8ObA43/20m – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Robert Hauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei D***** B*****, vertreten durch Gerlach Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei A***** AG, *****, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen 568.166,48 EUR sA (Revisionsinteresse 519.648 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Jänner 2020, GZ 8 Ra 40/19i 55, mit dem das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 11. Dezember 2018, GZ 2 Cga 63/15w 49, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass es einschließlich des bereits in Rechtskraft erwachsenen Teils insgesamt lautet:
„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 258.355,48 EUR brutto samt 4 % Zinsen aus 406.177,48 EUR brutto vom 1. 7. 2012 bis 23. 2. 2018 und 4 % Zinsen aus 258.355,48 EUR seit 24. 2. 2018 binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Das auf Zahlung weiterer 309.811 EUR brutto samt Anhang und weiterer 4,85 % Zinsen gerichtete Mehrbegehren wird abgewiesen.
Die Kostenentscheidung einschließlich der Kosten des Rechtsmittelverfahrens bleibt der Rechtskraft der Endentscheidung vorbehalten.“
Text
Entscheidungsgründe:
[1] Der Kläger ist Flugkapitän und war seit 16. 10. 1991 bei der Beklagten beschäftigt. Bis 30. 6. 2012 unterlag sein Dienstverhältnis dem Kollektivvertrag für das Bordpersonal der A***** und L***** (OS KV Bord 2008) sowie dem Zusatzkollektivvertrag 2 (KV-Alt).
[2] Gemäß Punkt 10 (63) KV-Alt gebührte dem Kläger eine leistungsorientierte Firmenpension im Ausmaß von 60 % der Bemessungsgrundlage.
[3] Der Kläger wurde mit Schreiben vom 1. 5. 2012 vom zum 1. 7. 2012 bevorstehenden Betriebsübergang zur T***** GmbH und den damit verbundenen Änderungen informiert, insbesondere darüber, dass die Übernehmerin gemäß § 5 Abs 1 AVRAG die leistungsorientierten Pensionskassenzusagen laut OS KV Bord 2008 nicht übernehmen wird, sondern sich die Pensionszusagen ab dem Übergangsstichtag nach der Pensionskassen-Betriebsvereinbarung der Nachfolgerin richten. Auf die festgestellten üblichen Berechnungsgrundlagen wird im Folgenden noch eingegangen.
[4] Das Klagebegehren ist auf Zahlung eines Abfindungsbetrags nach § 5 Abs 2 AVRAG gerichtet. Im Revisionsverfahren besteht unter den Parteien Konsens darüber, dass die Berechnung dieses Anspruchs nach versicherungsmathematischen Grundsätzen im Teilwertverfahren zu erfolgen hat. Strittig ist, welche Rechnungsparameter zugrundezulegen sind.
[5] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im zweiten Rechtsgang teilweise statt und sprach dem Kläger unter Abweisung des Mehrbegehrens 258.355,48 EUR brutto samt Anhang zu. Rechtlich ging es davon aus, dass für die Berechnung der Abfindung von einer Bemessungsgrundlage in Höhe des Gehalts auszugehen sei, das der Kläger unter Einbeziehung künftiger Biennalsprünge zum frühestmöglichen gesetzlichen Pensionsalter (Korridorpension) erreicht hätte.
[6] Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel des Klägers nicht Folge.
[7] In teilweiser Stattgebung der Berufung der Beklagten änderte es die erstgerichtliche Entscheidung dahin ab, dass es dem Kläger unter Abweisung des Mehrbegehrens und des 4 % übersteigenden Zinsenbegehrens nur 48.518,48 EUR brutto samt Anhang zusprach.
[8] Rechtlich vertrat das Berufungsgericht die Ansicht, dass die Berechnung der Abfindung unter der Fiktion einer Beendigung des Dienstverhältnisses im Zeitpunkt des Betriebsübergangs zu erfolgen habe. Die Pensionszusage des Klägers beziehe sich auf das zum Zeitpunkt der Beendigung gebührende letzte Bruttomonatsgehalt. Künftige Biennalsprünge seien daher in die Teilwertberechnung nicht einzubeziehen. Die auf den Betriebspensionsanspruch anzurechnende ASVG-Pension sei ebenfalls nach der zum Stichtag des Betriebsübergangs geltenden Rechtslage, ohne Berücksichtigung nachfolgender Änderungen, einzubeziehen. Aus der Betriebspensionszusage ergebe sich die Verpflichtung des Dienstnehmers zur Inanspruchnahme einer vorzeitigen Alterspension, weshalb vom erstmöglichen Antritt der nach der zum Stichtag geltenden Rechtslage möglichen Korridorpension Kläger einer Alterspension auszugehen sei. Unter diesen Prämissen ergebe sich nach den im Klagebegehren berücksichtigten Abzügen des Unverfallbarkeitsbetrags der Pensionskasse und einer von der Beklagten bereits geleisteten Zahlung der zuerkannte Betrag.
