11Os3/21g – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 11. März 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen Rudolf S***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 6. November 2020, GZ 45 Hv 27/20x 82, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019) zu Recht erkannt:
Spruch
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldspruchpunkten I, III und VII, in der diese miteinbeziehenden Subsumtionseinheit und in der rechtlichen Unterstellung der vom Schuldspruch umfassten Taten auch unter § 148 zweiter Fall StGB sowie demzufolge im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht Eisenstadt verwiesen.
Die weitere Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Freispruch des Angeklagten von weiteren gleichartigen Tatvorwürfen enthält, wurde Rudolf S***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 StGB) mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch Vorspiegelung der Fähigkeit und Willigkeit, die vertraglich zugesicherten Leistungen zu erbringen, zu Handlungen verleitet, die diese in einem 5.000 Euro übersteigenden Wert am Vermögen schädigten und zwar
I) am 5. April 2019 in H***** Leopold N***** „für die zugesagten und letztlich nicht bzw derart mangelhaft durchgeführten“ Bauarbeiten an einem im Urteil näher bezeichneten Superädifikat zur Überweisung von Akontozahlungen in Höhe von 42.000 Euro, wobei dem Genannten aufgrund des Gegenwerts der erbrachten Leistungen ein Schaden in Höhe von 5.305 Euro entstand;
III) am 27. März 2019 in N***** Harald H***** „für die zugesagten und letztlich nicht bzw derart mangelhaft durchgeführten“ Bauarbeiten an einem im Urteil näher bezeichneten Gebäude zur Überweisung von Akontozahlungen in Höhe von 30.300 Euro, wobei dem Genannten aufgrund des Gegenwerts der erbrachten Leistungen ein Schaden in Höhe von 9.650 Euro entstand;
IV) am 27. Juni 2019 in F***** Johannes W***** für den Einbau einer Küche samt Geräten zur Übergabe einer Akontozahlung in Höhe von 3.200 Euro, wodurch der Genannte durch die Nichterfüllung einen Schaden in dieser Höhe e rlitt ;
VII) am 30. Juni 2019 in H***** Georg R***** „für die zugesagte und letztlich nicht vollständig durchgeführte“ Errichtung eines Carports zur Übergabe von Akontozahlungen in Höhe von 10.500 Euro, wodurch der Genannte durch die mangelhafte Ausführung einen Schaden in Höhe von 1.750 Euro erlitt ;
VIII) im Dezember 2019 in K***** Verfügungsberechtigte der K***** GmbH durch Vorspiegelung seiner Zahlungsfähigkeit und willigkeit zur Durchführung von Dachdeckerarbeiten, wodurch dem genannten Unternehmen ein Schaden in Höhe von 12.000 Euro entstand.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Voranzustellen ist, dass die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 StPO voneinander wesensmäßig verschieden und daher gesondert auszuführen sind, wobei unter Beibehaltung dieser klaren Trennung deutlich und bestimmt jene Punkte zu bezeichnen sind, durch die sich der Nichtigkeitswerber für beschwert erachtet (RIS Justiz RS0115902). Geht es der Mängelrüge um die gesetzlichen Grenzen, einschließlich des Missbrauchs der Beweiswürdigungsfreiheit (Willkürverbot), zielt die Tatsachenrüge (Z 5a) – von ihrer Eigenschaft als Aufklärungsrüge abgesehen – auf eine Bewertung deren Gebrauchs innerhalb der von Z 5 definierten formalen Grenzen und solcherart auf einen eigenständigen Ausspruch des Obersten Gerichtshofs nach Maßgabe deutlich und bestimmt bezeichneter, in der Hauptverhandlung vorgekommener Beweismittel (RIS Justiz RS0116733).
[5] U ndifferenzierte Ausführungen – wie hier aus „§ 281 Abs 1 Ziff. 5 und 5a“ – entsprechen demnach nur insoweit der gesetzlichen Vorschrift einzelner und bestimmter Bezeichnung (§ 285 Abs 1 StPO) und eignen sich damit für eine sachliche Prüfung, als sie inhaltlich dem einen oder anderen Nichtigkeitsgrund zugeordnet werden können (RIS Justiz RS0099108). Unklarheiten, die durch diese Art der Rechtsmittelausführung bedingt sind, gehen zu Lasten des Rechtsmittelwerbers (RIS Justiz RS0100183).
[6] Zutreffend zeigt die Beschwerde zu den Schuldsprüchen I, III und VII ein Begründungsdefizit (der Sache nach Z 5 zweiter Fall, nominell auch Z 5a) hinsichtlich der Konstatierungen zu einem auf Täuschung der Vertragspartner über seine Leistungsfähigkeit und willigkeit gerichteten Vorsatz des Angeklagten (US 7 f) auf.
