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10ObS28/21x – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Mai 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ. Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Fichtenau und den Hofrat Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Werner Hallas (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Werner Krachler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ing. L*, vertreten durch Weixelbaumer Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist Straße 1, wegen Höhe der Alterspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 17. Dezember 2020, GZ 8 Rs 44/20d 9, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Gegenstand des Verfahrens ist die Höhe der dem Kläger von der beklagten Pensionsversicherungsanstalt ab 1. 4. 2019 zuerkannten Alterspension. Strittig ist die Berechnung der gemäß § 607 Abs 23 ASVG zum Stichtag nach der am 31. 12. 2003 geltenden Rechtslage zu ermittelnden Pension ( „Vergleichspension“ ) und – daraus resultierend – der vom Kläger behauptete höhere Pensionsanspruch.

[2] Der am 9. 3. 1954 geborene Kläger hat 576 Versicherungsmonate erworben. Ab 1. 4. 2016 hat er die Voraussetzungen für eine vorzeitige Alterspension wegen langer Versicherungsdauer erfüllt. Nicht strittig ist, dass zur Ermittlung der gesetzlichen Pensionshöhe eine Vergleichspensionsberechnung nach § 607 Abs 23 ASVG vorzunehmen ist. Ebenso unstrittig ist, dass die Gesamtbemessungsgrundlage zum Stichtag 1. 4. 2019 unter Zugrundelegung der bis 31. 12. 2003 in Geltung gestandenen Rechtslage 4.782,49 EUR und unter Zugrundelegung der zum Stichtag geltenden Rechtslage 4.346,78 EUR beträgt.

[3] Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass die Pensionshöhe unter Zugrundelegung der ab 1. 1. 2004 geltenden Fassung des § 261 Abs 1 und 2 ASVG ( „Neupension“ ) mit 3.713,89 EUR brutto richtig berechnet wurde (48 Versicherungsjahre x 1,78 Steigerungspunkte = 85,44 % [Steigerungsbetrag]; 4.346,78 x 85,44 % = 3.713,89).

[4] Mit Bescheid vom 25. 4. 2019 anerkannte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt den Anspruch des Klägers auf Alterspension ab 1. 4. 2019 und sprach aus, dass die Pension ab 1. 4. 2019 monatlich 3.713,89 EUR (brutto) betrage.

[5] Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Zuerkennung einer Alterspension in Höhe von zumindest monatlich 4.081,37 EUR (brutto). Die von § 261 Abs 6 ASVG in der am 31. 12. 2003 geltenden Fassung angeordnete Deckelung des Steigerungsbetrags gelte nur für die ersten 540 Versicherungsmonate, nicht hingegen für die weiteren vom Kläger nach Erfüllung der Voraussetzungen für die vorzeitige Alterspension am 1. 4. 2016 erworbenen 36 Versicherungsmonate. Die Pension für die am 31. 12. 2003 geltende Rechtslage ( „Vergleichspension“ ) berechne sich daher wie folgt:

[6] Für die ersten 540 Versicherungsmonate bis zum Erreichen der Voraussetzungen für die vorzeitige Alterspension am 1. 4. 2016 gebühre nach § 261 Abs 2 ASVG aF ein Steigerungsbetrag von 90 % (45 x 2 %), der jedoch gemäß § 261 Abs 6 ASVG aF mit 80 % begrenzt sei. 80 % der Bemessungsgrundlage von 4.782,49 EUR ergebe 3.825,99 EUR. Für die weiteren drei Versicherungsjahre (36 Versicherungsmonate) gebühre nach § 261 Abs 2 ASVG nF jeweils ein Steigerungsbetrag von 1,78 %, gesamt daher 5,34 % (3 x 1,78 %). 5,34 % der Bemessungsgrundlage seien 255,38 EUR (4.782,49 x 5,34 %). Die Vergleichspension betrage daher 4.081,37 EUR (3.825,99 + 255,38). Sie sei damit höher als jene nach dem Stichtagsrecht, sodass der Kläger Anspruch auf Alterspension in dieser Höhe habe.