[9] Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Berechnung der Pensionsabfindung nach § 5 Abs 2 AVRAG keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.
[10] Die von der Beklagten beantwortete Revision des Klägers ist aus den vom Berufungsgericht dargelegten Gründen zulässig. Sie ist teilweise auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[11] 1. Die Beklagte war (vgl auch Drs Glosse zu 8 ObA 73/16t DRdA 2018/29) nach Punkt 10 (63) OS KV 2011 alt zu folgenden Leistungen, finanziert über eine Pensionskasse, verpflichtet:
„Endet das Dienstverhältnis eines Angestellten
a) wenn er zumindest das 15. Dienstjahr als Pilot bei A***** und das 56,5. Lebensjahr vollendet hat, infolge Kündigung durch den Arbeitgeber oder
b) wenn er zumindest das 15. Dienstjahr als Pilot bei A***** und das 55. Lebensjahr vollendet hat, durch Auflösung wegen unverschuldeten Lizenzverlustes oder
c) wenn er zumindest das 15. Dienstjahr als Pilot bei A***** und das 55. Lebensjahr vollendet hat, durch einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses,
so gebührt dem Angestellten nach Ablauf des gesetzlichen Abfertigungszeitraums (§ 23 Abs 1 AngG) eine lebenslange Firmenpension nach Maßgabe folgender Bestimmungen:
Bemessungsgrundlage der Firmenpension ist das letzte Bruttomonatsgehalt des Angestellten gemäß seiner Einstufung zur Zeit der Beendigung des Dienstverhältnisses. (...).
Der vorläufige Pensionsbetrag beläuft sich auf 60 % der Bemessungsgrundlage.
Der Pensionsbetrag unterliegt ab dem auf den Pensionsanfall folgenden Kalenderjahr der laufenden Wertsicherung in Höhe der Veränderung des Verbraucherpreisindex 1966 für November gegenüber dem Novemberindex des Vorjahres.
Ab dem Zeitpunkt, ab welchem dem Firmenpensionsempfänger ein Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Pensionsversicherung zusteht, wird dieser Anspruch in seiner vollen jeweiligen Höhe unter Ausschluss jener Teilbeträge, die auf einer allfälligen freiwilligen Höherversicherung beruhen, vom vorläufigen Pensionsbetrag abgezogen.
Piloten, auf die vorstehende Bestimmungen anwendbar sind und die die ASVG-Anspruchsvoraussetzungen für eine vorzeitige Alterspension nicht erfüllen, sind auf Verlangen des Arbeitgebers verpflichtet, unverzüglich nach Ausscheiden die freiwillige Weiterversicherung auf Basis der Höchstbeitragsgrundlage zu beantragen. Verlangt der Arbeitgeber die Weiterversicherung nicht, ist der diesbezügliche Antrag zu unterlassen.
