3Ob165/20s – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Präsidentin Hon. Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Roch und Hon. Prof. PD Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Dr. Rainer Wechselberger, Rechtsanwalt in Mayrhofen, wider die beklagte Partei S*****, vertreten durch die Rechtsanwälte Waldbauer Paumgarten Naschberger Partner in Kufstein, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 30. April 2020, GZ 3 R 258/19s 12, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Der Kläger verpflichtete sich in einem prätorischen Vergleich vom 15. September 1999, der beklagten Sparkasse 768.824,20 ATS (= 55.872,63 EUR) zuzüglich 9,75 % Sollzinsen pa und 1,5 % Kreditprovision pa seit 18. April 1996, beides bei vierteljährlicher Kapitalisierung, zu bezahlen sowie die Kosten von 14.240,80 ATS (= 1.034,92 EUR) zu ersetzen; dies beginnend mit Jänner 2000 in monatlichen Raten von 3.500 ATS (= 254,35 EUR) bei Terminverlust ohne weitere Nachfristsetzung für den Fall des Verzugs mit einer Rate um mehr als 14 Tage. Bei vollständiger ratenmäßiger Abdeckung von Kapital und Kosten war ein Verzicht auf die bis zum 31. August 2002 angefallenen Zinsen und Spesen vereinbart. Festgehalten wurde, dass die Beklagte „bereit ist, hinsichtlich der weiteren, nach dem 31. 8. 2002 auflaufenden Zinsen eine einvernehmliche Regelung“ mit dem Kläger zu suchen.
[2] Beide Vorinstanzen gingen zwar davon aus, dass der im Vergleich vereinbarte Terminsverlust eingetreten sei; sie vertraten aber auch im Rahmen einer alternativen Begründung für den Fall, dass kein Terminsverlust eingetreten sein sollte, die Rechtsansicht, der Vergleich sei dahin auszulegen, dass diesfalls die darin enthaltene Verpflichtung des Klägers zur Zahlung von Sollzinsen und Kreditprovision aufrecht bleibe, wenn zwischen den Parteien keine einvernehmliche Regelung zu nach dem 31. August 2002 auflaufenden Zinsen zustande komme. Da eine solche nicht getroffen worden sei, bleibe es bei der ursprünglichen Verpflichtung des Klägers zur Zahlung von Sollzinsen und Kreditprovision. Davon werde ohnehin nur ein Teil betrieben.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die außerordentliche Revision des Klägers zeigt keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO auf und ist deshalb als nicht zulässig zurückzuweisen. Das ist wie folgt kurz zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO):
[4] 1. Die Auslegung eines Vergleichs stellt keine Rechtsfrage dar, deren Entscheidung zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommen würde (RS0113785).
[5] 1.1. Das gilt auch hier, weil die dargestellte Interpretation der Vorinstanzen schon deshalb jedenfalls vertretbar ist, weil die Beklagte für den Fall vollständiger ordnungsgemäßer Einhaltung dieser Zahlungsvereinbarung (unstrittig gemeint: bei vereinbarungsgemäßer Abdeckung des Kapitals und der Kosten in Raten) einerseits einen Verzicht auf die Bezahlung der bis zum 31. August 2002 anfallenden Zinsen und Kreditspesen und darüber hinaus nur ihre Bereitschaft erklärte , „hinsichtlich der weiteren nach dem 31. 8. 2002 auflaufenden Zinsen eine einvernehmliche Regelung mit dem [Kläger] zu suchen “. Ein unmittelbar an die vereinbarungsgemäße Abdeckung des Kapitals und der Kosten in Raten oder an das Scheitern einer einvernehmlichen Neuregelung geknüpftes Erlöschen des verglichenen Anspruchs auf Zinsen nach dem 31. August 2002 sieht der Wortlaut des Vergleichs daher ebensowenig vor wie die Erklärung eines Verzichts der Beklagten in diesen Fällen auch darauf. Dagegen spricht auch die gesonderte Erklärung des Verzichts bis zum 31. August 2002, die erkennen lässt, dass für die Zeit danach eine andere Regelung gelten soll.
[6] 1.2. Vielmehr führt der Eintritt der Bedingung nur zur Verpflichtung der Beklagten, mit dem Kläger in ernsthafte und sachliche Verhandlungen mit dem Ziel des Abschlusses einer für den Kläger – weil es dem Zweck eines sogenannten Prämienvergleichs entspricht – günstigeren Zinsenvereinbarung für die Zeit ab 1. September 2002 zu treten, nicht jedoch zu einer „Abschlusspflicht“ der Beklagten.
[7] 1.3. Der Vorwurf der Revision, die Beklagte habe sich nicht um eine solche einvernehmliche Regelung gekümmert, entfernt sich vom festgestellten Sachverhalt, dem mehrere Angebote der Beklagten zu entnehmen sind. Zuletzt bot sie im Oktober 2018 an, die Sache sei mit einer Einmalzahlung von 33.592,12 EUR erledigt, die sich – entsprechend einer angeschlossenen Aufstellung – bei einem Zinsenverzicht bis 31. August 2002 und Zinsen von 5 % ab 1. September 2002 errechnete, also bei Verrechnung eines um mehr als die Hälfte des titulierten Zinssatzes reduzierten Zinssatzes.
[8] 1.4. Angesichts der damit angebotenen gravierenden Verringerung der Zinsenlast des Klägers ist nicht zu erkennen, dass die Beklagte damit gegen ihre Verpflichtung, eine einvernehmliche Regelung mit dem Kläger zu suchen, verstoßen hätte. Der Kläger hat die Ablehnung dieses Angebots auch nicht damit begründet, es handle sich dabei um einen (aus welchen Gründen immer) nicht ernst zu nehmenden oder unsachlichen Vorschlag, sondern (offensichtlich) mit einer nicht seinem Wortlaut entsprechenden Interpretation des Vergleichs, die zu seinen Lasten geht.
[9] 2. Ist aber die ohnehin nur zum Teil betriebene Zinsenforderung nicht erloschen, sind die vom Kläger gegen den Eintritt des Terminsverlusts vorgetragenen Argumente nicht mehr zu prüfen, weil die Beantwortung bloß abstrakter Rechtsfragen nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs ist (RS0111271 [T2]).
[10] 3. Der erstmals in der Revision erhobene Einwand, die Exekutionsführung erfolge rechtsmissbräuchlich, verstößt (jedenfalls) gegen das Neuerungsverbot und ist deshalb nicht zu behandeln.