JudikaturOGH

11Os43/21i – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. April 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. April 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen Josip Ba***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 12. November 2020, GZ 14 Hv 80/19x 122, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Josip Ba***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (1./) sowie des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, teils iVm § 12 zweiter Fall StGB (2./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in K***** und andernorts mit dem Vorsatz auf kontinuierliche Tatbegehung über einen längeren Zeitraum und den daran geknüpften Additionseffekt vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge

1./ im Zeitraum von Oktober 2018 bis 7. August 2019 eingeführt, und zwar zumindest 3.000 Gramm Heroin mit einem Reinheitsgehalt von 16,9 % (507 Gramm Heroin Reinsubstanz) und zumindest 50 Gramm Kokain, indem er den abgesondert verfolgten Sasa G***** sowie dessen Kuriere während seiner Haftausgänge in wiederholten Angriffen mit der Einfuhr aus Slowenien nach Österreich beauftragte, wobei 2.000 Gramm Heroin und 50 Gramm Kokain an Bianca B***** übergeben wurden und er zwei Pakete („Ziegel“) Heroin zu je 500 Gramm selbst in Empfang nahm;

2./ und zwar zumindest 2.057 Gramm Heroin mit einem Reinheitsgehalt von 16,9 % (347,63 Gramm Heroin Reinsubstanz) und zumindest 11 Gramm Kokain, anderen überlassen, indem er

A./ Bianca B***** mit dem – im Ersturteil detaillierten (a./–o./) – Verkauf von 2.057 Gramm Heroin und 11 Gramm Kokain beauftragte;

B./ von Oktober 2018 bis 7. August 2019 [US 9] B***** und unbekannten Personen in einer Vielzahl von Angriffen unbekannte Mengen an Heroin verkaufte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Die das Unterbleiben der Vernehmung des Zeugen Sasa G***** reklamierende Verfahrensrüge (Z 4) übergeht, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung am 12. November 2020 auf weitere Beweisaufnahmen verzichtete (ON 121 S 12 [zur Klarstellung mit dem Hinweis , dass sich die Seitennummerierung der pdf-Datei um zwei Ziffern unterscheidet]) und insoweit zur Geltendmachung der relevierten Nichtigkeit nicht legitimiert ist (RIS-Justiz RS0099104 [insb T1], RS0099250 [T7]; Fabrizy/Kirchbacher , StPO 14 § 281 Rz 38; vgl im Übrigen auch RIS-Justiz RS0117404).

[5] Soweit die Mängelrüge (Z 5 erster Fall) das Fehlen von Feststellungen zu den Sprachkenntnissen des Angeklagten kritisiert, nimmt sie nicht auf eine entscheidende Tatsache Bezug (RIS-Justiz RS0099497, RS0117264).

[6] Gleiches gilt, soweit sie Zeit und Ort der Kontakte zwischen dem Angeklagten und G***** „im anklagegegenständlichen Zeitraum“ releviert (vgl RIS Justiz RS0098557; Ratz , WK StPO § 281 Rz 406). Indem der Beschwerdeführer Kontaktaufnahmen sowie die Abwicklung von Drogengeschäften mit G***** bloß bestreitet, bekämpft er die Beweiswürdigung des Erstgerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) B erufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.

[7] Die – unter isolierter Hervorhebung einzelner Teile der erstgerichtlichen Konstatierungen aufgestellte – Behauptung, aus den Feststellungen wäre nicht zu erkennen, welche entscheidenden Tatsachen auf objektiver und subjektiver Tatseite das Gericht als erwiesen angenommen hätte und aus welchen Gründen dies geschehen wäre, entzieht sich auf Basis des Ersturteils in seiner Gesamtheit einer inhaltlichen Erwiderung (vgl RIS-Justiz RS0119370; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 394).

[8] Die weitere Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) erklärt nicht, weshalb eine eidesstattliche Erklärung des G*****, wonach er es abgelehnt hätte, B***** (auf ihre Anfrage hin) Suchtgift (Heroin) zu verschaffen (ON 93 S 19), den erstgerichtlichen Sachverhaltsannahmen (der Angeklagte nahm Kontakt mit G***** auf und bestellte Suchtgiftlieferungen, während es Aufgabe der B***** war, die Lieferungen in Österreich zu übernehmen [US 8]), erörterungsbedürftig entgegen stehen sollte (RIS-Justiz RS0098495 [insb T6], RS0098646 [insb T8]).

[9] Die Erwägungen zu im Urteil nicht näher bezeichneten Ergebnissen von Telefonüberwachungen können nicht mit Mängelrüge bekämpft werden, weil die Tatrichter darin keine notwendige Bedingung (vgl US 11) für die Feststellung einer entscheidenden Tatsache erblickten (RIS Justiz RS0099507).

[10] Die – lediglich eigenständig beweiswürdigende – Kritik des Beschwerdeführers an der als „lebensfremd“ bezeichneten Bewertung des Aussageverhaltens der Zeugin B***** in der Hauptverhandlung am 12. November 2020 (ON 121 S 8 ff) durch das Erstgericht (US 13 f) lässt überdies einen Bezug zu schuld- oder subsumtionsrelevanten Umständen nicht erkennen.

[11] Soweit die Beschwerde eine isoliert betrachtete Passage der Aussage dieser Zeugin („Ich habe immer das gemacht, was ich wollte, nicht das, was Ba***** wollte.“ [ON 121 S 11]) und die in mehreren Briefen an den Angeklagten (ON 93 S 25 ff) enthaltene Darlegung , dass sie falsch gegen ihn ausgesagt hätte, als übergangen reklamiert, ist sie darauf zu verweisen, dass das Gericht in Befolgung des Gebots zu bestimmter, aber gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten war, auf sämtliche Details im Einzelnen einzugehen (RIS Justiz RS0098377, RS0098778, RS0106295, RS0106642; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 428; s im Übrigen die differenzierende Beweiswürdigung zu dieser Zeugin US 13 f) .

[12] Der Umstand, dass B***** und Manuela P***** befreundet waren, wurde dem Beschwerdevorbringen zuwider im Urteil festgestellt (US 8). Mit ihrer Behauptung, daraus wäre abzuleiten, dass diese ihre Aussagen abgesprochen hätten und die belastenden Angaben der P***** demnach nicht den Schluss zuließen, der Angeklagte hätte Drogengeschäfte organisiert, bekämpft die Beschwerde erneut die Beweiswürdigung des Erstgerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (RIS-Justiz RS0099599).

[13] Die Angaben des Zeugen Danny H***** in der Hauptverhandlung am 12. November 2020 (ON 121 S 4 ff) wurden im Urteil einer ausführlichen Würdigung unterzogen (US 12). Entgegen den Beschwerdeausführungen war jedoch die isoliert herausgegriffene Aussagepassage (vgl aber RIS Justiz RS0116504), wonach er keine unmittelbaren persönlichen Wahrnehmungen „hinsichtlich Drogen und Ba***** aus der Justizanstaltszeit“ hätte (ON 121 S 6), nicht gesondert erörterungsbedürftig (RIS-Justiz RS0098646).

[14] Angemerkt sei, dass weitwendiges wörtliches Zitieren der Aussagen der drei genannten Zeugen eine prozessordnungskonforme Argumentation (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO) nicht zu ersetzen vermag.

[15] Die Nichtigkeitsbeschwerde w ar daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits nach nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[16] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rückverweise