9Ob4/21k – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau, Hon. Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. F***** Z*****, vertreten durch DDr. Wolfgang Doppelbauer, Rechtsanwalt in Wels, gegen den Beklagten A***** Z*****, vertreten durch Mag. Günther Holzapfel, Rechtsanwalt in Andorf, wegen Unterlassung (Streitwert: 68.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 4. November 2020, GZ 6 R 128/20s 38, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wels vom 24. August 2020, GZ 8 Cg 68/19z 32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
[1] Der Beklagte ist Alleineigentümer der Liegenschaften EZ 100 (mit dem landwirtschaftlichen Anwesen) und EZ 383, je KG *****, auf denen er einen landwirtschaftlichen Betrieb führt. Die Liegenschaft EZ 100 hatte ihm seine Mutter 1992 übergeben, die Liegenschaft EZ 383 erbte er 1997 nach deren Tod.
[2] Für die Sanierung des landwirtschaftlichen Betriebs erhielt der Beklagte vom Kläger, seinem Bruder, am 21. 5. 2005 ein Darlehen von 100.000 EUR. Da der Beklagte bis zum Jahr 2013 keine Darlehensrückzahlungen an den Kläger vorgenommen hatte, der Kläger aber die finanziellen Verhältnisse zwischen ihm und dem Beklagten geklärt wissen wollte, schlossen die Streitteile am 15. 7. 2013 einen Pfandbestellungsvertrag ab. Darin wurde zunächst das aushaftende Darlehen samt Zinsen sowie die weiteren mittlerweile aufgelaufenen Schulden des Beklagten mit insgesamt 203.000 EUR festgestellt. Zur Sicherung dieser Forderung ließ sich der Kläger vom Beklagten im Pfandbestellungsvertrag unter anderem ein Pfandrecht an den dem Beklagten gehörenden Liegenschaften EZ 100 und EZ 383 einräumen. Verbüchert wurde dieses Pfandrecht erst im Jahr 2018. Nachrangig bestehen zwei im Jahr 2019 zugunsten eines Kreditinstituts eingetragene Höchstbetragshypotheken.
[3] Weiters hat sich der Beklagte als Pfandgeber in diesem Vertrag verpflichtet, die Liegenschaften ohne schriftliche Zustimmung des Klägers weder zu verpachten, noch sonst zu verwerten oder zu verpfänden, noch über diese durch ein anderes Rechtsgeschäft zu verfügen. Gleichzeitig räumte der Beklagte dem Kläger das Belastungs und Veräußerungsverbot gemäß § 364c ABGB ein. Der Kläger als Pfandgläubiger erklärte die Annahme dieses Belastungs- und Veräußerungsverbots. Beide Vertragsparteien erklärten zudem ihr Wissen darüber, dass das Verbotsrecht aus gesetzlichen Gründen nicht im Grundbuch durchgeführt werden kann.
[4] Mit Schreiben vom 26. 8. 2019 stellte der Kläger seine Forderung aus dem Pfandbestellungsvertrag fällig. Über die Berechtigung dieses Begehrens ist ein gerichtliches Verfahren anhängig.
[5] Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage, gestützt auf das vereinbarte Belastungs- und Veräußerungsverbot, den Beklagten schuldig zuerkennen, die Veräußerung und Belastung der Liegenschaften EZ 100 und EZ 383 je KG ***** ohne Zustimmung des Klägers zu unterlassen. In eventu möge festgestellt werden, dass der Beklagte dem Kläger am 15. 7. 2013 wirksam ein Belastungs- und Veräußerungsverbot gemäß § 364c ABGB betreffend die Liegenschaften EZ 100 und EZ 383 je KG ***** eingeräumt habe. Bereits im Rahmen der Verlassenschaft nach der Mutter der Streitteile hätten die Parteien mündlich ein Belastungs- und Veräußerungsverbot vereinbart, damit der Familienbesitz als solcher erhalten bleibe.
[6] Der Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte – soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung – ein, dass das in der Pfandurkunde verschriftlichte Verfügungsverbot den Schutzbestimmungen des § 1371 ABGB widerspreche und daher ex lege unwirksam sei. Das Begehren des Klägers im Jahr 1997 auf Einräumung eines Belastungs- und Veräußerungsverbots habe er abgelehnt.
