11Os48/21z – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Mai 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen Raphael Z***** wegen Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 25. Jänner 2021, GZ 40 Hv 22/20y 17, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019) den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde Raphael Z***** zweier Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er n achts zum 11. Mai 2020 in H***** eine wehrlose Person unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er mit ihr den Beischlaf und eine dem Beischlaf gleichzusetzende (geschlechtliche) Handlung vorgenommen hat, indem er der schlafenden bzw gerade erwachenden Alina M***** in zwei verschiedenen Übergriffen jeweils seinen Penis in ihre Vagina einführte und den Geschlechtsverkehr mit ihr vollzog, wobei er ihr vor dem ersten Übergriff zuerst einen und dann einen zweiten Finger in die Vagina eingeführt hatte.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit b und 11 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Voranzustellen ist, dass der kritisch psychologische Vorgang, der aufgrund des gewonnenen persönlichen Eindrucks zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit einer Person führt, einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entzogen ist (RIS Justiz RS0106588 [T9]). Die Beurteilung der Überzeugungskraft von Aussagen kann zwar unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat. Der Bezugspunkt besteht jedoch nicht in der Sachverhaltsannahme der Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit, sondern ausschließlich in den Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen, womit sich das Ausmaß der im Einzelfall geltenden Erörterungspflicht entsprechend reduziert (RIS Justiz RS0119422 [T4, T6]; vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 431 f).
[5] Soweit die Rüge (Z 5 zweiter Fall) versucht, die vom Schöffensenat bejahte (US 6 f) Glaubwürdigkeit der Alina M***** zu erschüttern, orientiert sie sich nicht an diesem Anfechtungsrahmen. Denn abgesehen davon, dass die Tatrichter (auf fehlendes Interesse der M***** an einer Strafverfolgung des Angeklagten zurückgeführte – US 6) Divergenzen in den Angaben der Zeugin anlässlich ihrer Vernehmung durch die Kriminalpolizei nur einige Stunden nach den Taten und ihrer späteren kontradiktorischen Vernehmung (ON 9) ohnedies erörtert haben, ist es weder für die Schuld noch die Subsumtionsfrage entscheidend, ob die Zeugin dem Angeklagten beim Einschlafen das Gesicht oder den Rücken zugekehrt hatte.
[6] Mit der bloßen Behauptung eines in der Wiederholung ihrer Falschaussage vor der Polizei gelegenen Motivs für die belastenden Angaben der Alina M***** anlässlich ihrer kontradiktorischen Vernehmung und dem Hinweis auf die stets gleichlautende leugnende Verantwortung des Angeklagten bekämpft die Rüge bloß die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld. Dass allenfalls für den Angeklagten günstigere Schlüsse möglich gewesen wären, ist als Akt freier Beweiswürdigung aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO nicht bekämpfbar (RIS Justiz RS0114524).
[7] Indem die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) offenbar unzureichende Begründung zufolge pauschalen Verweises auf die Angaben der Zeugin M***** zu zwei verschiedenen Übergriffen des Angeklagten als nicht spezifiziert kritisiert, nimmt sie nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß (US 4 ff) und verfehlt solcherart die prozessordnungskonforme Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS Justiz RS0119370; vgl auch RS0099413).
[8] Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur schlechterdings unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld oder subsumtionsrelevante Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (vgl RIS Justiz RS0118780).
[9] Indem auch die T atsachenrüge (unter Rekurs auf den Zweifelsgrundsatz – s aber RIS Justiz RS0102162) die Glaubhaftigkeit der Alina M***** in Abrede stellt und versucht, der (von den Tatrichtern als „geradezu hanebüchen“ befundenen – US 6) leugnenden Verantwortung des Angeklagten zur subjektiven Tatseite („wollte die Schlafende bloß aufwecken“) zum Durchbruch zu verhelfen, erweckt sie keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundeliegenden entscheidenden Tatsachen zu zwei keineswegs in einem Tatbildirrtum begangenen Taten.
[10] Mit der Behauptung (Z 9 lit b), der Angeklagte sei einem nicht vorwerfbaren Rechtsirrtum unterlegen, leitet die Rüge nicht methodengerecht (RIS-Justiz RS0116565) aus dem Gesetz ab, weshalb das Unrecht der im zweimaligen sexuellen Missbrauch einer wehrlosen Frau gelegenen Taten nicht für jedermann leicht erkennbar und inwiefern dieselbe normative Erwartung nicht auch gegenüber dem Angeklagten berechtigt gewesen sein sollte ( Höpfel in WK 2 StGB § 9 Rz 12).
[11] Soweit die Rüge irrtümliche Annahme einer Einwilligung des Opfers (vgl dazu Hinterhofer , SbgK § 201 Rz 57, § 205 Rz 45; Philipp in WK 2 § 201 Rz 38 f, § 205 Rz 3, 11; RIS-Justiz RS0095071) ansprechen will, orientiert sie sich nicht an den tatrichterlichen Feststellungen (vgl RIS Justiz RS0099810), wonach der Angeklagte nicht irrtümlich davon ausgegangen ist, dass M***** ihre Weigerung zum einvernehmlichen Geschlechtsverkehr nicht ernst und das Gegenteil von dem Gesagten gemeint hätte (US 3).
[12] Weiterem Vorbringen (nominell Z 11, der Sache nach Z 10) zuwider sind die Tatrichter nicht von tatbestandlicher Handlungseinheit, sondern von zwei gegen das gleiche Opfer gerichteten, gleichartigen Tathandlungen nach § 205 Abs 1 StGB aufgrund jeweils gesondert gefasster Willensentschlüsse des Angeklagten nach (neuerlichem) Einschlafen des Opfers ausgegangen (US 3 – RIS-Justiz RS0122006 [insbes T10]).
[13] Mit der bloßen Behauptung, das Erstgericht habe „darüber hinaus“ rechtsirrig die Voraussetzungen des § 43a Abs 2 StGB verneint (US 9), wird ein Berufungsvorbringen erstattet.
[14] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits nach nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
[15] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.