JudikaturOGH

11Os80/21f – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Juli 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Juli 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen K***** wegen Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3 Z 1 erster Fall, Abs 4 vierter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 1. April 2021, GZ 23 Hv 99/20w 31, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte K***** der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (I./1./, 2./ und 4./), des Vergehens der Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1 StGB (I./3./), der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB (II./1./ bis 4./), des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB idF BGBl I 2009/40 (III./1./) sowie der Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3 Z 1 erster Fall, Abs 4 vierter Fall StGB idF BGBl I 2009/40 (III./2./ bis 4./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant und verkürzt wiedergegeben – zu nachangeführten Tatzeitpunkten in ***** und andernorts

I./ …

II./ andere in wiederholten Angriffen am Körper misshandelt und dadurch fahrlässig verletzt oder an der Gesundheit geschädigt, und zwar

1./ von September 1995 bis 31. Mai 2009 B***** durch grobes Ergreifen der Arme, was jeweils ein Hämatom zur Folge hatte;

2./ von 1995 bis 31. Mai 2009 B***** durch Schläge mit der flachen Hand gegen das Gesicht sowie durch „Kopfnüsse“ mit der Faust auf den Hinterkopf, was Hämatome zur Folge hatte;

3./ von 2006 bis 31. Mai 2009 die am ***** 2002 geborene L***** durch Schläge mit der flachen Hand gegen das Gesicht und den Hinterkopf, was Hämatome bzw über die körperliche Einwirkung hinausgehend anhaltende Schmerzen zur Folge hatte;

4./ ab zumindest 2008 bis 31. Mai 2009 den am ***** 2004 geborenen M***** durch Schläge mit der flachen Hand gegen das Gesicht, was Hämatome sowie Striemen im Gesichtsbereich zur Folge hatte;

III./ längere Zeit hindurch gegen nachangeführte Personen fortgesetzt Gewalt ausgeübt, indem er diese am Körper misshandelte sowie zu ihrem Nachteil vorsätzliche, mit Strafe bedrohte Handlungen gegen Leib und Leben, nämlich die Vergehen der Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 15 StGB und § 83 Abs 2 StGB beging, und zwar:

1./ in der Zeit zwischen 1. Juni 2009 und September 2019 gegen B*****, indem er diese grob an den Armen ergriff (14 tägig) sowie dieser Schläge mit der flachen Hand gegen das Gesicht (ca jeden zweiten Monat) und „Kopfnüsse“ mit der Faust gegen den Hinterkopf versetzte, was teils Hämatome zur Folge hatte;

2./ in der Zeit zwischen 1. Juni 2009 und zumindest 2015 gegen die am ***** 2002 geborene L*****, indem er dieser wiederholt Schläge mit der flachen Hand gegen das Gesicht und den Hinterkopf, Faustschläge gegen das Gesicht (ein bis zwei Mal pro Monat) sowie Fußtritte gegen den Gesäß- und Bauchbereich versetzte sowie diese fest an den Haaren zog (ein bis zwei Mal pro Monat), was teils Hautrötungen, Hämatome bzw über die körperliche Einwirkung hinausgehend anhaltende Schmerzen zur Folge hatte, wobei er die Tat gegen eine unmündige Person beging und die Gewalt länger als ein Jahr ausübte;

3./ in der Zeit zwischen 1. Juni 2009 und zumindest Ende 2018 gegen den am ***** 2004 geborenen M*****, indem er diesem wiederholt, teils mehrmals monatlich Schläge mit der flachen Hand gegen das Gesicht und den Hinterkopf und (teils mehrmals hintereinander) mit der Faust gegen den Gesichts- und Bauchbereich versetzte, was teils Hämatome und Striemen im Gesicht zur Folge hatte, wobei er die Tat gegen eine unmündige Person beging, die Gewalt länger als ein Jahr ausübte und die Gewalt auch noch nach Vollendung des 14. Lebensjahres des M***** fortsetzte;

4./ in der Zeit zwischen zumindest 2015 und September 2019 gegen den am ***** 2011 geborenen S*****, indem er diesem wiederholt (teils mehrmals wöchentlich) Schläge mit der flachen Hand gegen das Gesicht versetzte und diesen heftig an den Haaren zog, was teils Hautrötungen, Hämatome, Nasenbluten bzw über die körperliche Einwirkung hinausgehend anhaltende Schmerzen zur Folge hatte, wobei er die Tat gegen eine unmündige Person beging und die Gewalt länger als ein Jahr ausübte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten richtet sich ausschließlich gegen die Schuldspruchgruppe III./.

