JudikaturOGH

12Os141/20g – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Mai 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Mai 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M, in Gegenwart des Schriftführers Mag. Pentz in der Strafsache gegen Bislan I***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 erster und zweiter Fall, 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Angeklagten Bislan I***** sowie der Staatsanwaltschaft und die Berufung des Angeklagten Ela Al***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 2. Juli 2020, GZ 16 Hv 90/19m 800, sowie über die Beschwerden des Angeklagten Ela Al***** und der Staatsanwaltschaft gegen zugleich gefasste Beschlüsse auf Absehen vom Widerruf bedingter Strafnachsichten und auf Verlängerung von Probezeiten nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, der Angeklagten Bislan I*****, Ela Al***** und Lom S***** sowie der Verteidiger Mag. Klein und Mag. Gießauf

I./ zu Recht erkannt:

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Bislan I***** wird verworfen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt,

- in Betreff des Angeklagten Lom S***** in der Unterstellung der dem Schuldspruch H./II./ zugrunde liegenden Tat unter mehr als ein Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 dritter Fall StGB und demzufolge im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie die Beschlüsse auf Absehen vom Widerruf und Verlängerung einer Probezeit sowie auf Anordnung von Bewährungshilfe;

- in Betreff des Angeklagten Bislan I***** in der Unterstellung der den Schuldsprüchen E./II./2./ und III./ zugrunde liegenden Taten unter mehr als ein Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB sowie in den Schuldsprüchen C./III./ und I./I./ und demzufolge im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung);

- in Betreff des Angeklagten Ela Al***** in der Unterstellung der den Schuldsprüchen E.I./ und II./1./ zugrunde liegenden Taten unter mehr als ein Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB sowie in den Schuldsprüchen C./III./ und I./I./ und demzufolge im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie der Beschluss auf Absehen vom Widerruf und Verlängerung einer Probezeit aufgehoben und insoweit in der Sache selbst erkannt:

1.  Bislan I***** wird gemäß § 259 Z 3 StPO von den Vorwürfen freigesprochen, er habe am 20. März 2019 in G***** in einverständlichem Zusammenwirken mit Ela Al***** im Zuge des Raubüberfalls laut Schuldspruch A./I./6./ Christian Sa***** mit Gewalt, nämlich durch Versetzen mehrerer Schläge gegen dessen Kopf und Oberkörper, zu einer Handlung und Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von weiteren Hilferufen sowie zur Ausfolgung seines Mobiltelefons genötigt und in Form einer Kopfprellung, Hämatomen und Schürfwunden im Gesicht und an der linken Hand am Körper verletzt.

Für die ihm nach den unberührt bleibenden Schuldsprüchen zur Last liegenden strafbaren Handlungen, nämlich die Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 erster und zweiter Fall, 15 StGB (A./I./3./, 4./, 5./ und 6./), das Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (D./III./), das Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (E./II./2./ und III./), das Vergehen der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB (F./II./) und das Vergehen des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 12 dritter Fall, 127, 129 Abs 1 Z 1 StGB (N./) wird er unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 143 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von

sechs Jahren verurteilt.

Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wird die vom 20. März 2019, 19:25 Uhr, bis zum 22. November 2019, 10:12 Uhr, erlittene Vorhaft auf die Freiheitsstrafe angerechnet.

2./ Ela Al***** wird gemäß § 259 Z 3 StPO von den Vorwürfen freigesprochen, er habe am 20. März 2019 in G***** in einverständlichem Zusammenwirken mit Bislan I***** im Zuge des Raubüberfalls laut Schuldspruch A./I./6./ Christian Sa***** mit Gewalt, nämlich durch Versetzen mehrerer Schläge gegen dessen Kopf und Oberkörper, zu einer Handlung und Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von weiteren Hilferufen sowie zur Ausfolgung seines Mobiltelefons genötigt und in Form einer Kopfprellung, Hämatomen und Schürfwunden im Gesicht und an der linken Hand am Körper verletzt.