Über Verlangen des Arbeitgebers besteht die Verpflichtung zur Antragstellung auf vorzeitige Alterspension.“
[12] 2. Rechtsgrundlage für den vorliegenden Abfindungsanspruch ist § 5 Abs 2 AVRAG, welcher (auszugsweise) lautet:
„Hat der Betriebsübergang den Wegfall der betrieblichen Pensionszusage zur Folge und hat der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses (...) nicht widersprochen, so endet mit dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs der Erwerb neuer Pensionsanwartschaften. Der Arbeitnehmer hat gegen den Veräußerer Anspruch auf Abfindung der bisher erworbenen Anwartschaften als Unverfallbarkeitsbetrag im Sinne des Betriebspensionsgesetzes (...). Bei beitragsorientierten Zusagen richtet sich dieser Betrag nach dem BPG, bei direkten Leistungszusagen, leistungsorientierten Pensionskassenzusagen (...) nach dem Teilwertverfahren und den bei der Bildung der Rückstellung anzuwendenden versicherungsmathematischen Grundsätzen. Für die Berechnung ist einerseits das Alter zum Zeitpunkt der Erteilung der Zusage, andererseits das Anfallsalter heranzuziehen. Der Rechnungszinssatz beträgt grundsätzlich 7 %. Bei Pensionszusagen, die eine rechtsverbindliche Valorisierung vorsehen, ist jedoch der Barwert der künftigen Pensionsleistungen unter Zugrundelegung eines Rechnungszinssatzes von 3 % zu berechnen. Im Fall einer leistungsorientierten Pensionszusage (...) wird von dem so errechneten Betrag der sich nach den Rechnungsvorschriften der Pensionskasse (...) ergebende Unverfallbarkeitsbetrag nach dem BPG abgezogen.“
[13] Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zu § 5 AVRAG (1077 BlgNr 18. GP 13) umfassen die bei der Bildung des Teilwerts anzuwendenden versicherungsmathematischen Grundsätze in Bezug auf das Anfallsalter jenes Alter „ab dem eine Alterspension bzw eine vorzeitige Alterspension bezogen werden kann. Grundsätzlich ist vom entsprechenden Alter nach dem ASVG auszugehen. Bei Pensionszusagen, die vom ASVG abweichende Altersgrenzen vorsehen, müssen diese bei der Berechnung verwendet werden, sofern deren Inanspruchnahme betriebsüblich ist. (...) Bei gehaltsabhängigen Zusagen ist das Gehalt im Zeitpunkt des Betriebsübergangs den Berechnungen zu Grunde zu legen. Bei der Berechnung der Höhe des Anspruchs auf Abfindung der bis zum Betriebsübergang erworbenen Anwartschaften ist in Analogie zur Berechnung des Unverfallbarkeitsbetrags gemäß Betriebspensionsgesetz nur das Risiko des Alters und des Todes zu berücksichtigen.“
[14] 3. Der Kläger wendet sich unter Berufung auf das im Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass kollektivvertragliche Biennalsprünge, die er als Dienstnehmer der Beklagten erst nach dem Stichtag des Betriebsübergangs erreichen hätte können, nicht bei der versicherungsmathematischen Berechnung des Abfindungsbetrags zu berücksichtigen seien.
[15] Das Teilwertverfahren sei ein Ansammlungsverfahren für die Bildung der Rückstellung, bei dem durch jährliche gleich hohe Zuführungsraten der Zielwert erreicht werden solle. Jene Gehaltserhöhungen, mit denen nach dem gewöhnlichen Karriereverlauf zu rechnen sei, müssten daher von Beginn an einbezogen werden. Die damit durch das Teilwertverfahren bewirkte Besserstellung der Arbeitnehmer gegenüber der Berechnung des Unverfallbarkeitsbetrags nach BPG sei sachlich gerechtfertigt, weil dem Erwerber und Veräußerer im Falle eines Betriebsübergangs der Ausstieg aus einer bestehenden Betriebspensionszusage nicht zu leicht gemacht werden sollte.
[16] Das Berufungsgericht hat die fiktive künftige Gehaltssentwicklung des Klägers mit der rechtlichen Begründung nicht berücksichtigt, dass nach der Pensionszusage die Einstufung zur Zeit der Beendigung des Dienstverhältnisses als Bemessungsgrundlage für die Firmenpension heranzuziehen sei. Nach § 5 Abs 2 1. Satz AVRAG sei der Betriebsübergang als Ende des Dienstverhältnisses anzusehen. Die Höhe der Firmenpension, die sich auf Grundlage des fiktiven Letztgehalts des Klägers bei Erreichen des Pensionsalters im Dienst der Beklagten ergeben hätte, übersteige außerdem 60 % des tatsächlichen Letztgehalts bei Betriebsübergang, sodass ein auf dieser Basis ermittelter Teilwert nicht mehr der Pensionszusage entspräche. Als Bemessungsgrundlage sei daher nur das zum Betriebsübergangsstichtag maßgebliche Gehalt heranzuziehen, weil weitere Anwartschaften endgültig nicht mehr erworben werden könnten.