[7] Dem hielt die Beklagte entgegen, dass sich die Vergleichspension gemäß § 261 Abs 6 ASVG aF unter Berücksichtigung der vom Beklagten erworbenen 576 Versicherungsmonate mit 3.825,99 EUR errechne (576 / 12 x 2 Steigerungspunkte ergebe zwar 96 %; der Steigerungsbetrag dürfe jedoch 80 % der Bemessungsgrundlage nicht übersteigen: 4.782,49 x 80 % = 3.825,99). 92 % der Vergleichspension (§ 607 Abs 23 ASVG) ergebe 3.519,91 EUR (3.825,99 x 92 %). Dieser Wert liege unter jenem der „Neupension“ von 3.713,89 EUR, sodass die Alterspension dem Kläger in dieser Höhe zuzuerkennen sei.

[8] Das Erstgericht wiederholte den angefochtenen Bescheid und wies das auf Gewährung einer höheren Alterspension gerichtete Klagebegehren ab. Der Standpunkt des Klägers finde im Gesetz keine Grundlage. Nach der Rechtslage zum 31. 12. 2003 könne der Kläger keinen Anspruch auf Alterspension von mehr als 80 % der Bemessungsgrundlage erreichen.

[9] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Die Vergleichspension sei zum Stichtag unter Anwendung der am 31. 12. 2003 in Geltung gestandenen Rechtslage zu ermitteln. Daher seien sämtliche der bis zum Stichtag erworbenen Versicherungsmonate der Berechnung nach § 261 Abs 1 und 2 ASVG aF zugrundezulegen, nicht bloß die bis zum Anspruch auf vorzeitige Alterspension erworbenen. § 607 Abs 23 letzter Satz ASVG sei nur für die bei der Gegenüberstellung von Vergleichspension und Neupension anzuwendenden Prozentsätze maßgeblich, nicht aber für die Ermittlung der Höhe der Vergleichspension.

[10] In seiner gegen dieses Urteil erhobenen außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf:

Rechtliche Beurteilung

[11] 1. Der Revisionswerber vertritt auch in der außerordentlichen Revision, dass § 607 Abs 23 ASVG im Zusammenhang mit § 261 Abs 6 ASVG in der am 31. 12. 2003 geltenden Fassung zu lesen sei. Der letzte Satz in § 607 Abs 23 ASVG wäre gegenstandslos, wäre er nicht auch zur Ermittlung der Höhe der Vergleichspension heranzuziehen.

[12] 2. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs liegt dann keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung vor, wenn das Gesetz selbst eine klare und eindeutige Regelung trifft (RS0042656). Das ist hier in Bezug auf § 607 Abs 23 ASVG sowie § 261 Abs 6 ASVG in der am 31. 12. 2003 geltenden Fassung (BGBl I 2001/33) der Fall.

[13] 3.1 § 607 Abs 23 ASVG wurde mit dem Budgetbegleitgesetz 2003, BGBl I 2003/71, geschaffen und lautet seit dem Pensionsharmonisierungsgesetz, BGBl I 2004/142, auszugsweise wie folgt:

„(23) Bei Pensionen mit Stichtag nach dem 31. Dezember 2003 (Neupensionen) ist eine Vergleichsberechnung vorzunehmen. Zu diesem Zweck ist zum Stichtag (§ 223 Abs. 2) eine Vergleichspension unter Anwendung der am 31. Dezember 2003 in Geltung gestandenen Rechtslage zu ermitteln; dabei sind die §§ 108 Abs. 8 letzter Satz und 572 Abs. 10a viertletzter bis letzter Satz nicht anzuwenden. Die Vergleichspension ist der Neupension gegenüberzustellen. Ist die Neupension im jeweils angeführten Kalenderjahr um mehr als den in der linken Spalte genannten Prozentsatz niedriger als die Vergleichspension, so gilt der in der rechten Spalte genannte Prozentsatz der Vergleichspension als die gebührende Pension:

im Jahr 2004:  5 % 95 %,

im Jahr 2016: 8 % 92 %,

ab dem Jahr 2024: 10 % 90 %.