Für die ihm nach den unberührt bleibenden Schuldsprüchen zur Last liegenden strafbaren Handlungen, nämlich das Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 erster Fall StGB (A./I./1./), die Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 erster und zweiter Fall, 15 StGB (A./I./2./, 3./, 4./, 5./ und 6./), d ie Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (D./II./), das Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (E./I./ und II./1./), das Vergehen der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB (F./I./), die Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 vierter Fall StGB (H./I./), das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (I./III./1./) und das Verbrechen der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB (I./III./2./) wird er unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB und des § 19 Abs 1 iVm § 5 Z 4 JGG nach § 143 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von

acht Jahren verurteilt.

Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wird die vom 24. März 2019, 14:55 Uhr, bis zum 22. November 2019, 11:28 Uhr, erlittene Vorhaft auf die Freiheitsstrafe angerechnet.

Mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde und dem die Angeklagten Bislan I***** und Ela Al***** betreffenden Teil ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft und mit ihren Berufungen werden die Angeklagten Bislan I***** sowie Ela Al***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Zur Strafneubemessung hinsichtlich des Angeklagten Lom S***** wird das Verfahren an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen. Auf diese Entscheidung wird die Staatsanwaltschaft mit ihrer diesen Angeklagten betreffenden Beschwerde verwiesen.

Bislan I***** und Ela Al***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

II./ den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO wird die dem Angeklagten Ela Al***** zu AZ 20 Hv 12/19w des Landesgerichts für Strafsachen Graz gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen.

Auf diese Entscheidung werden der Angeklagte Ela Al***** mit seiner Beschwerde und die Staatsanwaltschaft mit ihrem auf diesen Angeklagten bezogenen Teil ihrer Beschwerde verwiesen.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftige Schuldsprüche (ua) des Angeklagten Lom S***** und in Rechtskraft erwachsene Freisprüche der Angeklagten Bislan I***** und Lom S***** enthält, wurden die Angeklagten

- Ela Al***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 erster Fall StGB (A./I./1./), der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1 erster und zweiter Fall, 15 StGB (A./I./2./ bis 6./), der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (C./III./), der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (D./II./), der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (E./I./ und II./1./), der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB (F./I./), des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 vierter Fall StGB, der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (I./1./ und III./1./) sowie des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB (I./III./2./);

- Bislan I***** der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 erster und zweiter Fall, 15 StGB (A./I./3./ bis 6./), der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (C./III./), der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (D./III./), der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (E./II./2./ und III./), der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB (F./II./), der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (I./I./) und des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 12 dritter Fall, 127, 129 Abs 1 Z 1 StGB (N./) sowie

- Lom S***** der Vergehen der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (C./IV./), der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (E./IV./), der Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 286 Abs 1 StGB (G./), des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 dritter Fall StGB (H./II./), der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB (I./II./) und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (O./) schuldig erkannt.

[2] Danach haben in G***** und an anderen Orten

A./ Bislan I*****, Ela Al*****, Kristijan Se*****, Imran D***** und Sulim Az***** als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung, nämlich eines auf längere Zeit angelegten Zusammenschlusses von mehr als zwei Personen, der darauf ausgerichtet war, dass von einem oder mehreren Mitgliedern der Vereinigung mehrere Verbrechen, nämlich Raubüberfälle auf Taxifahrer und Tankstellen ausgeführt werden, unter Mitwirkung (§ 12 StGB) eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung, und zwar

I./ anderen mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB), teils unter Verwendung einer Waffe, fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen und abgenötigt oder dies versucht, und zwar

1./ Ela Al***** am 30. November 2018 dem Geldboten Harald H***** 14.326,78 Euro Bargeld sowie einen Regenschirm, indem er dem Genannten mehrere Faustschläge gegen die linke Schulter sowie den Hinterkopf versetzte, wodurch dieser zu Boden stürzte, und ihm in der Folge einen Stoffsack, in welchem sich die angeführte Raubbeute befand, entriss,

