11Os62/21h – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Juli 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen Richard W***** wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 27. Jänner 2021, GZ 35 Hv 114/18m 90, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019) den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde Richard W***** des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 15 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er im Zeitraum Anfang Juni 2014 bis 27. Jänner 2021 in I***** und an anderen Orten mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Verfügungsberechtigte nachangeführter Versicherungsträger und Institutionen durch Täuschung über Tatsachen, nämlich die Vorgabe, infolge von am 13. September 2013 erlittenen Unfallverletzungen (Trümmerbruch des rechten Handgelenks, Prellung der rechten Schulter, Zerrung der Halswirbelsäule) seinen rechten Arm schmerzbedingt und dauerhaft nicht mehr gebrauchen zu können und daher arbeitsunfähig zu sein, zu Handlungen, nämlich zur Erbringung versicherungsvertraglicher Sach und Geldleistungen in Höhe von zumindest 1.845.586,72 Euro verleitet bzw zu verleiten versucht, die die Genannten in einem 300.000 Euro übersteigenden Betrag in ihrem Vermögen schädigten bzw schädigen sollen, wobei die Tat hinsichtlich eines Betrags von 1.604.395 Euro beim Versuch geblieben ist, und zwar:
A***** AG
U***** AG
W***** AG
A*****
T*****
P*****
Ar*****
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 [lit] a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Tatsachenfeststellungen sind nur insoweit mit Mängelrüge anfechtbar, als sie die Frage der rechtlichen Kategorie einer oder mehrerer strafbarer Handlungen beantworten und solcherart im Sinn der Z 5 entscheidend sind (RIS Justiz RS0 11 7499).
[5] Die Reklamation von Widersprüchen (Z 5 dritter Fall), weil einerseits im Spruch hinsichtlich der lebenslangen monatlichen Rente der A***** AG – anders als in den Urteilsgründen (US 5) – nicht bloßer Versuch angenommen wurde und andererseits im Spruch hinsichtlich 1.604.395 Euro versuchte Tatbegehung ausgewiesen wird, wohingegen die Opfer nach den Entscheidungsgründen um den (gesamten) Betrag von 1.845.586,72 Euro am Vermögen geschädigt wurden (US 7), spricht die Abgrenzung zwischen (bei der Strafbemessung berücksichtigten – US 15) Versuch und Vollendung und solcherart keine entscheidende Tatsache an (RIS Justiz RS0122137 [insbes T7]; Ratz , WK StPO § 281 Rz 398 f).
[6] Der weiteren Kritik (Z 5 erster und vierter Fall) zuwider ist die unter Anführung der jeweiligen Belegstellen in den Akten auf unbedenkliche und nachvollziehbare Aufstellungen der Geschädigten sowie entsprechende Angaben deren informierter Vertreter als Zeugen gestützte Begründung zu den jeweiligen Schadensbeträgen (US 14) weder undeutlich ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 419) noch offenbar unzureichend ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 444 ff; RIS Justiz RS0108609). Das diesbezügliche – zudem eine „Begründung dazu, welche Versicherungsbedingungen mit welchen Berechnungsgrundlagen derartige Leistungen begründet haben bzw. begründet hätten“ vermissende – Vorbringen bekämpft bloß die Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (RIS Justiz RS0099455).
[7] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) verkennt, dass rechtliche Erwägungen in den Entscheidungsgründen kein Gegenstand der Nichtigkeitsbeschwerde sind (RIS Justiz RS0100877 [T11]).
[8] Im Übrigen macht die Rüge nicht klar, inwiefern der Angeklagte, der nach dem Urteilssachverhalt (RIS Justiz RS0099658, RS0099810) vortäuschte, seinen rechten Arm schmerzbedingt und dauerhaft nicht mehr gebrauchen zu können und daher arbeitsunfähig zu sein (US 5), nicht über tatbestandsrelevante Tatsachen im Sinn objektiv feststellbarer Umstände der Vergangenheit und Gegenwart, auch verknüpft mit Zukünftigem ( Kert , SbgK § 146 Rz 45; Kirchbacher/Sadoghi in WK 2 StGB § 146 Rz 31; zur Sachverhaltskonstellation vgl 13 Os 50/20g; zum Gesundheitszustand Leukauf/Steininger / Flora , StGB 4 § 146 Rz 8), sondern über bloße Emotionen, Gefühle und Empfindungen ( Kert , SbgK § 146 Rz 4; Kirchbacher/Sadoghi in WK 2 StGB § 146 Rz 37) getäuscht haben sollte.
[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits nach nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
[10] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.