11Os2/21k – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Februar 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Mag. Fürnkranz in der Strafsache gegen Nuno P***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 23. Oktober 2020, GZ 18 Hv 86/20k 102, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019 zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Aussprüchen der Einziehung „sichergestellter Gegenstände mit Suchtgiftanhaftung“ sowie der Konfiskation „von Verpackungsmaterial“ und eines Mobiltelefons aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Klagenfurt verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte des Verbrechens (richtig: Vergehens – die Subsumtion unter Abs 2 Z 3 fehlt schon in der Anklage; vgl Lendl , WK StPO § 260 Rz 32; RIS Justiz RS0116266) des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 3 „zweiter“ Fall SMG (I./), des Vergehens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 3 erster Fall SMG (II./), des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (III./1./) sowie (darüber hinaus) weiterer solcher „Vergehen“ nach § 28a Abs 1 vierter Fall SMG, § 12 zweiter Fall StGB (III./2./ bis III./4./), des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 erster Fall SMG (IV./), mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall, Abs 2 SMG (V./) sowie des Vergehens des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nach § 153c Abs 1, Abs 2 StGB (VI./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde relevant – nachts zum 23. November 2019 in St. A***** Suchtgift, nämlich Kokain in einer die Grenzmenge 32 fach übersteigenden Menge einem verdeckten Ermittler zum Verkauf angeboten, und zwar durch Bestimmung des Wolfgang M ***** zu einem Anbot des Verkaufs von zumindest 1.000 Gramm Kokain zum gestaffelten Grammpreis je nach Qualität von 75 Euro für gestrecktes Kokain und um 100 Euro für ungestrecktes Kokain bei einer Abnahme von mehr als 500 Gramm sowie einer Lieferung binnen weniger Tage (bei einem ausgemittelten Reinheitsgehalt lt chemisch pharmazeutischem Gutachten der ungestreckten Cocainbase von zumindest 48 % somit bei 1.500 [1.000] Gramm insgesamt 720 [480] Gramm Cocainbase).
[3] Ausdrücklich nur dagegen (III./1./) richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Rechtliche Beurteilung
[4] Mit seiner Tatsachenrüge (Z 5a) kritisiert er die erstrichterliche Würdigung der insofern für maßgeblich erachteten Verfahrensresultate (US 13 f: Berichte des als Zeugen vernommenen verdeckten Ermittlers [vgl ON 9 S 53 ff, ON 101 S 5 f], geständige und den Angeklagten insofern belastende Einlassung des M***** [vgl ON 14, ON 91 S 3 ff] unter gleichzeitiger Verwerfung der – die Suchtgiftmenge in Abrede stellenden – Einlassung des Angeklagten [vgl ON 101 S 7 f]) als „falsch“, „aktenwidrig“, „im Widerspruch zu den Beweisergebnissen“ bzw „durch die Aktenlage großteils widerlegt“. Mit ihrer eigenständigen Bewertung eben dieser Verfahrensergebnisse und interpretativen Überlegungen zu einzelnen Passagen der Telefonüberwachung (vgl ON 61 S 193 und 291) vermag die Beschwerde – so sie überhaupt an der Prozessordnung ausgerichtet ist – jedenfalls erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (RIS Justiz RS0118780) nicht zu wecken.
[5] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits nach nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
[6] Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof davon , dass dem Einziehungs- und dem Konfiskationserkenntnis (US 6) jeweils nicht geltend gemachte, dem Angeklagten zum Nachteil gereichende materielle Nichtigkeit anhaftet (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO iVm § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO):
[7] Soweit das Erstgericht (unter anderem) gemäß („§ 34 Abs 1 SMG iVm“) § 26 Abs 1 StGB die Einziehung von „Gegenständen mit Suchtgiftanhaftungen“ anordnete (US 6), lassen die Entscheidungsgründe – schon mangels Beschreibung der davon betroffenen Gegenstände – die erforderliche Tatsachenbasis für die Annahme deren Deliktstauglichkeit nicht erkennen (RIS-Justiz RS0121298; Ratz in WK² StGB § 26 Rz 6); an (grundsätzlich unbedenklichen) Gegenständen anhaftende Suchtgiftspuren können in der Regel ohne Weiteres entfernt werden (vgl RIS Justiz RS0088184 [T5]).
[8] In Ansehung der Konfiskation (§ 19a StGB) wurde zwar festgestellt, dass die davon betroffenen Gegenstände (nämlich eine „Suchtgiftwaage“, „Verpackungsmaterial“ und ein „Mobiltelefon“) im Eigentum des Angeklagten stehen (US 6 und 15); eine Aussage über deren Verwendungszweck (§ 19a Abs 1 StGB) lässt sich dem Urteil aber nur in Ansehung der („Suchtgift“-)Waage, nicht aber hinsichtlich der übrigen Güter entnehmen. Dementsprechend besteht auch keine Feststellungsbasis zur (zumindest intendierten) Verwendung des konfiszierten „Verpackungsmaterials“ sowie des „Mobiltelefons“ zur Begehung einer dem Schuldspruch zugrundeliegenden Straftat (vgl § 19a Abs 1 StGB; Fuchs/Tipold in WK 2 StGB § 19a Rz 12 und 18).
[9] Diesbezüglich war, weil das Konfiskations- und Einziehungserkenntnis nicht mit Berufung bekämpft werden (RIS-Justiz RS0130617, RS0119220 [T9]), wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz iVm § 285e StPO).
[10] Vorerst wird das Oberlandesgericht über die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe zu entscheiden haben (§ 285i StPO).
[11] An die – dem Angeklagten nicht per se zum Nachteil gereichende (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO) – verfehlte rechtliche Unterstellung (Z 10) der von den Schuldsprüchen III./2./ bis III./4./ umfassten Taten als jeweils ein „Vergehen“ des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall SMG (teils als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB) ist es dabei nicht gebunden; richtigerweise wären die betreffenden Taten – angesichts der 25ig fachen Grenzmengenüberschreitung (§ 28 Abs 4 Z 3 SMG) und des festgestellten Additionsvorsatzes (US 8 ff, 12) – mit der vom Schuldspruch III./1./ umfassten Tat zu einer Subsumtionseinheit zusammenzufassen, mit anderen Worten alle diese gleichartigen (§ 28a Abs 1 vierter Fall SMG) Taten einem Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 12 zweiter Fall StGB zu subsumieren gewesen (vgl 13 Os 102/20d [betreffend den abgesondert verfolgten Wolfgang M*****; ON 92]).
[12] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.