JudikaturOGH

11Os46/21f – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Juni 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Juni 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen Gerhard P***** wegen des Verbrechens der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen nach § 85 Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 11. Dezember 2020, GZ 47 Hv 113/20y 32, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gerhard P***** – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde relevant – des Verbrechens der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen nach § 85 Abs 2 StGB (1./), des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (2./a./) und des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (2./b./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in S*****, F*****, Doris L*****

1./ am 11. Juni 2017 durch Versetzen mehrerer heftiger Fußtritte gegen den linken Oberschenkel, wodurch diese ein Hämatom im linken Oberschenkel bei Blutung aus einer de n vierköpfigen Muskel (Quadrizeps) versorgenden Arterie und [zufolge notwendiger medizinischer Versorgung] eine ca 25 cm lange Operationsnarbe erlitt, vorsätzlich am Körper verletzt und dadurch, wenn auch nur fahrlässig, eine schwere Dauerfolge (§ 85 Abs 1 StGB) in Form einer auffallenden Verunstaltung herbeigeführt;

2./ durch nachfolgende Handlungen genötigt (oder zu nötigen versucht), und zwar

a./ am 23. November 2017 durch die Aufforderung, sich in das Bett zu begeben, sowie durch anschließendes Versetzen eines Schlages mit der Faust gegen ihren Kopf, sohin mit Gewalt zu einer Handlung, nämlich sich in das Schlafzimmer zu begeben,

b./ im Dezember 2018 durch festes Packen und festes Drücken gegen eine Wand und Verdrehen der Nase sowie die Äußerung, „Lass ja meine Familie in Ruhe, sonst bring ich dich um“, mit Gewalt und durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Körper zur Unterlassung des Verlassens des Hauses und der Kontaktaufnahme mit seinen Verwandten, wobei es beim Versuch blieb.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Die Tatrichter leiteten die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen zu 1./ aus mit dem Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen in Einklang zu bringenden Angaben der Zeugin L***** ab, wobei sie kleinere Abweichungen und Widersprüche in den Depositionen dieser Zeugin sowie das Zurückliegen der Tat im Zeitpunkt dieser Schilderungen berücksichtigten (US 7 ff, 12) und sich an Hand von Lichtbildern mit der räumlichen Situation im Tatortbereich und der ua darauf Bezug nehmenden leugnenden Verantwortung des Angeklagten auseinandersetzten (US 9 f).

[5] Indem die Mängelrüge (Z 5 zweiter und vierter Fall) diese Schlussfolgerungen (ua zur faktischen Möglichkeit einer entsprechenden Trittführung) unter Darlegung eigenständiger Beweiswerterwägungen als „unvereinbar mit allgemeinen Lebenserfahrungen“ und „wohl nur als lebensfremd“ einstuft und vermeint, die Lichtbilder seien „nicht ausreichend gewürdigt“ worden, bekämpft sie bloß die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld. Gleiches gilt für das gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin L***** gerichtete Vorbringen. Im Übrigen gingen die Tatrichter ohnehin davon aus, dass L***** und Alexandra N***** früher befreundet waren (US 7 – „kein freundschaftliches Verhältnis mehr pflegen“; US 16 – „nicht mehr mit der Zeugin L***** befreundet“), erachteten es aber als nachvollziehbar, dass L***** ihrem Umfeld die Ursache ihrer Verletzung erst einige Zeit nach dem Vorfall offenbarte (US 12; vgl auch US 16).

[6] Mit Blick auf das Gebot zu bestimmter, aber gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) war das Schöffengericht nicht verhalten, sämtliche Details der von der Beschwerde ins Treffen geführten Aussagen oder Textnachrichten (siehe dazu US 11 f) zu erörtern (RIS Justiz RS0106642, RS0099599). Bei der Beurteilung des Wahrheitsgehalts der belastenden Angaben des Tatopfers schenkte es jedenfalls auch der – vom Angeklagten aufgeworfenen – Frage Beachtung, ob allenfalls (rein) finanzielle Motive hinter der Anzeigenerstattung stehen könnten (US 12).

[7] Aktenwidrig iSd § 281 Abs 1 Z 5 fünfter Fall StPO ist ein Urteil, wenn es den eine entscheidende Tatsache (siehe dazu RIS Justiz RS0117264) betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS Justiz RS0099431). Weder das erwähnte Freundschaftsverhältnis noch die Frage, ob die Zeuginnen H***** und K***** P***** mit dem Angeklagten vor der Hauptverhandlung über sämtliche Punkte der Anklage (US 7) oder allenfalls nur über jenen zu 1./ gesprochen hatten, betreffen entscheidende Tatsachen.

[8] Mit dem Hinweis auf Diskrepanzen in den Aussagen der Zeugin L***** (vgl dazu US 8), der zwischen den Vorfällen und den Vernehmungen vor Polizei und Gericht verstrichenen Zeit (vgl US 8, 12), aber auch mit eigenständigen Beweiswerterwägungen zu Angaben der Zeugen L*****, P***** und N*****, zu Textnachrichten des Tatopfers und zu Lichtbildern vom Tatort gelingt es der Beschwerde (Z 5a) nicht, beim Obersten Gerichtshof zu 1./ erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen hervorzurufen (RIS Justiz RS0118780).

[9] Gleiches gilt für das zu 2./a./ erhobene Vorbringen (Z 5a) betreffend – vom Erstgericht berücksichtigte – Schilderungen der Zeugin L***** vom Tathergang, ein von dieser vorgelegtes Lichtbild einer Verletzung und Angaben der Zeugin N***** zum Erhalt dieses Fotos (schon) am 15. November 2017 (US 14 f).

[10] Ebensowenig vermag das Rechtsmittel zu 2./b./ durch Hervorheben von Angaben der Zeuginnen L***** und N***** und von Ausführungen des gerichtsmedizinischen Sachverständigen qualifizierte Bedenken iSd § 281 Abs 1 Z 5a StPO zu erwecken (vgl dazu US 15 f).

[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits nach nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

[12] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rückverweise