JudikaturOGH

11Os113/20g – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. November 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. November 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen Dr. Slawik J***** wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28. Juli 2020, GZ 64 Hv 176/19y 49, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Dr. Slawik J***** des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 2 StGB (I./) und des Vergehens der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt.

Danach hat er in W*****

I./ im September 2018 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Mitarbeiter der ***** Versicherungs AG durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorgabe, Opfer eines Einbruchsdiebstahls mit einem Gesamtschaden von 53.344,37 Euro geworden zu sein, zur Auszahlung einer Versicherungsleistung in dieser Höhe, somit zu einer Handlung zu verleiten versucht, die die se Versicherung in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt hätte;

II./ am 12. September 2018 zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Beamten die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung wissentlich vorgetäuscht, indem er gegenüber Polizeibeamten des Landeskriminalamts Wien wahrheitswidrig angab, dass in seiner Ordination ein Einbruchsdiebstahl erfolgt sei.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Die Sachverhaltsannahme der Vortäuschung eines Einbruchsdiebstahls (US 5 f) erschloss das Schöffengericht in vernetzter Betrachtung einer Vielzahl von Beweisergebnissen und aus daran geknüpften Plausibilitätserwägungen (US 10 bis 13). Das dagegen gerichtete, über Möglichkeiten eines stattgefundenen Einbruchsdiebstahls spekulierende Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 zweiter und vierter Fall) versäumt es, an der Gesamtheit der diesbezüglichen Beweiswürdigung Maß zu nehmen, und bringt damit den herangezogenen Nichtigkeitsgrund nicht zu prozessförmiger Darstellung (RIS-Justiz RS0119370, RS0116504).

Dem Gebot zu bestimmter, aber gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend war das Schöffengericht weder verhalten, jedes Verfahrensergebnis einer Erörterung in Richtung aller denkbaren Schlussfolgerungen zu unterziehen, noch verpflichtet, sich mit jedem gegen seine Beweiswürdigung möglichen, im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde dann konkret erhobenen Einwand im Voraus auseinanderzusetzen (RIS-Justiz RS0106295, RS0106642).

Dies gilt namentlich für die im Ersturteil im Zusammenhang mit der Verwerfung der Spekulation eines Einsteigens durch ein offenes Fenster (US 9) nicht explizit erwähnte „Aufstiegshilfe“ des Außenteils einer Klimaanlage, deren dadurch erfolgte Beschädigung indes nur der Angeklagte behauptete (ON 34 S 9), dem die Tatrichter aber insgesamt die Glaubwürdigkeit versagten (US 10, 12 f; vgl RIS Justiz RS0098642).

Weiters bestand keine Verpflichtung zur Erörterung jener – der bekämpften Konstatierung ohnehin nicht entgegenstehenden (RIS-Justiz RS0098646) – Aussagepassage, in der die Zeugin M***** die Existenz eines weiteren Schlüssels zur Ordination erwähnte.

Die behauptete Widersprüchlichkeit in der als glaubhaft erachteten Aussage dieser Zeugin ist nicht gegeben (Z 5 zweiter Fall). Denn M***** erklärte bei ihrer Vernehmung durch die Polizei nicht nur – wie von der Beschwerde isoliert hervorgehoben (vgl aber RIS Justiz RS0116504) –, sich an den Tattag nicht genau erinnern zu können, sondern ergänzte in Übereinstimmung mit ihrer Schilderung der üblichen Vorgänge beim Verlassen der Ordination in der Hauptverhandlung (ON 34 S 23 f; vgl auch US 11), „eigentlich nie alleine die Letzte“ gewesen zu sein (ON 28 S 4).

Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) liegt nur bei einer (erheblich) unrichtigen oder unvollständigen Wiedergabe des Inhalts einer Urkunde oder einer Aussage vor (RIS Justiz RS0099431). Ein solches Fehlzitat spricht die Beschwerde mit der Kritik, durch die Beschreibung der Positionierung der Leiter unter dem Fenster des Aufenthaltsraums (US 5) würden die Fotos vom Tatort unrichtig wiedergegeben, nicht an. Im Übrigen betrifft die angesprochene Feststellung schon keine entscheidende Tatsache (RIS-Justiz RS0106268).

Soweit die Tatsachenrüge (Z 5a) angesichts der laut Sachverständigengutachten nicht ausschließbaren Möglichkeit des Einstiegs über ein offenes Fenster unter Verwendung der (zu kurzen) Leiter und der – laut Aussage des Angeklagten – dadurch beschädigten Klimaanlage als weitere Aufstiegshilfe (ON 14 S 5) den behaupteten Einbruchsdiebstahl als erwiesen erachtet, wendet sie sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld gegen die Beweiswürdigung des Schöffengerichts, ohne erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Urteilsannahmen zu wecken. Nur über dieser Schwelle liegende Bedenken sind aber Maßstab des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes, will doch die Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden (also schuld- oder subsumtions relevanten ) Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung – im Übrigen durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiserwägungen –verhindern (RIS-Justiz RS0119583, RS0118780). Inwiefern das Erstgericht seine „Verpflichtung zur amtswegigen Wahrheitserforschung“ außer Acht gelassen hätte (siehe dazu im Übrigen RIS-Justiz RS0115823), wird nicht dargelegt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits nach nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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