1Ob212/20p – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer Zeni Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. M*****, vertreten durch Mag. Paul Wolf, Rechtsanwalt in St. Veit an der Glan, gegen die beklagte Partei *****krankenanstalt*****, vertreten durch die Dr. Ernst Maiditsch M.B.L.-HSG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Klagenfurt, wegen 81.419 EUR sowie Feststellung (Streitwert 5.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom 7. Oktober 2020, GZ 4 R 85/20g 96, mit dem das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 26. Februar 2020, GZ 22 Cg 77/16i 90, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
1. Die Urteile der Vorinstanzen sind im Umfang der Abweisung eines Teilbegehrens von 19.499,68 EUR sA (Verdienstentgang für Oktober bis Dezember 2014) wirkungslos.
2. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Im Hinblick auf die im Revisionsschriftsatz vorgenommene Klageeinschränkung, die auch im Rechtsmittelverfahren und daher auch noch in dritter Instanz zulässig ist (vgl RIS Justiz RS0039644 [T1, T5]), ist gemäß § 483 Abs 3 iVm § 513 ZPO auszusprechen, dass die Urteile der Vorinstanzen in deren Umfang wirkungslos sind (vgl 2 Ob 238/17i mwN).
2. Gemäß § 506 Abs 1 Z 5 ZPO sind in einer außerordentlichen Revision die Gründe anzugeben, warum entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 502 Abs 1 ZPO die Revision für zulässig erachtet wird. Behauptet der Revisionswerber, das Berufungsgericht sei von höchstgerichtlicher Judikatur abgewichen, hat er die seines Erachtens für seinen Rechtsstandpunkt sprechenden Entscheidungen anzuführen und darzulegen, inwieweit die angefochtene Entscheidung dazu in Widerspruch steht (RS0043654 [T5]). Dieser Voraussetzung entspricht die Revision nicht, weil sie nur pauschal einen Widerspruch des Berufungsurteils zu höchstgerichtlicher Rechtsprechung behauptet, ohne auch nur eine einzige Entscheidung des Obersten Gerichtshofs anzuführen.
3. Auch die wörtliche Wiedergabe einzelner Passagen der
Berufung – wobei die Formulierung in der Revision nicht einmal dahin geändert wurde, dass anstatt der erstinstanzlichen Entscheidung jene des Berufungsgerichts bekämpft wird – entspricht nicht den Anforderungen an eine gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge, weil damit keine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Argumentation des Berufungsgerichts erfolgt (RS0043603 [T15]; 1 Ob 164/19b mwN). Soweit die Revision inhaltsleere Verweise auf die Berufung enthält, ist dies unzulässig und unbeachtlich (vgl RS0007029 [T1, T5, T15]; RS0043616; RS0043579).
4. Die Klägerin wiederholt in dritter Instanz im Wesentlichen ihren Vorwurf, wonach die ihre Tochter wegen einer Essstörung behandelnden Ärzte der Abteilung für Neurologie und Psychiatrie des Kindes- und Jugendalters des von der Beklagten betriebenen Krankenhauses zu Unrecht davon ausgegangen seien, dass sie (also die Mutter) am „Münchhausen-by-Proxy-Syndrom“ leide, weshalb – aufgrund der mit einer solchen psychischen Störung verbundenen Gefahr eines Kindesmissbrauchs – eine „Gefährdungsmeldung“ an den Kinder- und Jugendhilfeträger erstattet worden sei. Die Revisionswerberin übergeht jedoch die erstinstanzliche Feststellung, wonach bei der Beurteilung dieses Syndroms jene Sorgfalt eingehalten wurde, „die von einem ordentlichen und pflichtgetreuen Durchschnittsbehandler in der konkreten Situation [also anlässlich der Behandlung des Kindes und nicht der Mutter] erwartet wird“. Dies bezieht sich nicht nur auf den der „Gefährdungsmeldung“ vom 17. 11. 2014 zugrundeliegenden (Anfangs-)Verdacht, sondern auch auf die diesen Verdacht bestätigende Einschätzung vom 16. 12. 2014. Dass letztere als „Diagnose“ formuliert wurde, ändert nichts daran, dass es sich (nur) um eine Beurteilung aus Sicht der das Kind behandelnden Ärzte und nicht um das Ergebnis einer Untersuchung der Klägerin handelte, weshalb auch keine Spezialisten aus dem Fachgebiet der Erwachsenenpsychiatrie beigezogen werden hätten müssen. Da die Einschätzung des psychischen Zustands der Klägerin aus Sicht der ihr Kind behandelnden Ärzte lege artis erfolgte, war die Verständigung des Kinder- und Jugendhilfeträgers auf jeden Fall gerechtfertigt, wobei die Revisionswerberin auch übersieht, dass auch schon Ärzte zweier anderer (nicht von der Beklagten betriebener) Krankenanstalten, in denen die Tochter der Klägerin behandelt worden war, den Verdacht auf Vorliegen eines „Münchhausen-by-Proxy-Syndroms“ geäußert hatten und es bereits deshalb zu einer „Gefährdungsmeldung“ an den Kinder- und Jugendhilfeträger gekommen war.
5. Soweit die Revisionswerberin Feststellungen zur Kausalität des der Beklagten vorgeworfenen Fehlverhaltens für ihren behaupteten (Gesundheits-)Schaden vermisst, muss darauf mangels Sorgfaltsverstoßes der der Beklagten zuzurechnenden Ärzte nicht eingegangen werden; ebensowenig auf die in der Revision nur schlagwortartig angesprochene Frage des Rechtswidrigkeitszusammenhangs.
6. Da das Rechtsmittel der Klägerin insgesamt keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage aufzeigt, ist es als unzulässig zurückzuweisen, ohne dass es einer weiteren Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO).