15Os65/21d – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 15. September 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Mag. Lampret als Schriftführer in der Strafsache gegen ***** F***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2013/116 und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 4. März 2021, GZ 13 Hv 63/20g 20, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde ***** F***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2013/116 (I./) sowie der Vergehen der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung nach § 205a Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er
I./ am 10. Februar 2016 in F***** Mag. ***** O***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sie packte, gegen einen Holztisch drückte, sie auf die Tischplatte niederdrückte, mit einer Hand am Rücken im Bereich der Wirbelsäule festhielt, ihr Hose und Unterhose hinunter riss und sie vaginal mit seinem Penis penetrierte,
II./ in K***** mit Mag. ***** O*****gegen deren Willen den Beischlaf vorgenommen, indem er sie gegen einen Holztisch drückte, ihr Hose und Unterhose hinunter riss und sie vaginal mit seinem Penis penetrierte, obwohl sie mehrmals ausdrücklich und unmissverständlich sagte, dass sie dies nicht wolle, und zwar
1./ im August 2016,
2./ im März 2017.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die aus Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.
[4] Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider konnte der Antrag auf Vernehmung des Mag. ***** Z***** zum Beweis dafür, dass das Verhalten der Mag. O***** im (Zivil-)Gerichts und Exekutionsverfahren „mittlerweile äußerst dreist“ sei (ON 19 PS 28), ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgewiesen werden (ON 19 PS 29 f), war doch nicht ersichtlich, inwiefern d er unter Beweis zu stellende Umstand für die Schuld- oder Subsumtionsfrage von Relevanz sein sollte (§ 55 Abs 2 Z 1 StPO).
[5] Die in der Beschwerde nachgetragenen Gründe als Versuch einer Fundierung des Antrags sind angesichts der auf Nachprüfung der erstgerichtlichen Vorgangsweise angelegten Konzeption des Nichtigkeitsverfahrens und des damit auch für die Prüfung eines Zwischenerkenntnisses verbundenen Neuerungsverbots unbeachtlich (RIS Justiz RS0099618).
[6] Eine unter Nichtigkeitsdrohung stehende Begründungspflicht besteht ausschließlich für den Ausspruch über entscheidende Tatsachen (vgl RIS Justiz RS0099497). Entscheidend ist eine Tatsache dann, wenn die Feststellung d es Vorliegens oder Nichtvorliegens in den Urteilsgründen entweder die rechtliche Entscheidung über Schuld oder Freispruch oder darüber beeinflusst, welche strafbare Handlung begründet wird (RIS Justiz RS0117264).
[7] Bei Ausführung der Mängelrüge (Z 5) ist an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß zu nehmen (vgl RIS Justiz RS0119370). Einzelne Sätze des Urteils isoliert und ihres Kontextes entkleidet zu kritisie ren, genügt den Erfordernissen einer prozessordnungsgemäßen Darstellung dieses Nichtigkeitsgrundes nicht.
[8] In diesem Sinn stellen der Zeitpunkt der Fälligkeit der Kaution und die Platzverhältnisse auf der Bank ebenso nicht entscheidende Nebenumstände dar wie die Frage, ob der Angeklagte die Beine der Frau spreizte, mit welcher Hand er ihr die Hose herunterzog und ob er ein Kondom verwendete und ejakulierte (zu I./).
[9] Dass die Zeugin Mag. O***** in ihrer kontradiktorischen Vernehmung angab , der Angeklagte habe sie nach hinten gedrängt, „der Rücken auf die Tischplatte“ (ON 11 PS 7) steht – als offensichtlicher Irrtum – in keinem erörterungsbedürftigen Widerspruch zu ihren sonstigen Angaben (ON 2 S 23 f; ON 11 PS 13 ff, 53 f), wonach der Angeklagte ihren Oberkörper auf die Tischkante drückte und sie von hinten vaginal penetrierte. Dass ihre Angabe n „in Details“ unstimmig waren, haben die Tatrichter zudem ausdrücklich berücksichtigt (US 8; Z 5 zweiter Fall).
[10] Soweit die Beschwerde eigenständige Erwägungen zu Körpergewicht und Körperkraft des Angeklagten sowie zum Tathergang anstellt, bekämpft sie die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Berufung wegen Schuld.
[11] Auch zu den Vorfällen im August 2016 und im März 2017 (II./) kritisiert die Mängelrüge anhand eigener Erwägungen, Spekulationen und Schlussfolgerungen zum Ablauf der Geschehnisse lediglich die erstgerichtliche Beweiswürdigung, ohne ein Begründungsdefizit im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes aufzeigen zu können.
[12] Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) das Vorbringen der Mängelrüge wiederholt, verfehlt sie den von der Verfahrensordnung vorgegebenen Rahmen (vgl RIS Justiz RS0115902). Soweit sie zu II./1./ kritisiert, das Erstgericht hätte einen Arzt zur Hauptverhandlung beiziehen müssen, um zu klären, ob der Angeklagte – wie von der Zeugin behauptet – am Körper rote Pustel und Pickel hatte (vgl US 11), erklärt sie nicht, wodurch der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer gehindert gewesen wäre , einen entsprechenden A ntrag in der Hauptverhandlung zu stellen (RIS Justiz RS0115823).
[13] Inwiefern es der „negativen Äußerung der Frau“ zu II./, dass sie „dies nicht mehr könne“ und den Sexualverkehr mit ihm nicht wolle (US 6 und 7), an „Ernsthaftigkeit“ fehlte (Z 9 lit a), erklärt die Rüge nicht. Weshalb es (der Feststellung) einer körperlichen Abwehrhaltung zur Erfüllung des Tatbestands bedürfen sollte, legt die Beschwerde nicht methodisch aus dem Gesetz entwickelt dar (RIS Justiz RS0116565) .
[14] Soweit die Rüge schließlich meint, es läge „weder die Aus nüt zung einer Zwangslage noch eine vorangegangene Einschüchterung gegenüber der Frau vor“, orientiert sie sich nicht am Gesetzestext, wonach auch die (vorsätzliche) Vornahme des Beischlafs gegen den Willen einer Person tatbildlich im Sinn des § 205a Abs 1 StGB ist.
[15] Die Subsumtionsrüge (Z 10) strebt zu I./ eine Verurteilung nach § 205a Abs 1 StGB an, weil eine Gewaltausübung „selbst aufgrund des festgestellten Sachverhalts nicht möglich“ gewesen sei. Sie geht dabei aber nicht – wie dies erforderlich wäre (RIS Justiz RS0099810) – von den Feststellungen des Erstgerichts aus, wonach der Angeklagte Mag. O***** mit Körperkraft auf den Tisch drückte, sie mit seinem Körpergewicht fixierte und sie mit einer Hand am Rücken festhielt, sodass sie nicht in der Lage war, sich zu befreien (US 4).
[16] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
[17] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.