[17] 4. Dazu ist Folgendes zu erwägen:
[18] 4.1. Das „Teilwertverfahren“ iSd § 5 Abs 2 AVRAG gehört versicherungsmathematisch zu den Gleichverteilungsverfahren, die die Kosten für die Versorgungszusage auf der Basis der bereits geleisteten und noch zu leistender Dienstjahre bestimmen. Gleichverteilungsverfahren abstrahieren vom Leistungsplan und ermitteln einen konstanten, periodeneinheitlichen Kostensatz. Ausgehend von den zugesagten Leistungen und unabhängig davon, ob diese sich den einzelnen Dienstjahren zuordnen lassen, wird der Versorgungsaufwand gleichmäßig über die aktive Dienstzeit des Arbeitnehmers verteilt (vgl auch Gutachten ON 28 S 12). Das Gesetz selbst legt für die Berechnung des Abfindungsanspruchs bei leistungsorientierten Zusagen nur einigen Parameter fest – Alter im Zeitpunkt der Erteilung der Zusage, Anfallsalter, einen je nach Bestehen eines Anspruchs auf Valorisierung differenzierenden Rechnungszinssatz. Im Übrigen verweist es aber auf die allgemeinen nach dem Teilwertverfahren und bei der Bildung von Rückstellungen anzuwendenden versicherungsmathematischen Grundsätze.
[19] Der versicherungsmathematische Teilwert zu einem gegebenen versicherungstechnischen Alter ist definiert als Differenz zwischen dem Barwert der erwarteten künftigen Pensionsleistungen und dem Barwert der (fiktiven, ersparten) künftigen Prämien (vgl auch Gutachten ON 28, S 12).
[20] 4.2. Die Rückstellung für Pensionszusagen sind steuerrechtlich nach § 14 Abs 6 EStG, unternehmensrechtlich nach §§ 198 Abs 8 Z 4, 211 UGB zu bilden.
[21] Unternehmensrechtlich ist das Teilwertverfahren, bei dem bereits feststehende künftige Erhöhungen der Bemessunsgrundlage wie die Biennalsprünge auf die Dauer des Dienstverhältnisses aufgeteilt werden, als allgemein üblich zu betrachten ( Leitner/Urnik/Urtz in Straube/Ratka/Rauter UGB II RLG 3 § 211 Rz 33 mwN; Jankovic/Steiner in Jabornegg/Artmann UGB 2 2 § 211 Rz 21 f mwN, Perthold , wbl 1987, 238).
[22] Das entspricht der versicherungsmathematischen Praxis, wonach bei Rückstellungsberechnungen kollektivvertragliche Vorrückungen in der Regel berücksichtigt werden (ON 28, S 14). Grund dafür ist, dass damit eine gleichmäßige Prämienverteilung über die gesamte Periode der aktiven Dienstzeit erreicht werden kann. So zeigt sich auch dass bei der ohne Berücksichtigung von noch nicht einschätzbaren Gehaltserhöhungen erfolgten Teilwertberechnung leistungsabhängiger Penionszusagen diese Erhöhungen erst dann für die Rückstellung wirksam werden, wenn der Dienstnehmer die Gehaltserhöhung erreicht (insoweit vergleichbar mit dem sogenannten Gegenwartsverfahren). Dann aber ist, um den gestiegenen Leistungsanspruch wieder gleichmäßig auf die Dienstzeit verteilen zu können, ein Aufstockungsbetrag erforderlich, der die in der Vergangenheit entstandene relative Unterdeckung ausgleichen muss. Bei einer schematischen Darstellung kommt es dann zu einem stufenförmigen Verlauf der Rückstellungskurve ( Leitner/Urnik/Urtz in Straube/Ratka/Rauter , UGB II/RLG 3 § 211 Rz 34; Berufungsurteil S 23).
[23] 4.3. Immer soll mit der Berechnung der auf Basis des Letztgehalts berechnete Barwert des Pensionsanspruchs – je nach versicherungsmathematischer Einschätzung – erreicht werden. Ohne Einrechnung künftiger – nicht feststehender – Gehaltserhöhungen ist der Rückstellungsaufwand anfangs niedriger .
[24] Die sich wegen der Beendigung des Anwartschaftserwerbs ab Betriebsübergangsstichtag ergebende Aliquotierung des Barwerts der Pensionszusage ergibt sich aus der Formel der Teilwertberechnung und nicht aus dem Ansatz einer niedrigeren Bemessungsgrundlage. Die vom Berufungsgericht als Alternativargument herangezogene Berechnung einer fiktiven Pension auf Basis des Letztgehalts zum Betriebsübergangsstichtag ist nach dieser Formel nicht zielführend.
