2Ob197/20i – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. E***** S*****, 2. M***** S*****, vertreten durch Mag. Dr. Hannes Hausbauer, Rechtsanwalt in Gleisdorf, gegen die beklagte Partei S*****, vertreten durch Schlösser Partner Rechtsanwälte OG in Graz, wegen 1. (erstklagende Partei) 10.000 EUR sA; 2. (zweitklagende Partei) 15.000 EUR sA; 3. (beide klagenden Parteien) 11.404,66 EUR sA, über die „außerordentliche Revision“ der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 6. August 2020, GZ 2 R 94/20s 27, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 30. April 2020, GZ 14 Cg 34/19v 21, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
[1] Der gemeinsame Sohn der Kläger wurde als Lenker eines Motorrads bei einem Verkehrsunfall getötet. Der Lenker eines am Unfall beteiligten Pkw wurde wegen fahrlässiger Tötung des Sohnes der Kläger strafgerichtlich rechtskräftig verurteilt. Die Beklagte ist Haftpflichtversicherer dieses Pkw.
[2] Die Kläger begehren insgesamt die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 36.404,66 EUR sA. Davon wird Zahlung von 10.000 EUR sA (Trauerschmerzengeld) an den Erstkläger, von 15.000 EUR sA (Trauerschmerzengeld) an die Zweitklägerin sowie von weiteren 11.404,66 EUR sA an beide Kläger begehrt.
[3] Das Erstgericht gab dem Zahlungsbegehren betreffend den Erstkläger mit 10.000 EUR sA, betreffend die Zweitklägerin mit 10.240 EUR (darin 10.000 EUR Trauerschmerzengeld) sA und betreffend beide Kläger mit 2.628,10 EUR sA statt und wies das Mehrbegehren ab.
[4] Dagegen richtete sich einerseits die Berufung der Kläger mit dem Antrag, die Beklagte zur Zahlung von weiteren 3.739,73 EUR sA an beide Kläger zu verurteilen. Andererseits begehrte die Beklagte in ihrer Berufung, mangels zustehenden Trauerschmerzengeldes betreffend den Erstkläger das Klagebegehren abzuweisen und betreffend die Zweitklägerin den Zuspruch auf lediglich 240 EUR sA zu reduzieren.
[5] Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne der Berufung der Beklagten ab. Der Berufung der Kläger gab es nicht Folge. Es sprach ferner aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
[6] Gegen dieses Urteil richtet sich die „außerordentliche Revision“ der klagenden Parteien, die das Erstgericht dem Obersten Gerichtshof vorlegte.
Rechtliche Beurteilung
[7] Diese Aktenvorlage ist verfehlt.
[8] Die Zulässigkeit der Revision richtet sich nach § 502 Abs 3 ZPO, weil entgegen der Behauptung der Revisionswerber der berufungsgerichtliche Entscheidungsgegenstand zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat. Mehrere aus einem Unfall Geschädigte sind nur formelle Streitgenossen im Sinne des § 11 Z 2 ZPO, weshalb deren Ansprüche nicht zusammenzurechnen sind (RS0110982). Der Wert des Entscheidungsgegenstands beträgt somit für beide Kläger jeweils 13. 739,73 EUR (jeweils 10.000 EUR Trauerschmerzengeld, der Rest wird zur Zahlung an beide Kläger begehrt) .
[9] Unter diesen Voraussetzungen ist auch ein außerordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Eine Partei kann in einem solchen Fall nur gemäß § 508 Abs 1 ZPO einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahingehend abzuändern, dass das ordentliche Rechtsmittel doch für zulässig erklärt werde. Mit demselben Schriftsatz ist das ordentliche Rechtsmittel auszuführen. Dieser Antrag, verbunden mit dem ordentlichen Rechtsmittel, ist beim Prozessgericht erster Instanz einzubringen und gemäß § 508 Abs 3 und 4 ZPO vom Rechtsmittelgericht zu behandeln. Erhebt in den dargestellten Fällen eine Partei ein Rechtsmittel, so ist dieses gemäß § 507b Abs 2 ZPO dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen. Das gilt auch dann, wenn das Rechtsmittel als „außerordentliches“ Rechtsmittel bezeichnet wird und wenn es an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist; auch dieser darf hierüber nur und erst entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei. Dies gilt ferner auch dann, wenn der Rechtsmittelwerber in dem Schriftsatz nicht im Sinne des § 508 Abs 1 ZPO den Antrag auf Abänderung des Ausspruchs des Gerichts zweiter Instanz gestellt hat, weil dieser Mangel gemäß § 84 Abs 3 ZPO verbesserungsfähig ist (RS0109623).
[10] Das Erstgericht wird somit das Rechtsmittel dem Berufungsgericht vorzulegen haben. Ob der Schriftsatz den Erfordernissen des § 508 Abs 1 ZPO entspricht oder ob er einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten.