JudikaturOGH

1Ob79/21f – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Mai 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer Zeni Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Verfahrenshilfesache des Antragstellers Mag. P*****, über dessen Rekurs gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 9. März 2020, GZ 14 R 16/20f 9, mit dem anlässlich der Behandlung des gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 17. Jänner 2020, GZ 22 Nc 14/19t 5, erhobenen Rekurses des Antragstellers über diesen eine Ordnungsstrafe verhängt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

2. Über den Antragsteller wird eine Ordnungsstrafe von 200 EUR verhängt.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Mit dem angefochtenen Beschluss verhängte das Rekursgericht über den Antragsteller wegen beleidigender Äußerungen in seinem – gegen die Abweisung seines Verfahrenshilfeantrags gerichteten – Rekurs eine Ordnungsstrafe in Höhe von 50 EUR.

[2] Der dagegen erhobene Rekurs des Antragstellers ist (aufgrund der ihm bewilligten Wiedereinsetzung in die Versäumung der Rekursfrist rechtzeitig und) zulässig (RIS Justiz RS0036270), aber nicht berechtigt. Wie bereits das Rekursgericht zutreffend dargelegt hat, ordnet § 86 ZPO an, dass gegen eine Partei, welche die dem Gericht schuldige Achtung durch beleidigende Ausfälle verletzt, eine Ordnungsstrafe zu verhängen ist. Der Regelungszweck dieser Bestimmung liegt in der Wahrung einer sachlichen und unpersönlichen Ausdrucksweise (RS0036327 [T1]). Selbst eine sachlich berechtigte Kritik kann wegen ihrer beleidigenden und/oder ausfälligen Form die dem Gericht schuldige Achtung verletzen und eine Beleidigung im Sinn der genannten Bestimmung darstellen (RS0036308), wobei nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen ist, ob eine solche vorliegt (RS0036256; RS0036303).

[3] Der Antragsteller hielt es in seinem (den Anlass für die Verhängung der Ordnungsstrafe gebenden) Rekurs nicht nur für möglich, dass der Erstrichter ein (dem Antrag beigelegtes) Schriftstück entweder schlicht übersehen oder es zwar gelesen, aber es aus „Mutwilligkeit“ ignoriert habe, sondern stellte zudem (als dritte Möglichkeit) die Überlegung an, der Erstrichter habe „vielleicht einfach mitteilen wollen“, dass „er ein Idiot ist“. Diese gänzlich unangebrachte Herabwürdigung ist – entgegen der Ansicht des Rekurswerbers – gerade nicht als sachliche Kritik an der angefochtenen antragsabweisenden Entscheidung, die er durch die Missachtung des Verbesserungsauftrags selbst veranlasst hat, sondern als „beleidigender Ausfall“ iSd § 86 ZPO zu qualifizieren, sodass das Rekursgericht zu Recht eine Ordnungsstrafe – ohnehin im untersten Bereich des Strafrahmens (§ 220 Abs 1 ZPO) – verhängt hat.

[4] 2. Da der Rechtsmittelwerber in seinem Rekurs am Gebrauch beleidigender Formulierungen festhält, ist aus Anlass dieses Rechtsmittels eine (neuerliche) Ordnungsstrafe zu verhängen, wofür sowohl das Erstgericht als auch das Rechtsmittelgericht zuständig ist (RS0036332 [T1]).

[5] Obwohl ihn bereits das Rekursgericht darüber belehrt hat, dass beleidigende Ausfälle vor Gericht nicht toleriert werden können, und die Ordnungsstrafe den Zweck hat, ihm klarzumachen, dass er nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung Kritik an einer (bekämpften) Entscheidung auf sachliche Art und Weise vorzubringen hat, setzt der Rekurswerber seine „beleidigenden Ausfälle“ iSd § 86 ZPO in seinem Rekurs fort. Er behauptet zwar, er habe sich (bloß) auf die – in Wahrheit fehlerfreie – Arbeit des Erstrichters bezogen, bezeichnet diese dann aber als „schleißig“ und „so bescheiden“, dass in ihm „unweigerlich die Frage aufgekommen“ sei, ob der Erstrichter „zu dumm für die Arbeit“, also „ein dummer Mensch oder eben ein Idiot“ sei. Dies sind – wie ihm bereits erklärt wurde – ausfällige Formulierungen, die nicht mehr Ausdruck sachlich gerechtfertigter Kritik sein können und auch für die Argumentation in der Sache in jeder Hinsicht entbehrlich sind.

[6] Die zuvor verhängte Ordnungsstrafe konnte ihn nicht davon abhalten, neuerlich und mehrmals (vier Mal „dumm“ oder „dummer Mensch“, zwei Mal „Idiot“) beleidigende Formulierungen in seinem Rechtsmittelschriftsatz zu verwenden. Da folglich der Regelungszweck des § 86 ZPO (der in der Wahrung einer sachlichen, unpersönlichen Ausdrucksweise liegt: RS0036327 [T1]) mit einer Ordnungsstrafe von (bloß) 50 EUR nicht erreicht werden konnte und er schon im April 2020 (ON 11a im Akt 22 Nc 14/19d des Landesgerichts Wiener Neustadt) angekündigt hatte, er werde sein ausfälliges Verhalten fortsetzen, ist es geboten, über den Rekurswerber gemäß § 86 iVm § 220 Abs 1 ZPO eine weitere, diesmal empfindlichere, Ordnungsstrafe in Höhe von 200 EUR zu verhängen.

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