9Ob3/21p – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau, Hon. Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn in der Rechtssache der klagenden Partei G***** R*****, vertreten durch Dr. Edwin Demoser, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei N***** S*****, vertreten durch die Anwalt2 – Thoma Kanzian Rechtsanwälte OG in Gröbming, wegen Feststellung, Unterlassung und Abgabe einer Erklärung (Streitwert: 25.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 30. Juni 2020, GZ 1 R 53/20s 31, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Schladming vom 3. März 2020, GZ 2 C 41/19m 26, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.647,18 EUR (darin 274,53 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1] Die Mutter der Beklagten als damalige Eigentümerin näher bezeichneter Liegenschaften hatte am 21. 3. 2013 mit dem Kläger als Pächter über die Eigenjagd „*****“ einen Jagdpachtvertrag mit einer Pachtzeit von 1. 4. 2014 bis 31. 3. 2024 abgeschlossen. Aufgrund des Übergabsvertrags vom 28. 5. 2018 ist nunmehr die Beklagte Alleineigentümerin dieser Liegenschaften. Zwischen den Parteien ist strittig, ob und gegebenenfalls wann das Pachtverhältnis, in das die Beklagte als Rechtsnachfolgerin ihrer Mutter eingetreten ist, geendet hat.
[2] Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger 1. die Feststellung, dass der bis 31. 3. 2024 befristete Jagdpachtvertrag nach wie vor aufrecht sei, 2. die Verpflichtung der Beklagten, es bis 31. 3. 2024 zu unterlassen, (beispielhaft genannte) Handlungen vorzunehmen, die die Jagdausübung des Klägers erschweren oder verhindern, und 3. die Verpflichtung der Beklagten, gegenüber der zuständigen Jagdbehörde bestimmte (im Begehren näher beschriebene) Erklärungen abzugeben und bis 31. 3. 2024 gegenüber der Jagdbehörde keine Neubestellungen eines Jagdverwalters und Aufsichtsjägers vorzunehmen.
[3] Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren teilweise statt und sprachen aus, dass der bis 31. 3. 2024 befristete Jagdpachtvertrag bis 30. 6. 2020 aufrecht sei (Spruchpunkt 1.), verpflichteten die Beklagte, es bis 30. 6. 2020 zu unterlassen, (beispielhaft genannte) Handlungen vorzunehmen, die die Jagdausübung des Klägers erschweren oder verhindern (Spruchpunkt 2.), und gegenüber der zuständigen Jagdbehörde bestimmte (im Begehren näher beschriebene) Erklärungen abzugeben und bis 30. 6. 2020 gegenüber der Jagdbehörde keine Neubestellungen eines Jagdverwalters und Aufsichtsjägers vorzunehmen (Spruchpunkt 3.). Die Mehrbegehren betreffend den Zeitraum 1. 7. 2020 bis 31. 3. 2024 wurden – vom Berufungsgericht mit einer Maßgabebestätigung – abgewiesen.
[4] Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zur Frage, ob eine Aufkündigung gemäß § 1120 ABGB „binnen angemessener Frist“ zu erfolgen hat und welche Kriterien für die Angemessenheitsprüfung heranzuziehen sind, zugelassen. Dem schloss sich der Revisionswerber zwecks Begründung der Zulässigkeit seines Rechtsmittels nach § 502 Abs 1 ZPO an. Die Revision sei aber auch deshalb zulässig, weil das Berufungsgericht die Rechtsfrage, ob das Erstgericht mit der Feststellung des aufrechten Bestehens des Jagdpachtvertrags bis 30. 6. 2020 etwas anderes oder weniger zugesprochen habe , als er begehrt habe, abweichend von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung beurteilt habe. Schließlich liege auch zur Frage der Bedingungsfeindlichkeit von gerichtlichen und außergerichtlichen Kündigungserklärungen, die materiell rechtlich trotzdem wirksam seien , keine einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vor.
[5] Dem gegenüber bestritt die Revisionsgegnerin das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage und beantragte die Zurückweisung der Revision des Klägers.
[6] Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Gegen das Urteil des Berufungsgerichts ist die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt. Dies ist hier nicht der Fall. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO):
Rechtliche Beurteilung
[7] 1. Im Parallelverfahren 3 Ob 142/20h standen sich die Parteien in umgekehrten Parteirollen gegenüber. Soweit in der darin am 20. 1. 2021 ergangenen Entscheidung zwar über andere als die hier vorliegenden Klagebegehren entschieden wurde, die vom dortigen Berufungsgericht teilweise nicht in meritorischer, sondern in formeller Hinsicht erledigt wurden, aber auch zu hier relevanten Rechtsfragen Stellung genommen wurde, schließt sich der Senat folgenden Rechtsausführungen an:
[8] 1.1. „ Die in der Rechtsprechung mehrfach unbeantwortet gelassene Frage, ob die Kündigung des Erwerbers der Liegenschaft gemäß § 1120 ABGB grundsätzlich nur binnen angemessener Frist erfolgen darf (vgl 3 Ob 160/17a mwN), bedarf auch im vorliegenden Fall keiner abschließenden Klärung. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, ein Zeitraum von acht Monaten bedeute angesichts des Umstands, dass der Pächter schon etwa drei Monate vor der Kündigung von der Verpächterin mitgeteilt bekommen hatte, dass sie das Pachtverhältnis nicht mehr weiterführen wolle, keine unangemessen verspätete Kündigung, stellt nämlich keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung dar. Schließlich lag in jenen Fällen, in denen das Vorliegen einer angemessenen Frist verneint wurde, zwischen dem Erwerb (erfolgreicher Antrag um Eigentumseinverleibung [RIS Justiz RS0104141]) und der Kündigung mehrere Jahre (zB: 1 Ob 122/02a: ca zehn Jahre; 6 Ob 66/05g: mehr als 20 Jahre; 2 Ob 228/06b: sieben Jahre). “
[9] 1.2. „Für seine Rechtsansicht, die Klägerin habe die Auflösung des Bestandverhältnisses in zulässiger Weise für den Fall, dass es doch noch aufrecht sei, bedingt ausgesprochen, berief sich das Berufungsgericht ua auf die Entscheidung 6 Ob 589/91 (s auch RS0028418 [T1 und T4]). Die zitierte Entscheidung ist – entgegen der Ansicht der Revision – einschlägig, weil sie die materiell rechtliche Wirkung einer vergleichbar bedingten Auflösungserklärung im Bestandrecht betrifft und diese bejaht.“
[10] 2. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs stellt ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 405 ZPO bloß eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens dar (RS0041089). Wird ein Verstoß gegen § 405 ZPO vom Berufungsgericht verneint, kann er daher mit Revision nicht mehr geltend gemacht werden (RS0041117).
[11] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision des Klägers in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RS0035979 [T16]).