JudikaturOGH

3Ob34/21b – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Juni 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Exekutionssache der Antragstellerin D*****, vertreten durch Dr. Ferdinand Scholl, Rechtsanwalt in Schorndorf, Deutschland, dieser vertreten durch Dr. Johann Eder, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Antragsgegner H*****, vertreten durch Mag. Hartmut Gräf, Rechtsanwalt in Kirchdorf an der Krems, wegen Vollstreckbarerklärung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Steyr als Rekursgericht vom 25. Jänner 2021, GZ 1 R 5/21k 32, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 78 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Das Erstgericht erklärte antragsgemäß die Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 13. Dezember 2007, GZ 23 U 3947/07, für vollstreckbar und bewilligte die beantragte Exekution.

[2] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners gegen die Vollstreckbarerklärung nicht Folge.

[3] Der außerordentliche Revisionsrekurs dagegen ist mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[4] 1. Dem Umstand, dass der seinerzeitige Kläger bereits verstorben ist, hat bereits das Erstgericht durch Berichtigung der Parteibezeichnung Rechnung getragen (vgl dazu RS0000737).

[5] 2. Unstrittig ist, dass in Anbetracht der Einleitung des Titelverfahrens vor dem 10. Jänner 2015 die EuGVVO 2000 anzuwenden ist (Art 66 Abs 1 EuGVVO 2012).

[6] 2.1 Nach Art 34 Nr 1 EuGVVO 2001 wird eine Entscheidung nicht anerkannt, wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Mitgliedstaats, in dem sie geltend gemacht wird, offensichtlich widersprechen würde. Dem Wortlaut nach ist der ordre public des Zweitstaats, also des Anerkennungsstaats entscheidend (RS0121001 [T3]). Ein solcher Verstoß wäre nur dann zu bejahen, wenn die Anerkennung oder Vollstreckbarerklärung einer ausländischen Entscheidung mit der österreichischen Rechtsordnung völlig unvereinbar wäre. Es handelt sich um eine Ausnahmeregel, von der nur sparsamster Gebrauch gemacht werden darf. Eine Vollstreckung ist nur zu versagen, wenn dem Exekutionstitel mit der inländischen Rechtsordnung vollkommen unvereinbare ausländische Rechtsgedanken zugrunde liegen und daher die Vollstreckbarkeit des ausländischen Titels mit der inländischen Rechtsordnung völlig unvereinbar ist (RS0002402).

[7] 2.2 Zu bejahen wäre ein Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public nur dann, wenn die Verfahrensrechte einer Partei in unerträglicher Weise beschnitten worden sind; dafür ist stets das ausländische Verfahren als Ganzes und anhand sämtlicher Umstände zu beurteilen (RS0121001 [T5] = RS0002402 [T4] = RS0110743 [T24]).

[8] 2.3 Die Entscheidung des Rekursgerichts, nach der die unterschiedliche materiell rechtliche Ausgestaltung der Gesellschafterklage nach deutschem und nach österreichischem Recht keine Unvereinbarkeit der Entscheidung des Oberlandesgerichts München mit der inländischen Rechtsordnung zur Folge habe, stellt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar. Entgegen der Rechtsansicht des Antragsgegners lässt sich aus seinen gesellschaftsrechtlichen Ausführungen über die actio pro socio nach österreichischem Gesellschaftsrecht kein Verstoß des ausländischen Urteils gegen die öffentliche Ordnung oder eine Unvereinbarkeit mit der österreichischen Rechtsordnung erkennen (vgl RS0110743; RS0121001).

[9] 2.4 Auch zum verfahrensrechtlichen ordre public hat das Rekursgericht die maßgeblichen Judikaturgrundsätze nicht verkannt, indem es ausführte, dass eine – hier vom Antragsgegner als ordre public Widrigkeit geltend gemachte – unterbliebene Parteienvernehmung oder ein nicht eingeholtes Sachverständigengutachten keinen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung darstellen könne, zumal Gegenstand der Verletzung Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung sein müssten. Nach ständiger Rechtsprechung führt auch nach österreichischem Verfahrensrecht eine Beweisaufnahme ohne Zuziehung der Parteien noch nicht zur Verletzung des rechtlichen Gehörs; es genügt, dass sich eine Partei zu den Tatsachen und Beweisergebnissen vor der Entscheidung äußern kann (RS0074920 [T12]). Dass der Antragsgegner zu einer solchen Äußerung oder Stellungnahme im Verfahren des Oberlandesgerichts München nicht in der Lage gewesen wäre, behauptet er jedoch selbst nicht.

[10] 3. Im Vollstreckbarerklärungsverfahren ist keine Überprüfung des ausländischen Titels in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung von Grund auf durchzuführen (Verbot der revision au fond, Art 36 und 45 Abs 2 EuGVVO 2000). Soweit der Antragsgegner meint, das Oberlandesgericht München habe es letztlich „völlig offen“ gelassen, welches rechtswidrige oder schuldhafte Verhalten dem Verpflichteten zur Last liege, fordert er in Wahrheit gerade eine solche inhaltliche Überprüfung des ausländischen Titels, die nicht zulässig ist.

[11] 4. Der außerordentliche Revisionsrekurs zeigt damit insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

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