[25] 4.4. Steuerrechtlich sind Veränderungen der Pensionszusage, darunter Änderungen der Pensionsbemessungsgrundlage und Indexanpassungen, als neue Zusagen zu behandeln (§ 14 Abs 6 Z 2 EStG). Der steuerrechtlichen Rückstellung ist im jeweiligen Wirtschaftsjahr soviel zuzuführen, als bei Verteilung des Gesamtaufwands auf die Zeit zwischen Pensionszusage und dem vorgesehenen Zeitpunkt der Beendigung der aktiven Arbeits- oder Werkleistung auf das einzelne Wirtschaftsjahr entfällt. Soweit durch ordnungsmäßige Zuweisungen an die Pensionsrückstellung das zulässige Ausmaß der Rückstellung nicht erreicht wird, ist in dem Wirtschaftsjahr, in dem der Pensionsfall eintritt, eine erhöhte Zuweisung (Aufstockung) vorzunehmen (§ 14 Abs 6 Z 4 EStG).
[26] Ergibt sich aber eine Verpflichtung zu einer künftig erhöhten Pensionsleistung bereits am Bilanzstichtag, dann ist dies auch im Steuerrecht bei der Rückstellung bereits zu berücksichtigen. Dies gilt auch dann, wenn der zukünftige Pensionsanspruch aufgrund eines feststehenden Vorrückungsschemas, zB nach dem Kollektivvertrag, bereits am Bilanzstichtag feststeht; nur die Berücksichtigung künftiger „Karrieresprünge“ ist steuerrechtlich untersagt ( Doralt in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn , EStG 21 § 14 Rz 52 mwN; Mühlehner in Hofstätter/Reichel , Die Einmkommenssteuer – Kommentar 58. Lfg § 14 Rz 18.3 ff; Leitner/Urnik/Urtz aaO, UGB II/RLG 3 § 211 Rz 33).
[27] 4.5. In diesem Sinn sind auch die Materialien zu § 5 AVRAG (ErlRV 1077 BlgNR 18. GP, 13) zu interpretieren, wenn sie ohne weitere Erklärung ausführen, dass bei gehaltsabhängigen Pensionszusagen das Gehalt im Zeitpunkt des Betriebsübergangs den Berechnungen des Teilwerts zugrunde zu legen sei. Da das Dienstverhältnis mit dem Betriebsübergang endet, sind künftige pensionswirksame Karriereschritte und Gehaltsentwicklungen nicht zu prognostizieren. Sie sind aber insoweit einzubeziehen, als sie ausgehend von der Einstufung zum Betriebsübergangsstichtag bereits unabhängig von einem weiteren Willensentschluss des Dienstgebers fest stehen. Dies entspricht einem nach versicherungsmathematischen Grundsätzen errechneter Rentenbarwert und davon abgeleiteter Teilwert.
[28] Für dieses Verständnis des Gesetzgebers vom „Teilwert“ spricht im Übrigen auch, dass etwa nach § 5 Abs 1a BPG bzw § 7 Abs 2a BPG für die Berechnung des „Teilwerts“ ausdrücklich nur Veränderungen des Entgelts bis zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses heranzuziehen sind, während § 5 Abs 2 AVRAG ausdrücklich auf die allgemeinen versicherungsmathematischen Grundsätze abstellt und eine solche Einschränkung nicht kennt. Es entspricht auch dem Willen des historischen Gesetzgebers zwar bei konkreten „leistungs“orientierten Zusagen (60 % des Letztbezugs) etwa bei vom Arbeitgeber vorgenommenen Betriebsverkäufen zwar eine Beendigung der Zusage zu ermöglichen, aber unabhängig vom „versicherungsmathematischen Berechnungsmodell“ und der Finanzierungsart die Höhe des Anspruchs „nur von dem zugrundeliegenden Pensionsstatut( zusage)“ abhängig zu machen (1077 B lgNr 18. GP 13), hier also den alten Regelungen des KV. Dass mit diesem „Teilwert“ auch zukünftige feststehende kollektivvertragliche Entgelterhöhungen mit einfließen, ist der unternehmerischen Entscheidung zugrunde zu legen. Dass Abschläge für die Wahrscheinlichkeit des Ausscheidens ohne Anspruchsberechtigung (vgl Mazal Zum Unverfallbarkeitsbetrag bei Wegfall der Pensionszusage ecolex 2000, 371) erforderlich und nicht vorgenommen worden wären, releviert die Beklagte gar nicht.