[7] Denn bei der Ableitung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite „aus dem äußeren Geschehensablauf“, den schlechten Einkommensverhältnissen, hohen Verbindlichkeiten und Sorgepflichten des Angeklagten, seinem getrübten Vorleben, der Faktenhäufung innerhalb weniger Monate und der „professionellen Vorgehensweise bei der Anbotslegung unter Verwendung einer Firma, die in dieser Form nicht existierte“ (US 43), blieben zu den diesbezüglichen Anklagevorwürfen erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 13 Abs 3 zweiter Satz, § 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ( Ratz, WK-StPO § 281 Rz 421).
[8] Dies gilt für die Aussagen der Zeugen N***** (ON 69 S 72 ff) und H***** (ON 69 S 46 ff) sowie die entsprechende Verantwortung des Angeklagten zum Schuldspruchpunkt VII (ON 69 S 46), wonach vom Angeklagten zur Erbringung der auftragsgemäßen Leistungen auch Subunternehmer (darunter ein Bauunternehmen, ein Elektriker, ein Spengler und ein Fassader) zugezogen wurden, ebenso wie für den Umstand, dass die vom – insbesondere am Objekt N***** „anfangs fleißig arbeitenden“ (US 8 f) – Angeklagten nach den tatrichterlichen A nnahmen betrügerisch erlangten Auftragsteile jeweils nur einen relativ geringen Teil des gesamten Auftragsvolumens ausmachten (US 8 ff, 14 ff, 20 f; vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 429).
[9] Zudem hätte die von der Rüge relevierte Aussage des Zeugen H*****, wonach der Umfang seines Auftrags laufend ausgedehnt und eingeschränkt wurde und die nach Abbruch der Arbeiten vorgenommene „Endabrechnung“ des Angeklagten ein „Plus“ des Werkbestellers von 2.360 Euro ergab (ON 69 S 47 ff, 54 ff), erörtert werden müssen .
[10] Da diese Verfahrensergebnisse der auf die bezeichneten Schuldspruchpunkte bezogenen Urteilsannahme vorsätzlich vorgetäuschter Leistungsfähigkeit und bereitschaft des Angeklagten entgegenstehen, weil dieser ihm als Tischler fachlich fehlende Qualifikation durch Beauftragung anderer Professionisten („Subunternehmer“) ersetzte und durch jeweils vielfältige Arbeiten an den in Rede stehenden Objekten seine Leistungswilligkeit zum Ausdruck brachte, hätten die T atrichter mängelfrei darlegen müssen, wie sie dennoch (aber bloß) hinsichtlich der jeweiligen Auftragsteile zu den kritisierten Feststellungen gelangte.
[11] Der aufgezeigte Begründungsmangel (Z 5 zweiter Fall) erfordert – wie bereits die Generalprokuratur zutreffend ausführte – die Aufhebung der Schuldspruchpunkte I, III und VII einschließlich der mit diesen gebildeten Subsumtionseinheit sowie der Unterstellung der T aten (auch) unter § 148 zweiter Fall StGB bereits nach nichtöffentlicher Beratung (§ 281e StPO), womit sich ein Eingehen auf das weitere darauf bezogene Beschwerdevorbringen erübrigt.
[12] Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs zu verweisen.
[13] Soweit die Rüge auch zu den Schuldspruchpunkten IV und VIII (vgl US 17 und 21, wonach der Angeklagte diesbezüglich keine Leistungen erbracht hat) mittels undifferenziertem Vorbringen aus „§ 281 Abs 1 Zif. 5 und Zif. 5a StPO“ einen Täuschungs , Bereicherungs und Schädigungsvorsatz des Angeklagten bestreitet, zeigt sie weder einen formellen Begründungsmangel noch sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der entsprechenden dem Schuldspruch zugrunde liegenden Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 398) auf.
[14] Vielmehr bekämpft sie mit der spekulativen Behauptung auf Basis teilweiser Wiedergabe der von den T atrichtern in der Gesamtheit erörterten (US 37 f – vgl RIS Justiz RS0106295) Aussage des Zeugen W***** (Schuldspruchpunkt IV), wonach das nachbarschaftliche Verhältnis des Genannten zur Schwester des Angeklagten gegen eine betrügerische Intention spreche , und dem Einwand (Schuldspruchpunkt VIII), die Verhaftung habe den Angeklagten „aus seinem Geschäftsleben gerissen“ und an der Bezahlung einer „Teilzahlung“ gehindert, die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Berufung wegen Schuld ( Ratz , WK StPO Vor §§ 280–296a Rz 11, 13).
[15] Gleiches gilt für die – schon mangels Angabe von Fundstellen nicht prozessförmig ausgeführte (RIS Justiz RS0124172) – Tatsachenrüge (zum Anfechtungsrahmen vgl RIS Justiz RS0118780), wonach empfehlungsbedingt gehäufte Auftragsübernahmen zu zeitlichen Überschneidungen und Verspätungen und letztlich zu Konflikten mit den Auftraggebern geführt hätten.
[16] Schließlich finden sich die von der Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Schuldspruch IV vermissten Feststellungen zur subjektiven Tatseite des Angeklagten in US 7 f, 17 (RIS Justiz RS0099724, RS0099810).
[17] In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der dazu erstatteten Äußerung des Angeklagten (vgl dazu RIS Justiz RS0097061) – nach nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[18] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.