5Ob200/20b – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*****, vertreten durch Prutsch Partner Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei K*****, vertreten durch Kuhn Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 45.066,93 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 16. September 2020, GZ 12 R 121/19f 89, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Frage, ob den Ärzten des Beklagten ein Kunstfehler und/oder Aufklärungsmangel anlässlich der Behandlung der Mutter des Klägers vorzuwerfen ist, der deren Tod im Krankenhaus des Beklagten am 27. 1. 2016 verursachte.
[2] Das Erstgericht wies das Schadenersatzbegehren des Klägers ab.
[3] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und ließ die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zu.
[4] Die außerordentliche Revision des Klägers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.
Rechtliche Beurteilung
[5] 1.1 Der Kläger behauptet, die Vorinstanzen hätten „einschlägige Judikatur des Obersten Gerichtshofs“ unberücksichtigt gelassen, ohne auch nur eine höchstgerichtliche Entscheidung zu zitieren, von der das Berufungsgericht angeblich abgewichen sein soll. Mangels gesetzesgemäßer Ausführung der Zulassungsbeschwerde ist darauf nicht näher einzugehen (RIS Justiz RS0042779).
[6] 1.2 Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts soll im Übrigen deshalb verfehlt sein, weil es in der Abweisung des Beweisantrags auf Bestellung eines weiteren medizinischen Sachverständigen aus dem Fachbereich Innerer Medizin und Chirurgie keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erblickte.
[7] 2.1 Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens, der in der Berufung zwar geltend gemacht, vom Berufungsgericht aber verneint wurde, in der Revision nicht mehr mit Erfolg gerügt werden (RS0042963). Dieser Grundsatz kann auch nicht durch die Behauptung umgangen werden, das Berufungsverfahren sei – weil das Berufungsgericht der Mängelrüge nicht gefolgt sei – mangelhaft geblieben (RS0042963 [T58]). Nur wenn das Berufungsgericht infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen oder sie mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen hätte, könnte ein Mangel des Berufungsverfahrens selbst vorliegen (RS0040597 [T3, T4]; RS0043086).
[8] 2.2 Auch die Beweiswürdigung und die Beurteilung, ob ein Gutachten schlüssig ist, sind nicht revisibel (RS0043371 [T15]). Die Frage der Vollständigkeit und Schlüssigkeit eines Sachverständigengutachtens und die allfällige Notwendigkeit einer Ergänzung (oder eines Vorgehens nach § 362 Abs 2 ZPO) fällt in den Bereich der vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbaren Beweiswürdigung (RS0113643). Dies gilt auch für die Frage, ob die eingeholten Sachverständigengutachten erschöpfend sind oder noch weitere Fragen an die Sachverständigen zu stellen gewesen wären (RS0043163). Mangelhaft könnte das Berufungsverfahren nur dann sein, wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisfrage überhaupt nicht oder so mangelhaft befasst, dass keine nachvollziehbaren Überlegungen über die Beweiswürdigung angestellt und im Urteil festgehalten werden (RS0043371 [T13]).
[9] 3. Hier hat sich das Berufungsgericht ausführlich mit der Mängel und Beweisrüge des Klägers auseinandergesetzt und die Auffassung vertreten, zuvor allenfalls gegebene Widersprüche zwischen einzelnen Gutachten seien durch das im zweiten Rechtsgang eingeholte medizinische Sachverständigengutachten ausreichend aufgeklärt. Ein Vorgehen nach § 362 Abs 2 ZPO erachtete es für nicht notwendig. Die vom Kläger bekämpften Feststellungen übernahm es, wobei es sich mit seinen Argumenten in der Beweisrüge auseinandersetzte. Letztlich folgte es – wie schon das Erstgericht – dem im zweiten Rechtsgang eingeholten Gutachten des Sachverständigen Dr. Hollinsky, das überzeugend sei und alle Widersprüche aufklären habe können. Damit hat das Berufungsgericht Mängel des Verfahrens erster Instanz auf aktenmäßiger Grundlage verneint, sodass ein Mangel des Berufungsverfahrens selbst nicht vorliegt (§ 510 Abs 3 ZPO). Seine übrigen Argumente betreffen den Tatsachenbereich, der nicht erfolgreich mittels Revision an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden kann.
[10] 4. Als weitere erhebliche Rechtsfrage macht der Kläger geltend, eine Korrektur des Berufungsurteils sei aus Gründen der Wahrung der Einzelfallgerechtigkeit notwendig, ohne dies rechtlich näher zu begründen. Darauf ist daher nicht weiter einzugehen (vgl RS0043654).
[11] 5. Die außerordentliche Revision war somit zurückzuweisen, ohne dass dieser Beschluss einer weiteren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).