JudikaturOGH

2Nc20/21w – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. August 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Musger sowie MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch Dr. Lorant Horvath, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei F*****, wegen 400 EUR sA, über den Ordinationsantrag der klagenden Partei den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Als örtlich zuständiges Gericht wird das Bezirksgericht Schwechat bestimmt.

Text

Begründung:

[1] Die in Österreich wohnhafte Klägerin erhob gegen ein Luftfahrtunternehmen mit Sitz in Ägypten Klage auf Zahlung von 400 EUR aufgrund der Verordnung (EG) Nr 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen (EU FluggastVO). Diese Klage wies das von der Klägerin angerufene Bezirksgericht Schwechat wegen internationaler Unzuständigkeit rechtskräftig zurück.

[2] Nunmehr beantragt die Klägerin mangels eines dafür örtlich zuständigen Gerichts eine Ordination nach § 28 Abs 1 Z 2 JN. Aufgrund der Verspätung des Flugs von Wien nach Sharm El Sheikh von rund sechs Stunden gebühre ihr eine Ausgleichszahlung in Höhe von 400 EUR. Die Rechtsverfolgung in Ägypten sei unzumutbar, weil zwischen Österreich und Ägypten kein Abkommen über die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen nach der EU FluggastVO bestehe.

Rechtliche Beurteilung

[3] Der Ordinationsantrag ist berechtigt .

[4] 1. Die bereits erfolgte Zurückweisung der Klage wegen internationaler Unzuständigkeit steht dem Ordinationsantrag nicht grundsätzlich entgegen, weil im Fall seiner Stattgebung die Klage neu beim ordinierten Gericht einzubringen wäre (2 Nc 12/19s mwN). An die rechtskräftige Verneinung der internationale n Zuständigkeit des von der Klägerin angerufenen Bezirksgerichts Schwechat ist der Oberste Gerichtshof gebunden (erneut 2 Nc 12/19s mwN).

[5] 2. Die Klägerin begehrt eine Ordination nach § 28 Abs 1 Z 2 JN. Diese Bestimmung soll Fälle abdecken, in denen trotz Fehlens eines inländischen Gerichtsstands ein Bedürfnis nach Gewährung von inländischem Rechtsschutz besteht, weil die Sache ein Naheverhältnis zum Inland aufweist und im Einzelfall eine effektive Klagemöglichkeit im Ausland fehlt (RS0057221 [T4]). Letzteres wird insbesondere dann angenommen, wenn eine Exekution im Inland angestrebt wird, eine am Sitz des Beklagten ergangene Entscheidung hier aber nicht vollstreckt würde (RS0046148 [T17]).

[6] 3 . Auf dieser Grundlage gab der Oberste Gerichtshof Ordinationsanträgen statt, wenn der Kläger Ansprüche nach der EU FluggastVO sonst in Serbien (6 Nc 1/19b), den Vereinigten Arabischen Emiraten (4 Nc 11/19h), der Ukraine (4 Nc 23/19y), Ägypten (8 Nc 18/20v) oder Mexiko (4 Nc 20/20h) geltend machen müsste. Zusätzlich begründete der Oberste Gerichtshof die Ordination in diesen Fällen damit, dass sonst die Effektivität der EU FluggastVO gefährdet wäre (RS0132702).

[7] 4 . Im vorliegenden Fall besteht am Inlandsbezug kein Zweifel, weil sowohl der Abflugort als auch der Wohnsitz der Klägerin in Österreich liegen. Der Aufwand einer Klage und Vollstreckung in Ägypten stünde außer Verhältnis zum geringen Klagebetrag. Zudem könnten Urteile ägyptischer Gerichte in Österreich mangels verbürgter Gegenseitigkeit (§ 406 EO) nicht vollstreckt werden. Damit ist eine Klage in Ägypten – wie von der Klägerin behauptet – unzumutbar, ohne dass es auf zusätzliche unionsrechtliche Erwägungen ankäme.

[8] 5 . Dem Ordinationsantrag ist daher stattzugeben. Bei der Auswahl des zu bestimmenden Gerichts ist auf die Kriterien der Sach- und Parteinähe sowie der Zweckmäßigkeit Bedacht zu nehmen (RS0106680 [T13]). Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben hat eine Zuweisung an das Bezirksgericht Schwechat zu erfolgen, lag doch zum einen der Abflugort in dessen Sprengel und wurde zum anderen die Klage bereits bei diesem Gericht behandelt (2 Nc 12/19s und 6 Nc 31/20s je mwN).

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