JudikaturOGH

28Ds8/19v – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Februar 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 11. Februar 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm als weiteren Richter und durch die Rechtsanwälte Dr. Strauss und Dr. Wippel als Anwaltsrichter in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Nagy in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Diszplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt über die

Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 4. März 2019, GZ D 16/18 14, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Schneider und des Kammeranwalts Dr. Eigenthaler, jedoch in Abwesenheit des Disziplinarbeschuldigten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wegen Schuld wird nicht

Folge gegeben.

Der Berufung wegen Strafe wird dahin

Folge gegeben, dass über den Beschuldigten eine Geldbuße von 1.000 Euro verhängt wird.

Dem Beschuldigten fallen auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Disziplinarbeschuldigte *****, Rechtsanwalt in *****, des Disziplinarvergehens der Berufspflichtenverletzung nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt schuldig erkannt, weil er am 28. März 2018 unter Zuhilfenahme seiner Kanzleimitarbeiter (entgegen § 8 Abs 1 RAO) über das Internetportal FinanzOnline eine Einheitswertabfrage hinsichtlich einer Liegenschaft unter Berufung auf eine tatsächlich nicht erteilte Vollmacht vornahm.

[2] Über den Disziplinarbeschuldigten wurde eine Geldbuße in Höhe von 1.500 Euro verhängt.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die keine Nichtigkeitsgründe ausdrücklich bezeichnende (vgl RIS Justiz RS0128656 [T1]), das Erkenntnis in „vollem Umfang“ anfechtende Berufung des Disziplinarbeschuldigten. Sie verfehlt ihr Ziel.

[4] Sich aus der Missachtung des gesetzlichen Erfordernisses der deutlichen und bestimmten Bezeichnung der den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund bildenden Tatumstände (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO) ergebende Unklarheiten in der Rechtsmittelausführung gehen zu Lasten des Rechtsmittelwerbers (RIS Justiz RS0100183 [T2]).

[5] Entgegen der – der Sache nach erhobenen – Verfahrensrüge (§ 281 Abs 1 Z 4 StPO) hat der Disziplinarrat den Antrag des Disziplinarbeschuldigten auf Beischaffung des – einen anderen Rechtsanwalt (und somit einen anderen Sachverhalt) betreffenden – Disziplinarakts D 13/15 der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich „zum Beweis, dass ein solches Verhalten offenbar vom Disziplinarrat als nicht strafbar angesehen wird“ (ON 12 S 2), ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgewiesen, weil dieser keine für die Schuld- oder Subsumtionsfrage erheblichen Umstände betraf (RIS Justiz RS0118319), sondern – unzulässigerweise (vgl RIS Justiz RS0099342) – eine Rechtsfrage zum Gegenstand hatte. Aus diesen Gründen war auch eine Erörterung des Vorbringens des Disziplinarbeschuldigten betreffend das Verfahren D 13/15 der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich – der Berufung zuwider (der Sache nach Z 5 zweiter Fall) – nicht erforderlich (RIS Justiz RS0116877). Daher erübrigt sich auch ein Eingehen auf die Ausführungen zu diesem Verfahren in der Äußerung des Disziplinarbeschuldigten zur Stellungnahme der Generalprokuratur. Im Übrigen verstößt dieses Vorbringen gegen das spezifische Neuerungsverbot gemäß § 49 zweiter Satz DSt, zumal es keinerlei Angaben zur Erfülllung der Zulässigkeitsvoraussetzungen machte (vgl Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO 10 § 49 DSt Rz 7 mwN).

[6] Der Berufungswerber strebt einen Freispruch aus dem Grunde des § 3 DSt an. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO geltend zu machen, dessen gesetzmäßige Ausführung striktes Festhalten am festgestellten Sachverhalt erfordert (RIS Justiz RS0099810).

[7] Soweit der Berufungswerber daher – mit der Zielrichtung der Darlegung eines geringeren Verschuldensgrades – vorbringt, er habe seiner Mitarbeiterin den Auftrag erteilt, nachzusehen, ob auch bei einverleibtem Veräußerungs- und Belastungsverbot eine Abfrage beim Finanzamt bezüglich des Einheitswerts möglich sei, orientiert er sich prozessordnungswidrig nicht an den Feststellungen im Erkenntnis, denen zufolge er den Auftrag zur Abfrage gab (ES 3 f). Sollte damit – was unklar bleibt – die getroffene Annahme zur Auftragserteilung im Sinne einer Schuldberufung bekämpft werden, lässt die Berufung nicht erkennen, weshalb dieses Vorbringen nicht schon im Verfahren erster Instanz erstattet hätte werden können (§ 49 zweiter Satz DSt).