2./ Ela Al***** am 13. Februar 2019 Maria L***** 1.623 Euro Bargeld sowie Süßigkeiten und Getränke, indem er mit den Worten „Geld! Hände hoch! Geld raus!“ eine Gas-Alarmpistole gegen die Genannte richtete und die Waffe repetierte, woraufhin diese die Kassa öffnete, aus welcher er sodann das angeführte Bargeld und in der Folge aus einem Verkaufspult die angeführten Süßigkeiten und Getränke entnahm,

3./ Ela Al***** und Bislan I***** am 18. März 2019 in einverständlichem Zusammenwirken Erdal A***** 350 Euro Bargeld, indem Bislan I***** dem Genannten eine Gas-Alarmpistole an den Kopf ansetzte und beide Angeklagten von ihm Geld forderten, woraufhin Erdal A***** eine Geldbörse, in welcher sich die angeführte Raubbeute befand, an Bislan I***** aushändigte,

4./ Ela Al***** und Bislan I***** am 19. März 2019 in einverständlichem Zusammenwirken unter Verwendung einer Gas-Alarmpistole, welche Ela Al***** mit sich führte, Franz K***** Bargeld in unbekannter Höhe, indem sie dem Genannten am Tatort, zu welchem sie ihn zuvor über die Taxizentrale bestellt hatten, auflauerten, wobei es aufgrund des Umstands, dass sie beim Eintreffen des Taxifahrzeugs in dessen Scheinwerferlicht gerieten und sich entdeckt wähnten, weshalb sie die Flucht ergriffen, beim Versuch blieb,

5./ Ela Al***** und Bislan I***** am 19. März 2019 in einverständlichem Zusammenwirken Robert Sc***** 170 Euro Bargeld, indem Ela Al***** eine Gas-Alarmpistole gegen den Genannten richtete und Bislan I***** zu ihm sagte „Motor aus! Geldtasche her!“, woraufhin Robert Sc***** eine Geldbörse, in welcher sich die angeführte Raubbeute befand, an Bislan I***** aushändigte, und

6./ Ela Al***** und Bislan I***** am 20. März 2019 in einverständlichem Zusammenwirken Christian Sa***** 325 Euro Bargeld, indem Bislan I***** mit den Worten „Geld her! Brieftasche her!“ eine Gas-Alarmpistole gegen den Genannten richtete, woraufhin dieser ihnen die angeführte Raubbeute aushändigte;

C./ Personen zu Handlungen und Unterlassungen genötigt und zu nötigen versucht, und zwar

ⅠⅠⅠ./ Bislan I***** und Ela Al***** am 20. März 2019 in einverständlichem Zusammenwirken Christian Sa***** im Zuge des zu A./Ⅰ./6./ geschilderten Raubüberfalls mit Gewalt, nämlich durch Versetzen mehrerer Schläge gegen dessen Kopf und Oberkörper, zur Abstandnahme von weiteren Hilferufen sowie zur Ausfolgung seines Mobiltelefons, und

IV./ Lom S***** am 24. April 2019 Marcel Lo***** durch die Ankündigung „Wenn ihr hereinkommt, bring‘ ich euch alle und mich um! Ihr seid alles Hurensöhne und Arschlöcher. Ich werde euch alle umbringen!“, somit durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Körper, zur Abstandnahme vom Betreten seines Haftraums in der Justizanstalt Graz Jakomini, wobei es beim Versuch blieb;

D./ Urkunden, über die sie nicht verfügen durften, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, und zwar

II./ Ela Al***** am 18. März 2019 den Taxilenkerausweis des Erdal A***** sowie den Zulassungsschein und die Tankkarte der A***** OG, indem er diese Dokumente anlässlich des zu A./I./3./ geschilderten Raubüberfalls an sich brachte und in der Folge in die Mur warf, und

III./ Bislan I***** am 19. März 2019 den Taxischein des Robert Sc*****, indem er diesen anlässlich des zu A./I./5./ geschilderten Raubüberfalls an sich brachte und anschließend wegwarf;

E./ fremde Sachen beschädigt und zerstört, und zwar:

