JudikaturOGH

6Nc7/21p – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. März 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden, die Hofräte Hon. Prof. Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter über den Antrag des *****, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen .

Text

Begründung:

[1] Das Bezirksgericht Linz bestellte mit Beschluss vom 22. 5. 2020 zu GZ 38 P 208/19y 114 für den Antragsteller gemäß § 120 AußStrG einen Rechtsanwalt zum einstweiligen Erwachsenenvertreter zur Besorgung folgender dringender Angelegenheiten:

1. Vertretung in finanziellen Angelegenheiten

2. Vertretung in allen behördlichen Verfahren, insbesondere

- Vertretung in allen gegenständlich anhängigen und anstehenden gerichtlichen Verfahren

- Vertretung in Verwaltungsverfahren

- Vertretung in Verwaltungsgerichtlichen Verfahren

- Vertretung vor Kammern und Sozialversicherungsträgern

3. Vertretung bei Verträgen, welche über den täglichen Gebrauch hinausgehen

[2] Das Landesgericht Linz änderte über Rekurs des Antragstellers mit Beschluss vom 23. 7. 2020 zu AZ 15 R 237/20h die für den Antragsteller zu besorgenden dringenden Angelegenheiten wie folgt:

Vertretung in allen behördlichen Verfahren, insbesondere

- Vertretung in allen anhängigen und anstehenden gerichtlichen Verfahren

- Vertretung in Verwaltungsverfahren

- Vertretung in Verwaltungsgerichtlichen Verfahren

- Vertretung vor Kammern und Sozialversicherungsträgern

[3] Der Oberste Gerichtshof wies mit Beschluss vom 30. 11. 2020 zu AZ 5 Ob 209/20a den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers mit folgender Begründung zurück:

1. Erfordert es das Wohl der betroffenen Person, so hat ihr das Gericht zur Besorgung dringender Angelegenheiten längstens für die Dauer des Verfahrens einen einstweiligen Erwachsenenvertreter mit sofortiger Wirksamkeit zu bestellen (§ 120 Abs 1 AußStrG).

2.1. Ein einstweiliger Erwachsenenvertreter darf grundsätzlich erst nach Abklärung durch den Erwachsenenschutzverein und Durchführung einer Erstanhörung bestellt werden (§ 120 Abs 2 AußStrG). Darüber hinaus sieht das Gesetz für die Bestellung des einstweiligen Erwachsenenvertreters kein besonderes Verfahren vor. Wegen der Dringlichkeit ist weder eine eigene mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl 1 Ob 184/07a), noch bedarf es zwingend der Beiziehung eines Sachverständigen (9 Ob 67/19x mwN).

2.2. Der Umstand, dass das Erstgericht vor der Beschlussfassung – nach Einholung eines Abklärungsberichts des Erwachsenenschutzvereins und Erstanhörung – keine eigene Verhandlung über die Bestellung eines einstweiligen Erwachsenenvertreters durchgeführt und den Betroffenen zu den Ergebnissen des eingeholten Sachverständigengutachtens nicht neuerlich persönlich gehört hat, begründet daher keinen Verfahrensfehler und keine Verletzung des durch Art 6 Abs 1 EMRK gewährleisteten Rechts auf ein faires Verfahren, insbesondere nicht des Rechts auf rechtliches Gehör. Bei der Bestellung eines einstweiligen Erwachsenenvertreters handelt es sich um eine vorläufige Maßnahme zum Schutz der betroffenen Person vor Rechtsnachteilen. Dass die Voraussetzungen und die Erforderlichkeit einer Erwachsenenvertretung noch nicht endgültig geklärt sind, wird durch die Dringlichkeit der zu besorgenden Angelegenheiten aufgewogen (9 Ob 67/19x).

3.1. Die Frage, ob genügend und welche konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es das Wohl der betroffenen Person iSd § 120 AußStrG erfordert, ihr zur Besorgung dringender Angelegenheiten längstens für die Dauer des Verfahrens einen einstweiligen Erwachsenenvertreter zu bestellen, kann regelmäßig nur anhand der jeweiligen Umstände des konkreten Einzelfalls beurteilt werden. Dieser Frage kommt daher in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RS0117006; RS0106166).