[8] Mit den Behauptungen (der Sache nach Z 9 lit b), der Disziplinarbeschuldigte habe die Lösung der Frage, ob die Auskunft (über den Einheitswert) auch erteilt werde, wenn auf der Liegenschaft (nur) ein Veräußerungs- und Belastungsverbot zugunsten des Mandanten einverleibt sei, dem „Automatismus der EDV überlassen“, und er habe hier „oberflächlich, also fahrlässig“ gehandelt, entfernt sich der Berufungswerber abermals vom festgestellten Sachverhalt, demzufolge er vorsätzlich seiner Mitarbeiterin den Auftrag zur Abfrage erteilte (ES 4).

[9] Mit dem bloßen Hinweis auf die Einstellung des – nach dem Vorbringen des Berufungswerbers ein gravierenderes Fehlverhalten eines Kollegen betreffenden – Disziplinarverfahrens D 13/15 wird nicht methodisch vertretbar, dh folgerichtig aus dem Gesetz abgeleitet, weshalb der Disziplinarrat aus den vorliegend getroffenen Feststellungen eine falsche rechtliche Konsequenz gezogen hätte (RIS Justiz RS0116565).

[10] Bei doloser (ES 4) Umgehung der Norm des § 8 Abs 1 RAO ist nicht von nur geringfügigem Verschulden auszugehen (RIS Justiz RS0089972, RS0089974 [T4]), sodass eine Anwendung des § 3 DSt ausscheidet, ohne dass darauf eingegangen werden muss, ob die Tatfolgen als unbedeutend anzusehen sind. Der Verweis auf die Entscheidung 20 Os 5/16k ist schon deshalb nicht zielführend, als diesem Disziplinarverfahren lediglich fahrlässiges Verhalten des Beschuldigten zugrunde lag (und § 3 DSt zudem nicht angewandt wurde).

[11] Der Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen Schuld war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung der Verteidigung nicht Folge zu geben.

[12] Mit seiner Strafberufung begehrt der Disziplinarbeschuldigte primär die Verhängung eines schriftlichen Verweises gemäß § 16 Abs 1 Z 1 DSt.

[13] Der Disziplinarrat hat als mildernd die Unbescholtenheit des Disziplinarbeschuldigten und als erschwerend keinen Umstand gewertet.

[14] Das Vorliegen des weiteren Milderungsgrundes eines Geständnisses oder zumindest wesentlichen Beitrags zur Wahrheitsfindung wurde mit der Begründung verneint, dass der Disziplinarbeschuldigte bloß die objektiven Tatsachen zugestanden, aber kein reumütiges Geständnis auch hinsichtlich der subjektiven Tatseite abgegeben habe. Da er jedoch nicht nur die Tatsache der Abfrage ohne entsprechende Bevollmächtigung zugestanden, sondern auch erklärt hat, dass eine derartige Abfrage künftig in seiner Kanzlei nicht mehr vorkommen werde und er seine Mitarbeiter entsprechend instruiert hat, hat er jedoch den Unrechtsgehalt seiner Vorgehensweise soweit zugestanden, dass darin ein reumütiges Geständnis gerade noch erblickt werden kann.

[15] Im Hinblick darauf, dass somit zwei Milderungsgründen keine Erschwerungsgründe gegenüberstehen, war die über den Disziplinarbeschuldigten verhängte Geldbuße unter Berücksichtigung eines vom Disziplinarrat angenommenen (geschätzten) Einkommens von 3.000 Euro bei mangelnden Unterhaltspflichten (ES 5) auf 1.000 Euro herabzusetzen.

[16] Der vom Disziplinarbeschuldigten angestrebten Verhängung bloß eines schriftlichen Verweises gemäß § 16 Abs 1 Z 1 DSt statt einer Geldbuße steht schon entgegen, dass die Berufung auf eine tatsächlich nicht erteilte Vollmacht jedenfalls kein bloß geringfügiges Disziplinarvergehen darstellt, das die begehrte Sanktion rechtfertigen würde (RIS Justiz RS0115711 [T1]).

[17] Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 54 Abs 5 DSt.

Rückverweise