I./ Ela Al***** am 18. März 2019 die Brille des Erdal A*****, indem er diese anlässlich des zu A/.I./3./ geschilderten Raubüberfalls zusammendrückte,

II./ am 19. März 2019 anlässlich des zu A./I./5./ geschilderten Raubüberfalls, und zwar

1./ Ela Al***** das Funkgerät sowie die Registrierkasse des Taxifahrzeugs, indem er das Funkgerät aus der Verankerung riss und die Registrierkasse beschädigte, und

2./ Bislan I***** den Innenspiegel des Taxifahrzeugs, indem er diesen aus der Verankerung riss,

III./ Bislan I***** am 20. März 2019 den Innenspiegel samt Taxameter sowie das Funkgerät des Taxifahrzeugs, indem er diese Gegenstände anlässlich des zu A./I./6./ geschilderten Raubüberfalls aus der Verankerung riss, und

IV./ Lom S***** am 24. April 2019, indem er einen Sessel seines Haftraums in der Justizanstalt Graz Jakomini zertrümmerte;

F./ Personen dadurch geschädigt, dass sie fremde bewegliche Sachen aus deren Gewahrsam dauernd entzogen, ohne diese sich oder einem Dritten zuzueignen, und zwar

I./ Ela Al***** am 18. März 2019, indem er das Tablet, das Mobiltelefon und die Geldbörse des Erdal A*****, die er anlässlich des zu A./I./3./ geschilderten Raubüberfalls an sich gebracht hatte, in die Mur warf, und

II./ Bislan I***** am 19. März 2019, indem er den Fahrzeugschlüssel und die Geldbörse, die er anlässlich des zu A./I./5./ geschilderten Raubüberfalls an sich gebracht hatte, wegwarf;

G./ Lom S***** am 1. Februar 2019 es mit dem Vorsatz, dass vorsätzlich eine mit Strafe bedrohte Handlung, nämlich das Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB begangen werde, unterlassen, ihre unmittelbar bevorstehende Ausführung zu verhindern, indem er in Kenntnis des Tatplans von Mohamad M***** und Srdjan Sp***** die Örtlichkeit verließ, ohne die Genannten von der angekündigten Tat abzuhalten oder die in Aussicht genommenen Opfer zu warnen;

H./ Beamte mit Gewalt und durch gefährliche Drohung an einer Amtshandlung zu hindern versucht,

I./ Ela Al***** am 24. März 2019, und zwar

1./ die Polizeibeamten Manuel Sch***** und David P*****, die im Begriff standen, seine Festnahme zu vollziehen, indem er auf die Genannten zuging, während er ein geöffnetes Klappmesser drohend gegen sie richtete, und

2./ David P*****, welcher ihn nach erfolgter Festnahme gerade einer Personendurchsuchung unterzog, indem er diesem ankündigte: „Ich bring dich um, du Bullenschwein! Bist du schwul, oder warum greifst du mich an! Ich ficke dich und deine Familie! Wie heißt du, du Schwein, ich mach dich kaputt!“ und

II./ Lom S***** am 24. April 2019 die Justizwachebeamten Reinhold Loi*****, Raimund G*****, Christian Schu*****, Joachim Ka***** und Tommy R*****, welche im Begriff waren, ihn wegen der zu C./IV./ und E./IV./ geschilderten Tathandlungen in einen Sicherheitshaftraum zu verlegen, indem er heftigen Widerstand in Form von Schlägen und Tritten leistete;

I./ Personen vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar

I./ Bislan I***** und Ela Al***** am 20. März 2019 in einverständlichem Zusammenwirken Christian Sa***** durch die zu C./ⅠⅠⅠ./ geschilderte Tathandlung in Form einer Kopfprellung und von Hämatomen und Schürfwunden im Gesicht und an der linken Hand,

II./ Lom S***** am 24. April 2019 Tommy R***** durch die zu H./II./ geschilderte Tathandlung, somit einen Beamten während und wegen der Vollziehung seiner Aufgaben in Form von Abschürfungen und Rötungen am rechten Handgelenk,

