, wenn die Ware vom Markeninhaber oder mit seiner Zustimmung im EWR in Verkehr gebracht worden ist (RIS Justiz RS0118284). Ein vom Inhaber in Anspruch genommener Beklagter hat dabei zu behaupten und zu beweisen, dass die (konkret) betroffenen Waren vom Markeninhaber oder mit dessen Zustimmung im EWR auf den Markt gebracht wurden ( 17 Ob 16/09s ). In Verkehr müssen genau jene Warenexemplare gebracht worden sein, für die Erschöpfung geltend gemacht wird ( 4 Ob 213/03g ; 4 Ob 206/99v [„... die Rechte aus einer Marke nur in bezug auf diejenigen Exemplare der Ware erschöpft sind, die mit Zustimmung des Inhabers in den Verkehr gebracht worden sind“]; EuGH C 173/98, Sebago , Rn 19 ff).
[10] 1.2 Damit soll eine sogenannte „Marktabschottung“ verhindert werden, die dann vorliegt, wenn grenzüberschreitende Lieferungen im Binnenmarkt nachhaltig und erfolgreich unterbunden werden (4 Ob 154/17a). Mit dem Erschöpfungsgrundsatz soll damit (nur) eine Abschottung der Märkte innerhalb des EWR verhindert werden ( RS0125253 ), der Grundsatz soll damit auch die Warenverkehrsfreiheit innerhalb des EWR stärken ( 4 Ob 154/17a ).
[11] 1.3 Im Fall freiwilliger Markenaufspaltung auf voneinander unabhängige Unternehmen kann jedes Unternehmen die Einfuhr von Waren des jeweils anderen Unternehmens mit dem geschützten Zeichen in jenen Mitgliedstaat, in dem sein Markenrecht besteht, grundsätzlich abwehren, weil insofern keine Zustimmung iSd Art 7 Abs 1 MarkenRL vorliegt ( RS0112484 ).
[12] 1.4 Nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C 291/16 , Schweppes SA , die von der länderweisen Aufspaltung der Markenrechte für das Zeichen „Schweppes“ geprägt war, kann sich allerdings der Inhaber einer nationalen Marke (dort: die hier klagende Partei) der Einfuhr identischer, mit der gleichen Marke versehener Waren aus einem anderen Mitgliedstaat (dort: Vereinigtes Königreich als damaliger Mitgliedstaat der Union), in dem ein Dritter Markeninhaber ist (dort: C*****), dann nicht widersetzen, wenn die Marke ursprünglich demselben Inhaber gehörte und die nunmehrigen Inhaber durch einen einheitlichen Markenauftritt im Verkehr Verwirrung über die betriebliche Herkunft der mit dieser Marke versehenen Waren geschaffen haben oder sie sich koordinieren, um die Nutzung der Marke gemeinsam zu kontrollieren (Rn 40). In einem solchen Fall kann der Inhaber nicht unter Berufung auf das Erfordernis, diese Funktion aufrechtzuerhalten, der Einfuhr jener Waren widersetzen, die aus einem anderen Mitgliedstaat stammen .
[13] 2.1 Die Vorinstanzen haben die Zustimmung der Klägerin (Markeninhaberin) zur von der Beklagten angestrebten Einfuhr der beschlagnahmten Waren aus einem Drittstaat nach Österreich (also in den EWR) auch für den Fall einer Markenaufspaltung (Parallelmarken) für notwendig erachtet. Das hält sich im Rahmen der aufgezeigten Rechtsprechung und deckt sich auch mit dem klaren Wortlaut des Art 7 Abs 1 MarkenRL bzw des § 10b Abs 1 MSchG, wonach die Erschöpfung voraussetzt, dass die Waren mit Zustimmung des Markeninhabers im EWR in den Verkehr gebracht worden sind.
[14] 2.2 Wenn die Beklagte dem Berufungsgericht vorwirft, von der zu RS0118284 entwickelten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen zu sein, weil die „gleichen Produkte“ von der C***** in einem Teil der EWR Länder (zB Kroatien) vertrieben würden, blendet sie aus, dass nach der in Punkt 1.1 referierten Judikatur die Erschöpfung davon abhängig ist, dass genau jene Warenexemplare in Verkehr gebracht worden sind, für die Erschöpfung geltend gemacht wird. Das ist nach dem Sachverhalt zu verneinen, zumal die gegenständlichen Waren (= 1.296 Flaschen mit der Marke Schweppes) nicht für Kroatien, sondern für Österreich bestimmt waren. Schon deshalb liegt der behauptete Widerspruch zu den Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zum markenrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz nicht vor.
[15] 2.3 Auch der von der Beklagten behauptete Widerspruch zur Entscheidung C 291/16, Schweppes SA , liegt nicht vor. Der von den Vorinstanzen zu entscheidende Fall unterscheidet sich wesentlich von jener Konstellation, die der zitierten Entscheidung des EuGH zugrundelag. Die Beklagte blendet aus, dass im Anlassfall die Waren aus einem Drittstaat (Bosnien Herzegowina) nach Österreich eingeführt und damit in den Verkehr gebracht werden sollten. Weder wurden die gegenständlichen Waren vor ihrer Einfuhr bereits „im EWR in den Verkehr gebracht“ noch kann die verweigerte Zustimmung der klagenden Partei (zur Einfuhr nach Österreich) eine „Abschottung der Märkte innerhalb des EWR“ bewirken. Damit kommt es auch nicht auf die wirtschaftlichen Beziehungen der Klägerin zur C***** an, auf die der EuGH in der Entscheidung C 291/16 mit Blick allein auf Lieferungen innerhalb des Binnenmarkts abstellte.