JudikaturOGH

3Ob42/21d – OGH Entscheidung

Entscheidung
01. September 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*, vertreten durch Dr. Wilhelm Garzon, Rechtsanwalt in Wien, und deren Nebenintervenienten Di*, vertreten durch Mag. Mehmet Munar, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr*, vertreten durch Mag. Martin Bican, Rechtsanwalt in Wien, wegen Leistung, über die Revisionen der klagenden Partei und von dessen Nebenintervenienten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 4. Februar 2020, GZ 14 R 133/19k 44, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 16. August 2019, GZ 25 Cg 62/17x 37, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 917,02 EUR (darin 152,84 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil keine aktuelle Rechtsprechung zu den Voraussetzungen einer persönlichen schadenersatzrechtlichen Haftung des betreibenden Gläubigers gegenüber dem Verpflichteten im Fall einer Ersatzvornahme durch einen vom Betreibenden beauftragten Dritten bestehe.

[2] Die Klägerin und deren Nebenintervenient zeigen in ihren Revisionen die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht auf. Diese Revisionen sind daher entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

[3] 1. Für die titelmäßige Verpflichtung ist der Wortlaut und dabei der objektive Wortsinn maßgeblich (RS0000207); nur dann, wenn die reine Wortinterpretation des Spruchs zu keinem sinnvollen Ergebnis führt, darf zu seiner Auslegung auch die der Entscheidung beigegebene Begründung herangezogen werden (RS0000296; vgl auch RS0000205 [T6 und T10]). Die Beurteilung, wie ein singulärer Exekutionstitel aufzufassen ist, bildet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (RS0000205 [T13]); anders wäre dies nur bei einer von den Vorinstanzen zu vertretenden Verletzung von Auslegungsgrundsätzen oder einer Verkennung der Rechtslage (vgl 3 Ob 15/07p), die in den Revisionen nicht aufgezeigt wird.

[4] 2.1 Eine Brandschutztür war vor dem von der Klägerin vorgenommenen und rückgängig zu machenden Umbau nicht vorhanden und die Herstellung einer solchen Ausführung ist im Exekutionstitel nicht vorgesehen. Die Ausführung der Tür als „einbruchshemmend“ ist keine im Einzelfall aufzugreifende Abweichung vom Vorzustand. Die Ansicht der Rechtsmittelwerber, die Ersatzvornahme sei insoweit nicht titelkonform, ist demnach unzutreffend.

[5] 2.2 Die Ausführungen des Nebenintervenienten, es seien „die Türmaße im Einreichplan 1895“ maßgeblich und die im Wege der Ersatzvornahme eingebaute Tür entspreche nicht diesem „konsensmäßigen Zustand“, widersprechen dem Exekutionstitel, der selbst bestimmte Türmaße enthält.

[6] 2.3 Nach den – den Obersten Gerichtshof bindenden – Sachverhaltsfeststellungen entspricht daher die durch Ersatzvornahme (wieder-)hergestellte Wohnungseingangstür dem von den Vorinstanzen nach den geltenden Auslegungsregeln ermittelten Inhalt des Exekutionstitels.

[7] 3. Für einen Anspruch auf Abtretung von Gewährleistungsansprüchen an die Klägerin hat das Berufungsgericht schon ganz allgemein – mangels vertraglicher Beziehungen zwischen den Streitteilen – eine Anspruchsgrundlage verneint. Mit dieser Argumentation setzt sich die Klägerin nicht nachvollziehbar auseinander.

[8] 4.1 Die Zulassungsfrage stellt sich insofern nicht, als der durch die Ersatzvornahme hergestellte Zustand dem Exekutionstitel entspricht und kein der Durchführung der Ersatzvornahme zuzurechnender Schaden an der Gegensprechanlage vorliegt. Die Beantwortung bloß abstrakter Rechtsfragen ist nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs (RS0111271 [T2]).

[9] 4.2 Soweit sich die Klägerin auf eine im Rahmen der Ersatzvornahme angeblich erfolgte Beschädigung von Bodenplatten stützt, hat sich das Berufungsgericht zutreffend auf die – auch nach Ansicht der Klägerin einschlägige – Entscheidung 4 Ob 548/74 gestützt. Demnach ist der betreibende Gläubiger, der gemäß § 353 EO ermächtigt worden ist, die geschuldete Handlung durch einen Dritten vornehmen zu lassen, für diesen Dritten – der zum Verpflichteten in keinem Rechtsverhältnis steht – nur insoweit verantwortlich, als ihm (dem betreibenden Gläubiger) selbst ein Verschulden zur Last fällt. Dass diese Entscheidung älteren Datums ist, begründet allein keine erhebliche Rechtsfrage, wenn sich die Gesetzeslage nicht geändert hat und auch nicht etwa im Schrifttum inzwischen beachtliche Kritik geäußert wurde (RS0103384 [T2]). Eine zwischenzeitige Änderung der Rechtslage ist nicht eingetreten und die in besagter Entscheidung vertretene Rechtsansicht wird auch im Schrifttum geteilt ( Höllwerth in Burgstaller / Deixler-Hübner , Exekutionsordnung, § 353 Rz 37; Feil/Marent , Exekutionsordnung [2008], § 353 Rz 31). Zu einer weitergehenden Überprüfung dieser Rechtsansicht Anlass gebende Argumente zeigt die Klägerin nicht auf.

[10] 5. Die Revisionsausführungen des Nebenintervenienten gegen die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts sind unzulässig (vgl 5 Ob 191/10i mwN) und auch der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit ist kein Ersatz für die im Revisionsverfahren unzulässige Beweisrüge (vgl RS0117019). Auf die vom Nebenintervenienten (erst) mit seiner Revision vorgelegten Bescheide ist nicht einzugehen (vgl RS0105484).

[11] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revisionen hingewiesen (RS0035979 [T16]).

Rückverweise