III./ Ela Al*****, und zwar

1./ am 13. Mai 2019 Samiullah Sh***** durch Versetzen von Faustschlägen in das Gesicht in Form eines Hämatoms im Bereich des linken Auges und

2./ am 26. August 2019 Zekrullah As***** durch Versetzen eines Faustschlages in das Gesicht, wobei er neben einer leichten Körperverletzung, nämlich einem Hämatom im Bereich des linken Auges, wenn auch nur fahrlässig, eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) des Genannten, nämlich eine Unterkieferfraktur, herbeiführte;

N./1./ Bislan I***** am 8. Jänner 2019 zur Tathandlung der diesbezüglich gesondert verfolgten Ela Al*****, „Ajub Mu*****“ (vgl aber US 47) und Umalt Ma*****, die Heribert Pr***** fremde bewegliche Sachen, nämlich Vorhängeschlösser, Zigarettenpackungen, Bonier-Schlüssel, eine Handkasse sowie Billard- und Getränkegutscheine durch Einbruch in ein Gebäude, und zwar durch Aufdrücken eines Fensters ins Lokal, weggenommen haben, (zu ergänzen: mit dem Vorsatz, die Genannten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern; vgl erneut US 47) beigetragen, indem er mit dem Vorsatz, zur Tatausführung der unmittelbaren Täter beizutragen, Nachgenannte mit seinem Pkw zum Tatort brachte und dort auf sie wartete;

O./ Lom S***** am 7. Dezember 2018 andere mit zumindest einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

I./ eine unbekannte Person namens „J*****“ durch die via Facebook getätigte Äußerung „Sei leise, bei mir ist nur in mein Kopf die ganze Zeit dich zu ermorden“ und „Du weißt ned wie gern ich dich foltern würde“,

II./ eine unbekannte Person namens „Pa*****“ durch die via Facebook getätigte Äußerung „Würde deine Fresse so zerschlagen dass man ned mehr reparieren kann“ und

III./ eine unbekannte Person namens „An*****“ durch die via Facebook getätigte Äußerung „Willst auch ned morgen überleben oder wie“ und „Diese Mädchen ist schon bereits tot und das wilsst auch ned mit dir passieren oda?“.

[3] Über die ebenfalls gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 2. Juli 2020, GZ 16 Hv 90/19m-800, gerichteten Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Sulim Az*****, Mohammed C*****, Imran D*****, Muslim Mag*****, Mohamad M***** und Ali T***** sowie die Berufungen der Angeklagten Roman Ab*****, Philipp-Daniel Ra*****, Srdjan Sp***** und Kristijan Se***** und den die Angeklagten Roman Ab*****, Sulim Az*****, Mohammed C*****, Imran D*****, Muslim Mag*****, Mohamad M*****, Philipp-Daniel Ra*****, Kristijan Se*****, Srdjan Sp***** und Ali T***** betreffenden Teil der Berufung der Staatsanwaltschaft sowie über die gegen zugleich gefasste Beschlüsse auf Absehen vom Widerruf bedingter Strafnachsichten und auf Verlängerung von Probezeiten gerichteten Beschwerden der Angeklagten Mohammed C***** und Imran D***** sowie der Staatsanwaltschaft bezüglich die Angeklagten Mohammed C*****, Imran D***** und Kristijan Se***** hat der Oberste Gerichtshof mit Urteil vom 27. Mai 2021, GZ 12 Os 141/20g 4, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden.

[4] Dabei hat der Oberste Gerichtshof die Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Bislan I*****, die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die Berufung und die Beschwerde des Angeklagten Ela Al***** sowie den diesen Angeklagten und den Angeklagten Lom S***** betreffenden Teil der Beschwerde der Staatsanwaltschaft sowie die Ausübung der dem Obersten Gerichtshof nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO zukommenden Befugnis in Bezug auf die Angeklagten Bislan I***** und Ela Al***** einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung vorbehalten.

