12Os75/21b – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Juli 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Casagrande als Schriftführer im Verfahren zur Unterbringung des Erich J***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 26. April 2021, GZ 42 Hv 21/21p 31, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde Erich J***** nach § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.
[2] Danach hat er am 23. Jänner 2021 in W***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruhte, nämlich eines denkgestörten, dysphorischen affektlabilen Zustandsbilds bei vorbekannter paranoider Schizophrenie (F20)
I./ Beamte, nämlich die Polizeibeamten Victoria S***** und Richard Sc***** der PI ***** mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich der Durchführung seiner Identitätsfeststellung und anschließend seiner Festnahme bzw seiner Fixierung zur Festnahme und der Anbringung von Handschellen zu hindern versucht, indem er nach der Aufforderung, sich auszuweisen, den Beamten Faustschläge und Schläge versetzte oder zu versetzen versuchte;
II./ durch die unter I./ angeführte Tat Beamte während oder wegen der Vollziehung ihrer Aufgaben bzw Erfüllung ihrer Pflichten vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar
a./ Victoria S*****, die Abschürfungen an den Knien erlitt, und
b./ Richard Sc*****, der eine Prellung samt Bluterguss im rechten unteren Augenbereich und eine Prellung und eine oberflächliche Hautabschürfung im Bereich des rechten Knies erlitt,
sohin eine Tat begangen, die als Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB (I./) und der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB (II./) mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen, der keine Berechtigung zukommt.
[4] Der Einwand, es läge beim Betroffenen weder eine geistige oder seelische Abartigkeit höheren Grades vor noch hätte eine solche Abartigkeit Einfluss auf die Anlasstat gehabt, erschöpft sich in der bloßen Bestreitung der (anderslautenden) Urteils feststellungen (RIS Justiz RS0099810):
[5] Danach bestand beim Betroffenen im Tatzeitpunkt eine akute Psychose im Rahmen der bereits bestehenden unbehandelten paranoiden Schizophrenie und solcherart ein Zustand, der eindeutig außerhalb der Variationsbreite des Normalen lag und so stark ausgeprägt war, dass er die Willensbildung wesentlich beeinflusste, sich in den festgestellten Tathandlungen manifestierte und solcherart auch Ursache für die Anlasstaten war (US 4).
[6] Weshalb die weitere Feststellung , wonach mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten sei , der Betroffene werde unter dem Einfluss dieser Erkrankung neuerlich „schwerwiegende Aggressionshandlungen gegenüber anderen, wie Widerstände gegen die Staatsgewalt und/oder schwere Körperverletzungen“ setzen (US 4), keine hinreichende Konkretisierung von Prognosetaten bieten sollte (vgl RIS Justiz RS0113980 [T8, T10, T17], RS0118581 [T3, T10, T16]), bleibt unklar .
[7] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).