JudikaturOGH

3Ob69/21z – OGH Entscheidung

Entscheidung
01. September 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei M*****, vertreten durch Mag. Dr. Otto Ranzenhofer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die verpflichtete Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Holzmann Rechtsanwalts GmbH in Innsbruck, wegen Exekution zur Erwirkung einer unvertretbaren Handlung, über den Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 16. Februar 2021, GZ 1 R 153/20m 35, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Landeck vom 25. August 2020, GZ 6 E 1747/18k 29, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Kosten der betreibenden Partei für ihre Revisionsrekursbeantwortung werden mit 1.332,54 EUR (darin 222,09 EUR USt) als weitere Exekutionskosten bestimmt.

Text

Begründung:

[1] Das Rekursgericht wies den Antrag der Verpflichteten ab, mit dem diese die Aufschiebung der Exekution gemäß § 354 EO sowie des Vollzugs einer verhängten Geldstrafe von 30.000 EUR begehrte. Die Aufschiebungswerberin habe zur Begründung ihres unersetzlichen oder nur schwer zu ersetzenden Vermögensnachteils durch den Einsatz von verzinslichem Kapital zur Bezahlung der Geldstrafe nur auf die Betriebsschließung im Rahmen der COVID-19-Pandemie, die anschließende Unrentabilität des Betriebs infolge behördlicher Maßnahmen sowie auf ihren Verdienstentgang und Personalkosten verwiesen. Damit habe sie jedoch – mangels konkreter Behauptungen und Bescheinigungen – weder ihre fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sowie das Erfordernis einer Kreditaufnahme hinreichend konkret dargestellt, noch den – unsubstantiierten – Verweis darauf bescheinigt, dass ihr „Eigenkapital in Anlagen gebunden“ sei. Die Voraussetzungen für eine Aufschiebung gemäß § 44 Abs 1 EO lägen daher nicht vor.

[2] Nachträglich ließ das Rekursgericht den Revisionsrekurs mit der Begründung zu, es sei nicht auszuschließen, „dass die vom (Verpflichteten) relevierten weitgreifenden Auswirkungen der Corona-Pandemie und die bezughabende Covid-Gesetzes- und Verordnungsflut nicht ausreichend beachtet wurde“.

[3] In seinem Revisionsrekurs wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung beantragt die Verpflichtete, den erstinstanzlichen Beschluss (Aufschiebung gegen Sicherheitsleistung) wiederherzustellen. Hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

[4] Die Betreibende beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen und hilfsweise, diesem nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[5] Der Revisionsrekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig, weil keine erhebliche Rechtsfrage aufgeworfen wird. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§§ 528a, 510 Abs 3 iVm § 78 EO):

[6] 1.1 Gemäß § 44 Abs 1 EO darf die Exekution nur aufgeschoben werden, wenn der Beginn oder die Fortführung für denjenigen, der die Aufschiebung verlangt, mit der Gefahr eines unersetzlichen oder schwer zu ersetzenden Vermögensnachteils verbunden wäre. Ein Vermögensnachteil wäre nur dann nicht oder nur schwer ersetzbar, wenn der Aufschiebungswerber entweder aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen, insbesondere wegen mangelnder finanzieller Mittel des allenfalls Ersatzpflichtigen, nicht damit rechnen kann, Ersatz für seinen Schaden zu erlangen (RS0001666 [T2]; RS0001628). Ist dieser Umstand nicht offenkundig, so muss der Aufschiebungswerber Umstände konkret behaupten und erforderlichenfalls bescheinigen, aus denen sich die Gefahr eines solchen Nachteils ergibt (RS0001619). Ob ein solcher Vermögensnachteil droht, hängt vom Exekutionsobjekt und von der Exekutionsart ab (RS0001666).

[7] 1.2 Die drohende Verhängung bzw der drohende Vollzug einer Geldstrafe bewirkt in den Exekutionen zur Erwirkung unvertretbarer Handlungen und von Duldungen und Unterlassungen in der Regel keine Gefahr eines mit der Fortsetzung der Exekution drohenden, nicht oder nur schwer ersetzbaren Nachteils, weil zu Unrecht verhängte Geldstrafen gemäß § 359 Abs 2 EO zurückzuzahlen sind (vgl RS0114378; Jakusch in Angst / Oberhammer , EO 3 § 44 Rz 10). Eine solche Gefahr könnte aber darin liegen, dass der Verpflichtete zur Bezahlung der Geldstrafe verzinsliches Kapital einsetzen muss, weil der Rückzahlungsanspruch nicht auch entgangene oder aufgewendete Zinsen umfasst; allerdings ist ein Fremdkapitaleinsatz vom Verpflichteten zu behaupten und zu bescheinigen (vgl Jakusch in Angst / Oberhammer , EO 3 § 44 Rz 10).

[8] 1.3 Die Beurteilung des Rekursgerichts hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechungsgrundsätze zur Behauptungs- und Bescheinigungspflicht für die Voraussetzungen des § 44 Abs 1 EO. Die Verpflichtete behauptete zwar für einen näher bezeichneten Zeitraum einen bezifferten Verdienstentgang, doch blieb der Verweis darauf, dass nutzbares Eigenkapital „in Anlagen gebunden“ sei, ohne nähere Konkretisierung. Gleiches gilt für den – lediglich pauschal behaupteten – Umstand, dass und gegebenenfalls zu welchen Konditionen die Verpflichtete für die Zahlung der verhängten Geldstrafe tatsächlich einen Kredit aufnehmen müsste. Unter diesen Umständen ist die Schlussfolgerung des Rekursgerichts, dass diese nicht näher konkretisierten Behauptungen für eine Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Verpflichteten nicht ausreichten, kein im Einzelfall aufzugreifendes Abgehen von den dazu entwickelten Judikaturgrundsätzen.

[9] 2. Im Zusammenhang mit allfälligen betrieblichen Nachteilen durch die Corona-Pandemie, die sich namentlich auf Unternehmen der Tourismusbranche besonders ausgewirkt haben mögen, wurden – worauf das Rekursgericht bereits hinwies – auch umfangreiche staatliche Hilfsmaßnahmen, wie etwa Kurzarbeitsentschädigungen und Fixkostenzuschüsse, bereitgestellt. Auch (private) Betriebsunterbrechungsversicherungen können gegebenenfalls (teilweise) Abhilfe schaffen. Die möglichen Auswirkungen der Corona Pandemie machen daher einen aus dem Vollzug einer verhängten Geldstrafe drohenden unersetzlichen oder nur schwer ersetzbaren Vermögensnachteil nicht schlechthin offenkundig und bieten daher keinen Anlass für eine Änderung der Rechtsprechungsgrundsätze zur Behauptungs- und Bescheinigungspflicht eines Aufschiebungswerbers. Auch insoweit zeigt daher die Verpflichtete keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[10] 3. Die Betreibende hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen, weshalb ihr die Kosten ihrer gemäß § 65 Abs 3 Z 2 EO zulässigen Beantwortung als weitere Exekutionskosten zu bestimmen waren (§ 78 EO iVm §§ 41, 50 ZPO).

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