JudikaturOGH

5Nc36/20v – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Dezember 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Heinke Skribe Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei T*****, Direktion für Österreich, *****, vertreten durch Stolitzka Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 600 EUR sA, über den Ordinationsantrag der klagenden Partei nach § 28 JN, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag auf Ordination wird abgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Der in Wien wohnhafte Kläger begehrte mit seiner beim Bezirksgericht Schwechat eingebrachten Klage, das beklagte Luftfahrunternehmen aufgrund der Verordnung (EG) Nr 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. 2. 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs und Unterstützungsleistungen für Fluggäste (Fluggastrechte VO ) zur Zahlung eines Ausgleichsanspruchs von 600 EUR zu verpflichten. Die Beklagte ist eine türkische Gesellschaft, deren Adresse der Kläger mit „Direktion für Österreich, 1010 Wien, *****“ angab. Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, in dessen Sprengel sich der Abflugort befunden habe, stützte der Kläger auf § 88 JN und Art 5 Abs 1 EuGVVO.

[2] D er antragsgemäß erlassene Zahlungsbefehl wurde der Beklagten an der angegebenen Adresse in Wien zugestellt. Die Beklagte erhob fristgerecht Einspruch ohne vorerst Unzuständigkeitseinrede zu erheben. Erst mit vorbereitendem Schriftsatz vom 23. 1. 2019 wendete sie die örtliche Unzuständigkeit mit der Begründung ein, sie habe ihren Sitz in der Türkei. Eine ausdrückliche und urkundlich nachweisbare Vereinbarung des Erfüllungsorts liege nicht vor.

[3] Das Bezirksgericht Schwechat wies die Klage zurück. Die Beklagte habe ihren Sitz in der Türkei, der Sachverhalt falle daher nicht in den Anwendungsbereich der EuGVVO. Eine ausdrückliche und urkundlich nachweisbare Vereinbarung eines Erfüllungsorts sei nicht behauptet worden, die bloße Berufung auf den Abflugort sei nicht ausreichend.

[4] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge und sprach aus, dass der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei. Die Klagezurückweisung ist rechtskräftig.

[5] Hilfsweise zu seinem Rekursantrag stellt der Kläger den an den Obersten Gerichtshof gerichteten Antrag, „eine Ordination des Rechtsstreits an das Bezirksgericht für Handelssachen Wien gemäß § 28 JN vorzunehmen“. Die unionsrechtlich gebotene Umsetzung der FluggastrechteVO erfordere einen Gerichtsstand in der Union. Eine Klageführung in der Türkei erscheine mangels Anwendbarkeit der FluggastrechteVO vor türkischen Gerichten aussichtslos, die nur die Verordnung über Fluggastrechte des türkischen Generaldirektorrats für Zivilluftfahrt („SHY Verordnung“) anwenden, deren Auslegung nicht der Rechtsprechung des EuGH unterliege und die nur im Fall der Überbuchung, nicht aber für andere Fälle der Beförderungsverweigerung eine Ausgleichszahlung gewähre.

Rechtliche Beurteilung

[6] Der Antrag ist nicht berechtigt.

[7] 1. Die Ordination nach § 28 JN hat zu unterbleiben, wenn ohnehin ein Gerichtsstand im Inland besteht, was der Oberste Gerichtshof anhand der Angaben im Ordinationsantrag zu prüfen hat (RIS Justiz RS0117256, RS0114391). Ergeben sich aus dem Vorbringen des Antragstellers Anhaltspunkte für das Vorliegen des Gerichtsstands, ist die beantragte Ordination entbehrlich und der Antrag daher abzuweisen (2 Nc 33/19d; 3 Nc 18/19f; je betreffend die auch hier Beklagte; RS0102084; Garber in Fasching/Konecny ³ § 28 JN Rz 13).

[8] 2. Gemäß § 99 Abs 3 JN können ausländische Anstalten, Vermögensmassen, Gesellschaften, Genossenschaften und andere Personenvereine bei dem inländischen Gericht geklagt werden, in dessen Sprengel sich ihre ständige Vertretung für das Inland oder ein mit der Besorgung der Geschäfte solcher Anstalten und Gesellschaften betrautes Organ befindet. Der Gerichtsstand der inländischen Vertretung ausländischer juristischer Personen, die keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland haben, besteht unabhängig vom Umfang der inländischen Vertretung; unmaßgeblich ist auch, ob die Vertretungsmacht ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten eingeräumt wurde (RS0057113; Simotta in Fasching/Konecny ³ § 99 JN Rz 84; 2 Nc 33/19d; 3 Nc 18/19f).

[9] 3. Da der Kläger selbst die beklagte Aktiengesellschaft mit dem Beisatz „Direktion für Österreich“ und einer Anschrift in Wien bezeichnet, liegen ausreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beklagte als international tätige Fluggesellschaft an der angegebenen Anschrift in Wien ein Geschäftslokal betreibt, das als ständige Vertretung in Österreich fungiert, wo auch Zustellungen für die Beklagte möglich sind und – wie der Akt auch zeigt – auch problemlos angenommen werden.

[10] 4. Nach der Aktenlage ist somit das Bestehen eines Gerichtsstands im Inland anzunehmen, der Ordinationsantrag daher abzuweisen.

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