8ObA103/20k – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann Prentner und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Stelzer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A***** F*****, vertreten durch Dr. Thomas Krankl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S***** W*****, vertreten durch Dr. Andreas Joklik, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. August 2020, GZ 8 Ra 45/20a 38, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Das Revisionsvorbringen beschäftigt sich über weite Strecken mit behauptetem Fehlverhalten von Organen der Beklagten und übersieht dabei, dass es im Verfahren nicht um die Frage geht, wie die Beklagte von den streitgegenständlichen Vorkommnissen Kenntnis erlangt hat, sondern ob die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe zutreffen und einen Entlassungsgrund bilden.
2. Mit dem Vorbringen, die Beklagte habe „keine Beweise“ für ihre Vorwürfe, unternimmt der Revisionswerber den in dritter Instanz nicht mehr zulässigen Versuch, die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen zu bekämpfen (RIS Justiz RS0007236).
Die maßgeblichen Feststellungen wurden unmittelbar, aufgrund der Aussagen der vernommenen Zeugen sowie des Klägers selbst unter sorgfältiger Abwägung der für und wider bestimmte Tatsachen sprechenden Argumente getroffen.
3. Behauptete Mängel des Verfahrens erster Instanz, die das Berufungsgericht geprüft und verneint hat, können im Revisionsverfahren nicht mehr neuerlich aufgegriffen werden (RS0042963).
4. Die Beurteilung, ob das festgestellte Verhalten eines Vertragsbediensteten eine Verletzung von Dienstpflichten im Sinn des § 45 Abs 2 Z 2 VBO darstellt, die zur Entlassung berechtigt, ist eine Frage des Einzelfalls. Eine Einzelfallentscheidung ist für den Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm, konkret bei der Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffs der Unzumutbarkeit korrigiert werden müsste (RS0106298 [T22, T24]; RS0044088). Davon kann hier nicht die Rede sein.
Die Rechtsansicht, dass das Verhalten des Klägers, der als Parkraumüberwachungsorgan in zahlreichen Fällen Kollegen zur Stornierung von zu Recht über ihn verhängten Organstrafverfügungen veranlasst hat, seine Vertrauensunwürdigkeit begründete, ist nicht korrekturbedürftig.
Es wurde in den festgestellten Fällen gerade nicht von einer Möglichkeit der Parkraumüberwachungsorgane, im Einzelfall nach billigem Ermessen von einer Bestrafung wegen Geringfügigkeit des Vergehens abzusehen, Gebrauch gemacht, sondern der Kläger hat seine Stellung dazu ausgenützt, um sich einen ihm nicht zustehenden Vorteil zu verschaffen.
5. Überall dort, wo ein vorerst undurchsichtiger, zweifelhafter Sachverhalt vorliegt, muss dem Arbeitgeber das Recht zugebilligt werden, bis zur einwandfreien Klarstellung aller wesentlichen Tatumstände in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durch die hiefür zuständige Behörde mit der Entlassung zuzuwarten. Diese Voraussetzungen sind vor allem auch dann anzunehmen, wenn gegen einen Arbeitnehmer der Vorwurf einer strafbaren Handlung erhoben worden ist (RS0029297 [insb T3]; RS0029273 [T5]).
Die Entscheidung des Berufungsgerichts, das die Entlassung des Klägers als nicht verspätet beurteilt hat, hält sich im Rahmen der ständigen Rechtsprechung.
6. Die Revision zeigt damit insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.