Die Rechtskraft bereits ergangener Entscheidungen steht dem nicht entgegen. Personen, die die Anspruchsvoraussetzungen für eine Alterspension (Knappschaftsalterspension) oder eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer (vorzeitige Knappschaftsalterspension bei langer Versicherungsdauer) – mit Ausnahme der Voraussetzung des Fehlens einer die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit am Stichtag (§ 253b Abs. 1 Z 4) – in einem der angeführten Kalenderjahre erfüllen, bleiben die dem jeweiligen Kalenderjahr zugeordneten Prozentsätze gewahrt.“

[14] 3.2 In den Gesetzesmaterialien zum Pensionsharmonisierungsgesetz heißt es zu dieser Bestimmung (ErläutRV 653 BlgNR 22. GP 22):

„Im Zuge der Pensionssicherungsreform 2003 wurde durch eine ′′Deckelungsvorschrift′′ sichergestellt, dass eine ab 1. Jänner 2004 zuzuerkennende Pensionsleistung nicht zu Einbußen führen kann, die 10 % der auf Grund der Rechtslage zum 31. Dezember 2003 berechneten Pensionsleistung übersteigen. Diese Bestimmung soll nunmehr rückwirkend modifiziert werden, indem erst ab dem Jahr 2024 die besagte ′′10 % Deckelung′′ zum Tragen kommt. Im Jahr 2004 darf demnach die Leistungsdämpfung durch die Pensionssicherungsreform 2003 höchstens 5 % betragen, wobei dieser Wert in den folgenden Jahren um jeweils 0,25 % pro Jahr ansteigen wird. Bereits zuerkannte Pensionen sind entsprechend neu zu berechnen.“

[15] 3.3 § 261 Abs 6 ASVG lautete in der hier anzuwendenden am 31. 12. 2003 geltenden Fassung BGBl I 2001/33:

„(6) Der Steigerungsbetrag darf 80 % der höchsten zur Anwendung kommenden Bemessungsgrundlage (§§ 238 Abs 1, 239 Abs 1, 241) nicht übersteigen.“

[16] Der Steigerungsbetrag ist gemäß § 261 Abs 1 Satz 2 ASVG ein Prozentsatz der Gesamtbemessungsgrundlage (§ 240 ASVG). Die Leistungen aus den Versicherungsfällen des Alters und die Invaliditätspension bestehen gemäß § 261 Abs 1 Satz 1 ASVG aus dem Steigerungsbetrag (bei Vorliegen einer Höherversicherung auch aus dem besonderen Steigerungsbetrag gemäß § 248 Abs 1 ASVG).

[17] 3.4 Die Pensionshöhe ist aus § 261 Abs 1 und 2 ASVG zu ermitteln. Die Vergleichspension ist hingegen gemäß § 607 Abs 23 ASVG zu ermitteln ( Panhölzl in SV Komm [208. Lfg] § 261 ASVG Rz 53 mit Berechnungsbeispielen). Ab dem Erwerb von 47 Versicherungsjahren führt die Rechtslage ab 2004 zu einem günstigeren Ergebnis als die Vergleichsrechtslage zum 31. 12. 2003, weil in der Vergleichsrechtslage 2003 aufgrund der 80 % Begrenzung die 45 übersteigenden Versicherungsjahre nicht honoriert werden (kritisch und mit Tabellenbeispielen Panhölzl in SV Komm § 261 ASVG Rz 65). Für das vom Revisionswerber gewünschte „Splitting“ von Zeiten bei der Berechnung der Vergleichspension nach der Rechtslage 2003 bieten die dargestellten Bestimmungen nach ihrem klaren Wortlaut keine Grundlage.

Rückverweise