Rechtliche Beurteilung

[5] Gegen dieses Urteil richtet sich die (nicht ausgeführte) Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Bislan I***** sowie die auf Z 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte, zum Vorteil der Angeklagten Lom S***** ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.

[6] Da der Angeklagte Bislan I***** seine Nichtigkeitsbeschwerde nicht ausgeführt und auch bei deren Anmeldung Nichtigkeitsgründe nicht deutlich und bestimmt bezeichnet hat, war dieses Rechtsmittel zu verwerfen.

[7] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof davon, dass dem Urteil Nichtigkeiten (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a und 10 StPO) anhaften, die von Amts wegen wahrzunehmen waren (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

[8] 1./ Der Schuldspruch des Angeklagten Lom S***** wegen mehrerer Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 dritter Fall StGB (H./II./) ist verfehlt (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO), weil diese strafbare Handlung bei uno actu erfolgter Hinderung mehrerer amtshandelnder Beamter, die ein gemeinsames Ziel verfolgen (hier: Verbringung des Häftlings in einen Sicherheitshaftraum), nur einmal verwirklicht wird (RIS Justiz RS0132341).

[9] Urteilsaufhebung wie im Spruch ersichtlich ist die Folge, worauf die Staatsanwaltschaft mit ihrer ausschließlich gegen den Strafausspruch des Angeklagten Lom S***** gerichteten Nichtigkeitsbeschwerde und dem diesen Angeklagten betreffenden Teil ihrer Beschwerde zu verweisen war.

[10] Da der Angeklagte Lom S***** zum Gerichtstag nicht erschienen ist, war die Sache zur Strafneubemessung an das Landesgericht für Strafsachen Graz zu verweisen.

[11] Dabei wird es zu berücksichtigen haben, dass (wie auch die Staatsanwaltschaft in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend betont) der Angeklagte mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 14. Mai 2019, AZ 201 Hv 16/19i, des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt und dafür zu einer unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt worden war (vgl US 30, ON 724). Auf dieses Urteil ist gemäß § 31 Abs 1 StGB Bedacht zu nehmen. Im Übrigen wird auf § 495 Abs 2 StPO hingewiesen.

[12] 2./ Indem das Erstgericht den Angeklagten Bislan I***** und Ela Al***** jeweils zwei Sachbeschädigungen nach § 125 StGB – statt richtig jeweils nur ein solches Vergehen – zur Last legte (E./I./ und II./1./ bzw E./II/2./ und III./), hat es das Zusammenrechnungsprinzip des § 29 StGB missachtet (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO; vgl RIS Justiz RS0114927).

[13] 3./ Die die Angeklagten Bislan I***** und Ela Al***** betreffenden Schuldsprüche C./III./ (§ 105 Abs 1 StGB) und I./I./ (§ 83 Abs 1 StGB) sind ebenfalls mit einem Rechtsfehler behaftet (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO).

[14] Beim Verbrechen des Raubes sind alle Handlungen des Täters vom Beginn der Ausführung des räuberischen Vorsatzes bis zur materiellen Vollendung der Tat (wenn die Beute dem unmittelbaren Zugriff des Opfers entzogen ist), demnach auch eine gegen das Raubopfer gerichtete und mit der Sachwegnahme noch im Zusammenhang stehende, mit einer leichten Körperverletzung verbundene Nötigung (gleichgültig ob als Mittel der Durchsetzung des deliktischen Vorhabens, zur Sicherung der Beute oder zur Einleitung der Flucht) grundsätzlich als deliktsspezifische Einheit anzusehen, welche unter der Voraussetzung eines solchen direkten sachlichen Konnexes einer gesonderten strafrechtlichen Zuordnung nicht zugänglich sind (RIS Justiz RS0093085 [T1]).

[15] Nach den Feststellungen des Erstgerichts versetzten Bislan I***** und Ela Al***** „im Zuge des Raubgeschehens“ (US 10) dem lautstark schreienden Raubopfer mehrere Faustschläge gegen dessen Kopf und Oberkörper, um ihn dazu zu bringen, von weiteren Hilferufen Abstand zu nehmen und sein Mobiltelefon herauszugeben (US 45 f).