[7] Das Erstgericht wies sowohl das Haupt- als auch das Eventualbegehren ab. Da das Abwarten einer Rechtsverletzung durch den Beklagten zu einem nicht wieder gut zu machenden Schaden führen würde, stünde dem Kläger präventiv das Instrument der Unterlassungsklage zur Verfügung. Die Stattgabe des Unterlassungsbegehrens scheitere aber am konkreten Gefahrentatbestand in Richtung einer Belastung oder Veräußerung der Liegenschaften durch den Beklagten. Das Feststellungsbegehren sei unschlüssig.
[8] Das Berufungsgericht wies die Berufung der Beklagten zurück; jener des Klägers gab es nicht Folge. Die Vereinbarung eines Belastungs- und Veräußerungsverbots als Nebenabrede zum Pfandvertrag sei gemäß § 1371 ABGB ungültig. Es ließ die ordentliche Revision unter anderem mit der Begründung zu, dass es keine oberstgerichtliche Judikatur zur Frage gibt, ob § 1371 ABGB auch Fälle eines vor dem Pfandvertrag mündlich vereinbarten und im Pfandvertrag fortgeschriebenen Belastungs- und Veräußerungsverbots umfasst.
[9] In seiner dagegen gerichteten Revision beantragt der Kläger die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsstattgabe; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[10] Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung , die Revision des Klägers zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[11] Die Revision des Klägers ist zulässig und im Sinne ihres Aufhebungsantrags auch berechtigt.
[12] 1. Nach § 1371 Satz 1 ABGB sind alle der Natur des Pfand- und Darlehensvertrags entgegenstehende Bedingungen und Nebenverträge ungültig. Dazu gehört nach Satz 2 4. Fall leg cit ua die Verabredung, ein liegendes Gut keinem Anderen zu verschreiben. Diese Bestimmung ist zwingend (6 Ob 2031/96m mwN; Rassi in Fenyves/Kerschner/Vonkilch Klang³ § 1371 ABGB Rz 1; Pröbsting in Schwimann/Neumayr , ABGB Taschenkommentar 5 § 1371 ABGB Rz 1).
[13] 2. Dieses Verbot wahrt die Verfügungsfreiheit des Schuldners, weitere Pfandrechte zu bestellen ( Hofmann in Rummel , ABGB 3 § 1371 ABGB Rz 5; vgl Koch in KBB 6 §§ 1371 bis 1372 Rz 4). Es soll eine wirtschaftliche Knebelung des Schuldners durch Einschränkung der Belehnung seiner Liegenschaft im Interesse eines Pfandgläubigers ausschließen ( Oberhammer/Domej in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.03 § 1372 Rz 25; Rassi in Fenyves/Kerschner/Vonkilch Klang³ § 1371 ABGB Rz 29).
[14] 3. Von der Ungültigkeit nach § 1371 ABGB sind nicht nur Vereinbarungen im Pfandvertrag, dem Verfügungsgeschäft zur Begründung des Pfandrechts, sondern auch im Pfandbestellungsvertrag, dem Verpflichtungsgeschäft, betroffen. Soweit im Grundverhältnis (Darlehensvertrag, Kreditvertrag etc) auch die Sicherung der Forderung geregelt wird, ist ebenfalls die Vereinbarkeit mit §§ 1371, 1372 ABGB zu prüfen ( Rassi in Fenyves/Kerschner/Vonkilch Klang³ § 1371 ABGB Rz 3).
