8ObA72/20a – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann Prentner und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Johannes Püller (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Beer Steinmair Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei R***** W*****, vertreten durch Dr. Karl Heinz Plankel, Rechtsanwalt in Wien, wegen 18.707,99 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. April 2020, GZ 7 Ra 10/20x 60, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Die Vorinstanzen haben den Anspruch des klagenden Versicherungs- und Finanzdienstleisters auf Rückzahlung von Beträgen, die sie dem Beklagten, einem ihrer ehemaligen selbständigen Geschäftsvermittler, für diverse Geschäftsfälle als Provisionsvorschüsse ausbezahlt hatte, abgewiesen. In seiner außerordentlichen Revision zeigt der Beklagte keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.
Rechtliche Beurteilung
[2] 1. Die Rückforderung bereits entstandener Provisionen durch den Unternehmer ist nach der relativ zwingenden Beweislastregel des § 9 Abs 3 HVertrG dem echten Untervertreter gegenüber nur zulässig, wenn der Unternehmer (Hauptvertreter) nachweist, dass die Nichtausführung des Geschäfts (zB Zahlungsverzug des Kunden; Stornogrund) nicht der Sphäre der Produktgesellschaft zuzurechnen ist (8 ObA 20/11s ua).
[3] 2. Der Revisionswerber beruft sich in seinem Rechtsmittel auf diese Rechtsprechung und die darin festgehaltene Beweislast des rückfordernden Unternehmers und meint, der Klägerin sei der ihr dementsprechend obliegende Beweis nicht gelungen. Diese Auffassung übergeht einerseits, dass es sich bei den strittigen Rückforderungsfällen nach dem Sachverhalt nicht um bereits verdiente Provisionen handelte. Darüber hinaus fände sie, wie bereits das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum dargelegt hat, auch in den getroffenen Tatsachenfeststellungen keine Deckung.
[4] 3. Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt. Auch ob das bisher erstattete Vorbringen so weit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht, beziehungsweise wie weit ein bestimmtes Vorbringen einer Konkretisierung zugänglich ist, ist eine, und zwar im Anlassfall jedenfalls vertretbar gelöste, Frage des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0042828).
[5] 4. Fragen der Beweislast stellen sich nur dann, wenn ein Beweis für die strittige, entscheidungswesentliche Tatsache nicht erbracht werden kann (RS0039875). Welche nicht getroffenen Tatsachenfeststellungen im Anlassfall in diesem Sinn zum Nachteil der Klägerin ausschlagen sollten, stellt die Revision, die sich auf die Wiedergabe abstrakter Rechtssätze beschränkt, nicht dar.
[6] 5. Das Berufungsgericht hat auch im Einklang mit der höchtsgerichtlichen Rechtsprechung die Notwendigkeit von Stornogefahrmitteilungen zur Wahrung des Rückforderungsanspruchs verneint. Der Beklagte setzt sich mit dieser Begründung in seinem Rechtsmittel nicht auseinander, sondern wiederholt nur ein bereits in früheren Entscheidungen (9 ObA 47/15z) ausführlich widerlegtes Vorbringen.