[29] 5. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass bei der Berechnung der strittigen Pensionsabfindung von einer auf versicherungsmathematischen Grundsätzen beruhenden Bildung der Pensionsrücklage nach dem Teilwertverfahren unter Berücksichtigung fest stehender kollektivvertraglicher Zeitvorrückungen auszugehen ist (idS schon Mazal , Zum Unverfallbarkeitsbetrag bei Wegfall der Pensionszusage, ecolex 2000, 371). Dies führt im Anlassfall zu der vom Erstgericht zuerkannten Abfindung („Variante 4 KB ASVG Option b).
[30] 6. Die Revision vertritt ferner den Standpunkt, dass die Berechnung der Abfindung unter Berücksichtigung eines nach dem Kollektivvertrag vorgezogenen Firmenpensionsalters von 55 bzw 56,5 Jahren bei Dienstgeberkündigung, einvernehmlicher Auflösung oder unverschuldetem Lizenzverlust, zu erfolgen habe. Es sei im Betrieb der Beklagten für Piloten wegen der berufsbedingt großen physischen und psychischen Belastung üblich, ihr Karriereende zwischen dem 55. und 60. Lebensjahr zu planen. Diesem Umstand hätten die Kollektivvertragsparteien mit der Möglichkeit des vorgelagerten Ruhestands Rechnung getragen. Bei dieser Variante der vorzeitigen Firmenpension handle es sich entgegen der im ersten Rechtsgang in der Entscheidung 8 ObA 73/16t obiter dictum vertretenen Ansicht auch nicht um eine zwingend auf den Betriebserwerber übergehende Administrativpensionsleistung, sie falle unter den Ausnahmetatbestand des Art 3 Abs 4 der BetriebsübergangsRL 2001/23/EG.
[31] Dem ist jedenfalls entgegenzuhalten, dass auch der Oberste Gerichtshof an seine in derselben Rechtssache in einem früheren Aufhebungsbeschluss ausgesprochene Rechtsansicht gebunden ist (RS0007010). Hier hat der erkennende Senat in dieser Rechtssache bereits zu 8 ObA 73/16t bindend ausgesprochen, dass das Risiko eines Anspruchs auf „Vorpension“ vor dem allgemeinen Alterspensionssystem (Korridorpension), also für den Zeitraum bis diese erreicht wird, auf den Erwerber übergeht und insoweit nicht der Abfindung zugrundezulegen ist.
[32] Auch kommt es auf die Überlegungen der Revision im Ergebnis hier gar nicht an. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, wie groß in der Vergangenheit der Anteil jener Piloten war, die vor dem Erreichen des für den Kläger zum Betriebsübergangsstichtag geltenden frühestmöglichen gesetzlichen Korridorpensionsalters (62 Jahre) ihr Dienstverhältnis zur Beklagten aus einem der genannten Gründe beendet haben. Ein früherer Pensionsantritt ist überdies nur mit Willen der Beklagten (Dienstgeberkündigung oder einvernehmliche Auflösung) oder bei unverschuldeter Dienstunfähigkeit des Piloten wegen Lizenzverlusts möglich. Ein „Planen“ des Karriereendes durch den Dienstnehmer ab dem 55. Lebensjahr, wie die Revision argumentiert, ist in den Regelungen der Pensionszusage nicht vorgesehen.
[33] Für die Annahme einer auf regelmäßige und unwiderrufliche betriebliche Übung gegründeten vorzeitigen Pensionierung des Klägers, die nach den Materialien (1077 BlgNr 18. GP 13) bei der Berechnung des Teilwerts zu berücksichtigen wäre, bietet der Sachverhalt keine Grundlage.
[34] 7. Der Revision des Klägers war daher teilweise Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichts in der Hauptsache wiederherzustellen.
[35] Die Abweisung des 4 % pa übersteigenden Zinsenbegehrens durch das Berufungsgericht ist im Revisionsverfahren unangefochten geblieben.
[36] 8. Der Ausspruch des Erstgerichts über den Kostenvorbehalt bindet auch die Rechtsmittelgerichte (§ 2 ASGG, § 52 Abs 3 ZPO).