5Ob61/21p – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers Dr. L***** R*****, vertreten durch die Hasberger Seitz Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Antragsgegner RA Dr. S***** R***** als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der A***** GmbH, *****, wegen § 12a Abs 8 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 13. Jänner 2021, GZ 38 R 120/20h 36, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Gegenstand des Verfahrens ist ein Antrag auf Feststellung des angemessenen Hauptmietzinses nach § 12a Abs 8 MRG.
[2] Veräußert der Hauptmieter einer Geschäftsräumlichkeit das von ihm im Mietgegenstand betriebene Unternehmen zur Fortführung in diesen Räumen, so tritt gemäß § 12a Abs 1 MRG der Erwerber des Unternehmens anstelle des bisherigen Hauptmieters in das Hauptmietverhältnis ein. Der Hauptmieter einer Geschäftsräumlichkeit darf das von ihm im Mietgegenstand betriebene Unternehmen gemäß § 12a Abs 5 MRG auch ohne Rücksicht auf entgegenstehende Vereinbarungen verpachten. Gemäß § 12a Abs 8 MRG hat das Gericht auf Antrag des Hauptmieters einer Geschäftsräumlichkeit, der beabsichtigt, das im Mietgegenstand betriebene Unternehmen zu veräußern oder zu verpachten, die Höhe des nach § 16 Abs 1 und § 12a Abs 2 und 5 MRG zulässigen Hauptmietzinses zu bestimmen. Diese Entscheidung ist auch für den Erwerber oder den Pächter des Unternehmens bindend; sie ist gegenüber dem Vermieter aber nur dann rechtswirksam, wenn das Unternehmen innerhalb eines Jahres ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft der Entscheidung veräußert oder verpachtet wird. § 12a Abs 8 MRG dient der Rechtssicherheit. Die Entscheidung nach § 12a Abs 8 MRG hat feststellenden und (noch) nicht rechtsgestaltenden Charakter (RIS Justiz RS0125754).
[3] Das Erstgericht wies den Antrag des Antragstellers ab, den angemessenen Hauptmietzins nach § 12a Abs 8 MRG für das Mietobjekt, in dem er eine Arztpraxis betreibe, festzustellen. Da der Antragsteller in diesem Mietobjekt keine regelmäßige geschäftliche Tätigkeit mehr ausübe, ein Erwerber das Unternehmen wohl hauptsächlich wegen der besten Innenstadtlage des Mietobjekts kaufen würde, bestehe kein rechtliches Interesse iSd § 12a Abs 8 MRG.
[4] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Das entscheidende Tatbestandsmerkmal eines lebenden Unternehmens, das gemäß § 12a Abs 1 und 8 MRG im Mietgegenstand betrieben und fortgeführt werden müsse, sei nicht erfüllt. Angesichts der bereits seit Jahren bestehenden Situation eines massiv eingeschränkten Betriebs sei kein lebendes Unternehmen mehr vorhanden, das übertragen werden könnte.
[5] Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers.
Rechtliche Beurteilung
[6] Der Revisionsrekurs ist mangels Beschwer als unzulässig zurückzuweisen.
[7] 1. Nach ständiger Rechtsprechung setzt jedes Rechtsmittel eine Beschwer – ein Anfechtungsinteresse – voraus (RS0006880 [T24, T26]; RS0043815). Neben der formellen Beschwer, die dann vorliegt, wenn die Entscheidung von dem ihr zugrundeliegenden Antrag des Rechtsmittelwerbers zu dessen Nachteil abweicht, muss auch materielle Beschwer vorliegen (RS0041868 [T14, T16]), es müssen also rechtlich geschützte Interessen des Rechtsmittelwerbers durch die Entscheidung beeinträchtigt werden (RS0043815 [T17]; RS0041868; RS0041746; RS0006641; RS0006497; RS0118925).
[8] 2. Die Beschwer als Zulässigkeitsvoraussetzung jedes Rechtsmittels muss nicht nur zur Zeit der Einlegung gegeben sein, sondern auch noch bis zur Entscheidung darüber fortbestehen; andernfalls ist das Rechtsmittel von Amts wegen als unzulässig zurückzuweisen (RS0041770; RS0002495 [T46]; RS0041868 [T24]; RS0006880 [T8, T23]; RS0043815 [T27]; RS0006497 [T36, T46]; RS0130548 [T2]).
[9] 3. Die Antragsgegnerin hat das Mietverhältnis im Zug dieses Verfahrens gerichtlich aufgekündigt. Die Vorinstanzen haben diese auf § 30 Abs 2 Z 7 MRG gestützte (vom Antragsteller im Revisionsrekurs erwähnte) gerichtliche Aufkündigung für rechtswirksam erkannt und den Beklagten zur Räumung der als Geschäftsräume gemieteten Bestandräumlichkeiten (ärztliche Ordination samt Garage) verurteilt, weil seit drei Jahren keine geschäftliche Tätigkeit im Sinn des Vertragszwecks mehr vorliege. Der Oberste Gerichtshof hat die außerordentliche Revision des Antragstellers mit Beschluss vom 20. April 2021 mangels erheblicher Rechtsfrage zurückgewiesen (4 Ob 62/21b). Das Mietverhältnis ist damit rechtskräftig beendet.
[10] 4. Ist das Mietverhältnis beendet, kommt eine Vertragsübernahme zufolge Unternehmensveräußerung iSd § 12a Abs 1 MRG oder dessen Verpachtung nach § 12a Abs 1 MRG nicht mehr in Betracht. Ein rechtlich anzuerkennendes Bedürfnis an der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung liegt daher nicht mehr vor. Dem Antragsteller, der nicht mehr Mieter des Geschäftsraums ist, kommt daher ein rechtlich geschütztes Interesse an der Feststellung des zulässigen Mietzinses nach § 12a Abs 8 MRG nicht mehr zu. Der Revisionsrekurs des Antragstellers, der im Übrigen auch keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage anspricht, ist daher mangels materieller Beschwer als unzulässig zurückzuweisen.