[4] Das hiebei zum Vorwurf einer unzureichenden bzw aktenwidrigen Begründung (Z 5 vierter und fünfter Fall; dazu RIS Justiz RS0118317 bzw RS0099547) erstattete Vorbringen, wonach (zusammengefasst) die nun erstmals erhobenen Vorwürfe im Licht des Verlaufs des Scheidungsverfahrens zu beurteilen seien und sich währenddessen exponentiell gesteigert hätten, das Erstgericht sich nur auf die Aussagen der Zeugen B*****, L***** und S*****, nicht jedoch auf jene des glaubwürdigen Zeugen M***** stütze, welche die Angaben der übrigen Zeugen als teilweise unwahr und maßlos übertrieben entlarven würden, der WhatsApp Verkehr des Angeklagten mit dessen Tochter ein Indiz zu dessen Gunsten darstelle und zwischen dieser Korrespondenz und den Urteilsannahmen eine schwer erklärbare Differenz bestehe, beschränkt sich – ohne Dartuung eines Begründungsdefizits – darauf, die Beweiswürdigung des Erstgerichts nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehenen Schuldberufung zu hinterfragen und dieser eine eigenständige Bewertung der im Verfahren erzielten Beweisergebnisse gegenüberzustellen; sie verfehlt solcherart den Bezugspunkt der geltend gemachten Nichtigkeit (RIS Justiz RS0098471 [T1], RS0102162).

[5] Mit den Abweichungen innerhalb der Angaben der Zeugin B***** haben sich die Tatrichter im Übrigen ebenso auseinandergesetzt (US 15) wie mit der für den Angeklagten günstigeren Aussage des Zeugen M***** (US 14, US 16 f ); die diesbezüglich behauptete Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall; RIS Justiz RS0118316) liegt daher nicht vor.

[6] Soweit die Tatsachenrüge „Unterzugrundelegung der Unschuldsvermutung“ (dazu RIS Justiz RS0102162) erneut Widersprüchlichkeiten in den Aussagen der Zeugin B***** thematisiert, vermeint, dass die Opfer allesamt „keinesfalls den Eindruck hinterlassen [hätten], psychisch krank geworden zu sein“, „was aber doch der Fall sein müsste“, hätte es sich beim Angeklagten tatsächlich um ein „Monster“ gehandelt, und erneut die Aussagen des Zeugen M***** hervorstreicht, verlässt sie den aus Z 5a eröffneten Anfechtungsrahmen (vgl dazu RIS Justiz RS0119583).

[7] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der dazu in Fortsetzung bisherigen Vorbringens ergangenen Äußerung der Verteidigung – bereits nach nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen folgt (§ 285i StPO).

[8] Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO ist zunächst in Bezug auf die Schuldspruchgruppe III./ zu bemerken, dass die Straf sätze der jeweils maßgeblichen (Qualifikations-)Norm nach dem Tatzeit- und dem Urteilszeitrecht nicht voneinander abweichen. Demnach sind Tat- und Urteilszeitgesetze in ihrer fallkonkreten Gesamtauswirkung (RIS Justiz RS0119085 [T1]) gleich günstig. Die diesen Schuldsprüchen zu Grunde liegenden Taten wären demnach dem Urteilszeitrecht zu unterstellen (§ 61 StGB) und somit als das Vergehen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB (III./1./) und als jeweils das Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3a Z 1 erster Fall, Abs 4 zweiter Fall StGB (III./2./ bis 4./; RIS Justiz RS0119085; jüngst 11 Os 54/21g) zu subsumieren gewesen.

[9] Weiters bleibt zu den Schuldspruch punkten II./1./ und 2./ festzuhalten, dass die zwischen 1995 und 28. Februar 1997 liegenden Tathandlungen dem – nur eine Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten alternativ zur Geldstrafe vorsehenden – günstigeren Tatzeitrecht und somit gesondert § 83 StGB idF BGBl 1974/60 zu unterstellen gewesen wären (RIS Justiz RS0131471 [T1]).

[10] Zur amtswegigen Wahrnehmung darin gelegener materieller Nichtigkeit besteht kein Anlass, weil eine unrichtige Subsumtion den Angeklagten nicht ohne weiteres im Sinn des § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO benachteiligt ( Ratz , WK-StPO § 290 Rz 22 ff) und das Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft insoweit nicht an den Ausspruch des Erstgerichts über das anzuwendende Strafgesetz gebunden ist (RIS Justiz RS0118870).

[11] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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