[15] 4. Die Entscheidung 3 Ob 208/16h (= RS0131098), in der ausgesprochen wurde, dass die Verbotsnorm des § 1371 ABGB ihrem Zweck nach nur Vereinbarungen betrifft, die vor Fälligkeit der Forderung getroffen wurden, während sie die Gültigkeit von nach dem Fälligkeitszeitpunkt getroffenen Vereinbarungen nicht berührt, betraf eine vom Pfandbesteller erteilte Veräußerungsermächtigung und ist daher auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar. Gleiches gilt für die zu Pfandverfallsklauseln (vgl RS0075186) sowie zu Verkaufsvollmachten inklusive Verwertungsvereinbarung (vgl 5 Ob 139/08i; RS0075180) ergangenen Entscheidungen. Derartige nach Fälligkeit der Forderung vereinbarte Abreden unterliegen deshalb nicht der Verbotssanktion des § 1371 ABGB, weil der von § 1371 ABGB erfasste Schutz des Schuldners vor Verschleuderung seines Vermögens dann nicht mehr erforderlich ist. Nach Fälligkeit der Schuld ist in diesen Fällen sichergestellt, dass der Pfandbesteller nicht verkürzt werden kann ( Martin Spitzer , Aktuelle Entwicklungen im Kreditsicherungsrecht - Eigentumsvorbehalt, Hypotheken, Sicherungszession, ÖBA 2014, 172 [174 f]; vgl Rassi in Fenyves/Kerschner/Vonkilch Klang³ § 1371 ABGB Rz 21 mwN). Der Verbotszweck eines im Zusammenhang mit dem Pfandvertrag (bzw Pfandbestellungsvertrag) oder dem Darlehensvertrag vereinbarten Veräußerungs und Belastungsverbots ist aber ein anderer (siehe Pkt 2.). Er liegt nicht im Übereilungsschutz des Pfandbestellers.
[16] 5. Das zwischen den Parteien im Pfandbestellungsvertrag vom 15. 7. 2013 vereinbarte Belastungs- und Veräußerungsverbot ist daher nichtig.
[17] 6. Der Kläger stützte sich aber bereits im erstinstanzlichen Verfahren auch darauf, dass er bereits im Rahmen der Verlassenschaft nach der Mutter der Streitteile im Jahr 1997 mit dem Beklagten mündlich ein Belastungs- und Veräußerungsverbot vereinbart habe, damit der Familienbesitz als solcher erhalten bleibe. Ein derartiges, bereits mehrere Jahre vor dem Abschluss des Darlehensvertrags (2005) und des Pfandvertrags (2013) vereinbartes Belastungs- und Veräußerungsverbot wäre nicht von der Nichtigkeitssanktion des § 1371 ABGB erfasst, weil es nicht aus Anlass des Pfandbestellungsvertrags oder Darlehensvertrags abgeschlossen worden wäre oder im unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit diesen Verträgen stünde. Von § 1371 ABGB sind nur Bedingungen und Nebenverträge zum Pfandvertrag (bzw Pfandbestellungsvertrag) und Darlehensvertrag umfasst. Gegen einen darüber hinausgehenden Anwendungsbereich spricht neben dem Wortlaut des § 1371 Satz 1 ABGB („Bedingungen und Nebenverträge“) auch der Verbotszweck des § 1371 ABGB Satz 2 4. Fall ABGB, die Verfügungsfreiheit des Schuldners, weitere Pfandrechte zu bestellen, zu wahren und eine wirtschaftliche Knebelung des Pfandgläubigers zu vermeiden. Diese Verfügungsfreiheit ist nicht an die Fälligkeit der Forderung des Gläubigers geknüpft. Der Zweck des zwischen den Parteien im Jahr 1997 vereinbarten Belastungs- und Veräußerungsverbots sei nach den Behauptungen des Klägers im Erhalt des Familienbesitzes gelegen.
[18] 7. Die vorliegende Rechtssache ist noch nicht spruchreif. Zum Vorbringen des Klägers, die Parteien hätten bereits im Rahmen der Verlassenschaft nach der Mutter der Streitteile mündlich ein Belastungs- und Veräußerungsverbot vereinbart, damit der Familienbesitz als solcher erhalten bleibe, fehlen bisher Feststellungen, weshalb sich das Verfahren insoweit als ergänzungsbedürftig erweist (vgl RS0114379). Auf die Mängelrüge des Revisionswerbers musste daher nicht weiter eingegangen werden.
[19] In Stattgebung der Revision des Klägers waren die Entscheidungen der Vorinstanzen daher aufzuheben und die Rechtssache spruchgemäß an das Erstgericht zurückzuverweisen.
[20] Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.