3Ob89/21s – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. J***** M*****, vertreten durch Dr. Gert Weiler, Rechtsanwalt in Feldbach, gegen die beklagte Partei Mag. Dr. M***** P*****, vertreten durch Hauer-Puchleitner-Majer Rechtsanwälte OG in Gleisdorf, wegen 138.036,13 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 8. April 2021, GZ 4 R 199/20x 73, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Der Kläger begehrte von der Beklagten, seiner Schwester, die Abgeltung von Arbeitsleistungen und den Ersatz von Materialaufwendungen, die er anlässlich eines Um- und Zubaus auf deren Liegenschaft ab dem Jahr 2007 getätigt hat. Die Beklagte wendete Gegenforderungen ein, die sich auf zugesprochene Verfahrenskosten aus zwei Räumungsprozessen wegen titelloser Benützung (in den Jahren 2011 und 2015) sowie das Benützungsentgelt für 96 Monate (von Oktober 2008 bis Oktober 2016) beziehen.
[2] Das Berufungsgericht hat – in teilweiser Abänderung der Entscheidung des Erstgerichts – die Klagsforderungen mit 22.914,52 EUR (15.860 EUR für 1.586 Arbeitsstunden und 7.054,52 EUR an Materialkosten) als zu Recht bestehend sowie die eingewendeten Gegenforderungen bis zur Höhe der Klagsforderung ebenfalls als zu Recht bestehend festgestellt und das Klagebegehren abgewiesen. Die Leistungen des Klägers ab dem Jahr 2011 seien nicht zu berücksichtigen, weil die Beklagte ab 2011 vom Kläger die Einstellung sämtlicher Bauarbeiten gefordert und der Leistungserbringung widersprochen habe.
Rechtliche Beurteilung
[3] Mit der gegen diese Entscheidung erhobenen außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage auf:
[4] 1.1 Zu den Klagsforderungen steht der Kläger auf dem Standpunkt, dass ihm auch ab dem Jahr 2011 eine angemessene Abgeltung für seine Arbeiten und seinen Materialeinsatz (in Höhe von 26.164,53 EUR) zustehe. Argumentativ beruft er sich dazu nur auf die Nebenabrede zum Übergabsvertrag zwischen ihm und seiner Schwester vom 9. 9. 2002. Er habe auf das ihm eingeräumte Bau- und Wohnrecht vertrauen dürfen.
[5] 1.2 Die Auslegung der erwähnten Nebenabrede hängt – wie jede Vertragsauslegung – typisch von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (vgl RS0042776). Mit der Beurteilung, dass dem Kläger mit der fraglichen Nebenabrede wegen des ausdrücklichen Vorbehalts späterer Detailregelungen noch kein Baurecht oder Wohnrecht eingeräumt worden sei, ist das Berufungsgericht von den Auslegungsgrundsätzen des § 914 ABGB nicht abgewichen.
[6] 1.3 Sonst wiederholt der Kläger im gegebenen Zusammenhang lediglich das von ihm gewünschte Ergebnis, ohne sich mit der Begründung des Berufungsgerichts auseinanderzusetzen, das sich insbesondere auch mit der vom Kläger geltend gemachten Anspruchsgrundlage des § 1435 ABGB analog (condictio causa data, causa non secuta) näher beschäftigt hat.
[7] 2.1 Zu der sich auf das Benützungsentgelt (von Oktober 2008 bis Oktober 2016) beziehenden Gegenforderung führt der Kläger in der außerordentlichen Revision aus, dass die Fälligkeit der von ihm geltend gemachten Forderungen frühestens mit 24. 8. 2015 (Urteil im zweiten Räumungsprozess betreffend das Heizhaus) eingetreten sei, weshalb die Beklagte erst ab diesem Zeitpunkt das eingewendete Benützungsentgelt aufrechnungsweise fordern könne.
[8] 2.2 Eine gültige (hier prozessuale) Aufrechnungserklärung wirkt auf den Zeitpunkt zurück, in dem sich Forderung und Gegenforderung zum ersten Mal aufrechenbar gegenübergestanden sind (vgl RS0033904; RS0033973). Die gesetzliche Aufrechnung setzt die Fälligkeit der wechselseitigen Forderungen voraus; vor deren Fälligkeit ist die Aufrechenbarkeit grundsätzlich nicht gegeben (1 Ob 190/16x; 7 Ob 246/18d).
[9] 2.3 Der Kläger stützt seine Forderungen auf § 1435 ABGB analog iVm § 1152 ABGB. Warum die von ihm geltend gemachten Forderungen auf Abgeltung der Arbeitsleistungen und des Materialeinsatzes mit dem zweiten Räumungsurteil fällig geworden sein sollen, begründet er nicht.
[10] Die Leistungskondiktion nach § 1435 ABGB greift nicht nur bei der vorzeitigen Auflösung von Dauerschuldverhältnissen (RS0131589), sondern wird von der Rechtsprechung allgemein auf die Rückforderung zweckverfehlender Leistungen nach Wegfall des Leistungsgrundes angewandt (RS0033931; 10 Ob 81/18m). Die Fälligkeit solcher Ansprüche hat zur Voraussetzung, dass objektiv hinreichende Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass mit der Erfüllung seiner Erwartung vom Leistungserbringer nicht mehr gerechnet werden kann. Dies ist in dem Zeitpunkt der Fall, in dem endgültig feststeht, dass der angestrebte Erfolg, etwa wegen ausdrücklicher Ablehnung der Erfüllung durch den Beklagten, nicht erreicht werden kann (RS0021820; 9 ObA 26/93).
[11] Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen (und der unbeanstandeten Beurteilung des Berufungsgerichts nach § 267 ZPO) hat die Beklagte die Leistungserbringung des Klägers ab dem Jahr 2011 endgültig abgelehnt. Der Aufrechnung mit den der Beklagten zugesprochenen Prozesskosten (10.837,88 EUR) trat der Kläger – schon in der Berufung – nicht entgegen. Selbst wenn man zu seinen Gunsten das von der Beklagten begehrte Benützungsentgelt nur ab 2011 bis Oktober 2016 (70 Monate) berücksichtigt, so sind die berechtigten Gegenforderungen (10.837,88 EUR + 21.000 EUR) immer noch höher als die zu Recht bestehenden Klagsforderungen.
[12] 3. Mangels erheblicher Rechtsfrage war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.