3Ob213/20z – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden, sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei S***** AG, *****, vertreten durch Wiltschek Plasser, Rechtsanwälte in Wien, gegen die verpflichtete Partei L***** GmbH, *****, vertreten durch Höhne, In der Maur Partner Rechtsanwälte GmbH Co KG in Wien, wegen Unterlassung, über den Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 10. November 2020, GZ 53 R 167/20w 9, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 28. September 2020, GZ 8 E 2511/20x 4, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Die Parteien sind Unternehmen, die zueinander in einem Wettbewerbsverhältnis stehen und jeweils zahlreiche Filialen in Österreich betreiben, in denen sie unter anderem Lebensmittel verkaufen.
[2] Die Verpflichtete hat es aufgrund einer vollstreckbaren einstweiligen Verfügung zur Sicherung des Anspruchs der Betreibenden zu unterlassen, die Ankündigung „100 % Rind, Schwein und Hendl aus Österreich“ oder gleichsinnige Ankündigungen zu tätigen, wenn nicht tatsächlich das gesamte von ihr angebotene Sortiment an Rind, Schwein und Hendl aus Österreich stammt, oder wenn nicht unübersehbar, in unmittelbarem Zusammenhang mit dieser Ankündigung und in verständlicher Weise darauf hingewiesen wird, welche Fleischprodukte nicht österreichischer Herkunft sind.
[3] Das Erstgericht wies den Exekutionsantrag der Betreibenden, mit dem sie drei Verstöße gegen diese Unterlassungsverpflichtung geltend machte, ab.
[4] Das Rekursgericht bewilligte antragsgemäß die Exekution gemäß § 355 EO und verhängte für die näher beschriebenen Verstöße Geldstrafen von je 5.000 EUR. Die Verpflichtete habe durch ein Flugblatt, auf einem Steckschild vor der Frischfleischabteilung einer bestimmten Filiale sowie in einem Werbespot jeweils dem Exekutionstitel zuwider gehandelt; der unterhalb der als Blickfang gestalteten Aussage „100 % Rind, Schwein und Hendl aus Österreich“ angefügte Text „erkennbar an einem dieser Logos“ genüge den Anforderungen des titulierten Unterlassungsgebots nicht, weil neben der geringeren Schriftgröße auch ein Verständnis dahin möglich sei, dass diese Logos noch bekräftigen würden, dass alle Fleischprodukte aus Österreich stammten; von einer ausreichenden Klarstellung im Sinn des Exekutionstitels könne daher nicht die Rede sein.
[5] Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof noch nicht mit der Frage befasst worden sei, in welcher Form mit einem Logo „100 % aus Österreich“ geworben werden dürfe, um eine Irreführung auszuschließen, wenn nicht das gesamte Frischfleischsortiment aus Österreich stamme; mit einem vergleichbaren Fall habe sich der Oberste Gerichtshof noch nicht befasst, wenn es „um geeignete Hinweise im Zusammenhang mit blickfangartigen Werbeankündigungen“ gehe.
Rechtliche Beurteilung
[6] Der Revisionsrekurs der Verpflichteten ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.
[7] 1.1 Die Auslegung des Exekutionstitels und die Frage, ob ein aus dem Vorbringen der betreibenden Partei entnehmbares konkretes Verhalten der verpflichteten Partei gegen den Exekutionstitel verstößt, gehen in der Regel nicht über den konkreten Einzelfall hinaus und werfen – von im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifenden Fehlbeurteilungen abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO auf (RIS Justiz RS0000595 [T10]; RS0004662 [T4]; RS0000205 [T13]).
[8] Die Begründung, dass Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt, zeigt für sich allein keine erhebliche Rechtsfrage auf (vgl RS0122015 [T4]). Über den Einzelfall hinaus anwendbare Grundsätze für die Auslegung von Unterlassungsgeboten zu blickfangartigen Werbeankündigungen sind hier – entgegen der Ansicht des Rekursgerichts – nicht zu entwickeln, sondern es ist der konkrete Vorwurf eines Verstoßes gegen eine Unterlassungsverpflichtung anhand des gerade hier vorliegenden Titels zu überprüfen.
[9] 1.2 Bei der Prüfung, ob ein Verstoß gegen das im Titel ausgesprochene Unterlassungsgebot vorliegt, ist nach ständiger Rechtsprechung zunächst streng vom Wortlaut des Exekutionstitels auszugehen; ist der Wortsinn des zu vollziehenden Spruchs nicht eindeutig, so sind auch die Entscheidungsgründe zur Auslegung heranzuziehen (RS0000300 [T16, T20]). Entgegen der Rechtsansicht der Verpflichteten hält sich die Beurteilung des Rekursgerichts, nach der die Ankündigungen der Verpflichteten zu ihrem „dauerhaften Fleischsortiment“ jeweils gegen das Unterlassungsgebot der einstweiligen Verfügung verstoßen haben, im Rahmen dieser Beurteilungsgrundsätze:
[10] 1.3 Zunächst räumt die Verpflichtete selbst ein, dass nicht ihr gesamtes Sortiment an Rind, Schwein und Hendl aus Österreich stammt. Für diesen Fall hatte die Verpflichtete „unübersehbar, in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ankündigung (...) und in verständlicher Weise“ darauf hinzuweisen, „welche Fleischprodukte nicht (Hervorhebung durch den Senat) österreichischer Herkunft sind“. Ein solcher Hinweis fehlt den betreffenden Ankündigungen. Die Verpflichtete will es demgegenüber dem Kunden überlassen, aus der Bezeichnung „dauerhaftes Fleischsortiment“ auf aus dem Ausland stammendes „nicht dauerhaftes Fleischsortiment“ zu schließen und im Übrigen nach bestimmten Logos zu suchen, um aus Österreich stammende Produkte zu finden. Wenn das Rekursgericht bei dieser Sachlage das Vorliegen von Titelverstößen bejahte, dann begründet dies keine im Einzelfall aufzugreifende unrichtige Beurteilung. Dieses Ergebnis hat – entgegen der Meinung der Verpflichteten – auch nicht zur Folge, dass damit „im Ergebnis jedwede Werbung mit Rabattaktionen de facto verunmöglicht“ würde. Im Titelverfahren hat im Übrigen das dortige Rechtsmittelgericht aufgrund einer fast identischen Kennzeichnung (ebenfalls mit Hinweis auf bestimmte Logos) die Wiederholungsgefahr und Irreführungseignung als gegeben angesehen, sodass insoweit auch kein Widerspruch zu der hier bekämpften Entscheidung vorliegt.
[11] 2. Das Bewilligungsgericht hat sich streng an den Wortlaut des Exekutionstitels zu halten. Es kann nur aus diesem selbst schließen, was die Parteien oder das Gericht in Wirklichkeit gemeint haben (RS0000207 [T19]); es kommt nicht darauf an, was der Verpflichtete nach dem Gesetz, sondern, was er nach dem Exekutionstitel zu unterlassen hat (RS0000279 [T9]). Auf die wettbewerbsrechtlichen Argumente der Verpflichteten zum Verständnis der Durchschnittsverbraucher von pauschalen Werbeaussagen und Rabattaktionen ist daher nicht näher einzugehen. Maßgeblich ist allein die sich aus dem Unterlassungstitel ergebende Verpflichtung. Auch die Bezugnahme auf die Entscheidung 4 Ob 68/13y, in der in einem auf Unterlassung gerichteten Titelverfahren ein TV Werbespot auf Irreführung im Sinn des § 2 UWG geprüft wurde, vermag eine korrekturbedürftige Auslegung des Unterlassungsgebots durch das Rekursgericht nicht aufzuzeigen.