3.2. Die Bestellung eines einstweiligen Erwachsenenvertreters ist hier auch keine im Einzelfall aufzugreifende Überschreitung des den Gerichten eingeräumten Beurteilungsspielraums. Wenn die Vorinstanzen Zweifel hatten, ob der Betroffene seine Interessen ausreichend selbst wahrnehmen kann, ist dies im Hinblick auf die bisherigen Ergebnisse des Bestellungsverfahrens nicht zu beanstanden. Auch die Beurteilung des Rekursgerichts, dass (nur) in Bezug auf den auf die Vertretung in allen behördlichen Verfahren eingeschränkten Wirkungskreis dringende, noch vor Beendigung des Bestellungsverfahrens zu setzende Schritte zur Abwehr von Nachteilen erforderlich sind, bedarf keiner Korrektur. Diese von den Vorinstanzen mit dem Kostenrisiko, das mit den zahlreichen vom Betroffenen angestrengten Verfahren verbunden ist, begründete Dringlichkeit kann insbesondere nicht mit dem Argument in Frage gestellt werden, dass sämtliche derzeit anhängige Gerichtsverfahren ohnedies unterbrochen seien. Gilt es doch den Betroffenen (auch) vor den Nachteilen zu schützen, die mit der Einleitung weiterer Verfahren verbunden wären.

4. Mangels einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs daher unzulässig und zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

[4] Mit weiterem Beschluss vom 4. 2. 2021 wies der Oberste Gerichtshof durch seinen 5. Senat mehrere Eingaben des Antragstellers mit der Begründung zurück, der außerordentliche Revisionsrekurs des Betroffenen (hier: Antragstellers) sei mit dem angeführten Beschluss zurückgewiesen worden, nach rechtskräftiger Entscheidung eingebrachte Schriftsätze, die sich auf die damit geklärten Fragen und Ansprüche beziehen, seien zurückzuweisen; im Übrigen erschöpften sich die substanziellen Ausführungen des Betroffenen in den einander ergänzenden und zum Teil nur in der Gesamtschau nachvollziehbaren Eingaben in der Wiederholung bereits erledigter Streitpunkte oder schon vorgebrachter Behauptungen.

[5] Mit im elektronischen Rechtsverkehr am 20. 2. 2021 eingebrachten Schriftsatz stellte der Antragsteller einen „Antrag gemäß § 77 GOG“, wobei er auf das „Verfahren zu 5 Ob 209/20a“ Bezug nahm und sinngemäß ausführte, er sei dort um sein „garantierte[s] Recht auf rechtliches Gehör“ gebracht worden; der außerordentliche Revisionsrekurs sei „zu Unrecht durch Amtsmissbrauch zurückgewiesen“ worden. Sämtliche „unteren Instanzen“ hätten gegen die „geltende Rechtsordnung“ verstoßen; er werde „rechtswidrig, strafbar und unmenschlich zu Unrecht in einem Erwachsenenverfahren zwangsmäßig gehalten, wo [...] ständig seine ordnungs-, wahrheits- und rechtmäßigen Verfahren zu Unrecht unterdrückt werden sowie immer ein Genehmigungsvorbehalt vorgenommen wird, obwohl keiner in irgendeiner Art und Weise besteht“. Der Antragsteller forderte den Obersten Gerichtshof auf, „gemäß § 77 GOG vorzugehen, damit [ er ] endlich aus dieser unrechten Situation gelangt“.

Rechtliche Beurteilung

[6] 1. Nach § 77 GOG ist der Oberste Gerichtshof zwar befugt, anlässlich der Ausübung seines richterlichen Amtes wahrgenommene Gebrechen im Geschäftsgange der Gerichte erster und zweiter Instanz zu rügen und dem Justizminister von den wahrgenommenen Gebrechen und von den zu deren Abstellung dienlichen Anordnungen Mitteilung zu machen. Solche Rügen obliegen als Angelegenheit der Rechtsprechung der Entscheidungsfindung im Senat (§ 5 OGHG; Fellner/Nogratnig , RStDG/GOG 4 § 77 GOG Anm 1). Konsequenz eines derartigen Vorgehens des Obersten Gerichtshofs ist regelmäßig die Aufnahme der Rüge in den Personalakt des gerügten Richters ( Fellner/Nogratnig aaO).

[7] 2. Der Oberste Gerichtshof hat bereits im Zusammenhang mit § 78 GOG mehrfach ausgesprochen, dass die Wahrnehmung dienstlicher Interessen durch Private ausscheidet (Ds 1/16; Ds 3/16; Ds 4/16). Auch § 77 GOG gewährt den Parteien eines Verfahrens kein Antragsrecht.

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