[16] Im Hinblick auf den solcherart konstatierten Konnex zum Raubgeschehen ist von Konsumtion der strafbaren Handlungen nach § 83 Abs 1 StGB und nach § 105 Abs 1 StGB auszugehen.

[17] Urteilskassation wie im Spruch ersichtlich ist die Folge, wobei aufgrund der verfehlt angenommenen echten Realkonkurrenz der zu C./III./ und I./I./ abgeurteilten Taten (vgl US 45 f) mit Freispruch (§ 259 Z 3 StPO) vorzugehen war (vgl RIS Justiz RS0124022 [T1]).

[18] Bei der erforderlichen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof

- in Bezug auf den Angeklagten Bislan I***** erschwerend das Zusammentreffen von strafbaren Handlungen samt der zweifachen Raubqualifikation und der Tatwiederholung (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB) und als mildernd die bisherige Unbescholtenheit (§ 34 Abs 1 Z 3 StGB), den Umstand, dass die Taten teilweise beim Versuch geblieben sind (§ 34 Abs 1 Z 13 StGB), die teilweise Schadensgutmachung (§ 34 Abs 1 Z 14 StGB) und das reumütige Geständnis (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB);

- in Bezug auf den Angeklagten Ela Al***** erschwerend das Zusammentreffen von strafbaren Handlungen samt der zweifachen Raubqualifikation und der Tatwiederholung (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB), den raschen Rückfall innerhalb offener Probezeit sowie die einschlägige Vorstrafe (§ 33 Abs 1 Z 2 StGB) und als mildernd das Alter unter 21 Jahren (§ 34 Abs 1 Z 1 StGB), den Umstand, dass die Taten teilweise beim Versuch geblieben sind (§ 34 Abs 1 Z 13 StGB) sowie die teilweise Schadensgutmachung (§ 34 Abs 1 Z 14 StGB).

[19] Vor diesem Hintergrund erachtete der Oberste Gerichtshof bei Bislan I***** eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren und bei Ela Al***** eine solche von acht Jahren als tat- und schuldangemessen. Dabei war neben der massiven Delinquenz vor allem die reifliche Planung und Vorbereitung der Taten sowie die besonders brutale, rücksichtslose und für die jeweiligen Opfer traumatisierende Tatbegehung anlässlich der jeweiligen Raubüberfälle zu berücksichtigen (§ 32 Abs 3 StGB), die sich etwa im Ansetzen der Tatwaffe an den Kopf des Opfers bei Bislan I***** (vgl US 38) und im Repetieren der Tatwaffe bei Ela Al***** (vgl US 36) manifestierte.

[20] Da Ela Al***** sein kriminelles Verhalten auch noch während der in diesem Verfahren über ihn verhängten Untersuchungshaft (am 26. August 2019) fortsetzte (I./III./2./; vgl US 12 f, US 69 f) und sich dabei auch nicht von der (kurz zuvor erfolgten) Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Graz am 2. Juli 2019, AZ 20 Hv 12/19w, beeindrucken ließ, war die mit diesem Urteil gewährte bedingte Strafnachsicht zu widerrufen.

[21] Auf die Strafneubemessung und die Widerrufsentscheidung waren die Staatsanwaltschaft und die Angeklagten I***** und Al***** mit ihren Berufungen ebenso zu verweisen, wie die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte Al***** mit ihren Beschwerden.

[22] Die Anrechnung der Vorhaftzeiten gründet sich auf § 38 Abs 1 Z 1 StGB. Über die Anrechnung der nach Fällung des Urteils erster Instanz in der Vorhaft (§ 38 StGB) zugebrachten Zeit hat gemäß § 400 StPO die Vorsitzende des Erstgerichts mit Beschluss zu entscheiden (RIS Justiz RS0091624; Lässig , WK StPO § 400 Rz 1).

[23] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO. Sie bezieht sich nicht auf die amtswegigen Maßnahmen ( Lendl , WK StPO § 390a Rz 12).

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