JudikaturOGH

8ObA15/20v – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. November 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann Prentner und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Stelzer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei W*****, vertreten durch Mag. Wolfgang Kleinhappel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Justizbetreuungsagentur Anstalt öffentlichen Rechts, 1010 Wien, Universitätsstraße 5/7, vertreten durch Mag. Gottfried Schmutzer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Kündigungsanfechtung (Streitwert 750 EUR) in eventu Zahlung von 7.333,51 EUR brutto sA, Feststellung (Streitwert 750 EUR) und Zahlung von 6.612,29 EUR brutto sA, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 7.333,51 EUR brutto sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 29. Oktober 2019, GZ 9 Ra 90/19z 24, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits und Sozialgerichts Wien vom 24. Mai 2019, GZ 33 Cga 90/18y 18, teilweise Folge gegeben wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Die angefochtene Entscheidung wird dahingehend abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig der beklagten Partei die mit 1.522,32 EUR (darin enthalten 253,72 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.264,88 EUR (darin enthalten 138,98 EUR USt und 1.431 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Bei der Beklagten handelt es sich um eine Anstalt öffentlichen Rechts, die ausschließlich als Personaldienstleister der österreichischen Justiz tätig ist. Auftraggeber ist das Bundesministerium für Justiz. Die Beklagte führt das Recruiting der Arbeitnehmer durch, schließt die Arbeitsverträge und überlässt die Arbeitnehmer dann der Justiz . Bei den überlassenen Arbeitskräften handelt es sich um Ärzte, Sozialarbeiter, Psychologen, Amtsdolmetscher und Experten. Diese Experten kommen ausschließlich bei der Wirtschafts und Korruptionsstaatsanwaltschaft zum Einsatz.

Der Kläger war bei der Beklagten ab 2. 1. 2013 beschäftigt. Er hat eine kaufmännische Lehre, einen Wifi Bilanzbuchhalterkurs und eine Wifi Controller-Ausbildung absolviert. 2012 meldete er sich auf eine Stellenausschreibung der Beklagten, in der ein Experte aus dem Bereich Bilanzbuchhaltung gesucht wurde. Im Dienstvertrag wurde der Kläger der Verwendungsgruppe 9 gemäß § 28 des Kollektivvertrags für Arbeitnehmerinnen, die bei Mitgliedern der Berufsvereinigung von Arbeitgebern für Gesundheits- und Sozialberufe (BAGS) beschäftigt sind (BAGS K V) zugeordnet. Die Beklagte orientierte sich damals an dem BAGS KV in der jeweils geltenden Fassung. Ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens eines eventuell eigenen oder anderen Kollektivvertrags sollte dieser anstelle des BAGS KV auf das Dienstverhältnis Anwendung finden.

D er Kläger wurde bei der Wirtschafts und Korruptionsstaatsanwaltschaft eingesetzt. Seine Tätigkeit umfasste die Unterstützung der Staatsanwaltschaft bei betriebswirtschaftlichen, steuerlichen und handelsrechtlichen Fragen, bei Erstellung von Berichten für die Staatsanwälte, die Vorbereitung von Fragen für Vernehmungen, die Teilnahme an Vernehmungen, die Mitwirkung bei Hausdurchsuchung, bei Erstellung von Zahlungsstromanalysen und die Unterstützung der Wirtschaftsexperten bei Erstellung von Berichten und Analysen.

Nachdem die Wirtschafts und Korruptionsstaatsanwaltschaft 2018 mitteilte, dass für den Kläger keine Verwendung mehr besteht, wurde der Geschäftsführer der Beklagten mit Schreiben des Bundesministeriums für Justiz ersucht, die Auflösung des Dienstverhältnisses in die Wege zu leiten. Am 10. 7. 2018 wurde der Kläger dienstfreigestellt und zum 15. 10. 2018 gekündigt.

Der Kläger begehrte, die Kündigung für rechtsunwirksam zu erklären, in eventu die Zahlung von 7.333,51 EUR brutto an Urlaubsersatzleistung, die Feststellung eines Anspruchs auf 36 Werktage Urlaub für jedes Arbeitsjahr, die Feststellung des Anspruchs auf eine bezahlte Pause sowie die Zahlung von 6.612,29 EUR brutto sA für geleistete Überstunden.

Nach Abweisung der übrigen Begehren ist im Revisionsverfahren nur noch das Begehren auf Zahlung von 7.333,51 EUR brutto sA an Urlaubsersatzleistung strittig, weshalb sich die folgenden Ausführungen auf diesen Anspruch beschränken.

Der Kläger bringt dazu unter anderem vor, dass nach der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Leiharbeit vom 19. 11. 2008 (LeiharbeitsRL) die wesentlichen Arbeits und Beschäftigungsbedingungen der Leiharbeitnehmer während der Dauer ihrer Überlassung mindestens denjenigen entsprechen müssten, die für sie gelten würden, wenn sie von dem entleihenden Unternehmer unmittelbar für den gleichen Arbeitsplatz eingestellt worden wären. Die LeiharbeitsRL sei unterschiedslos für private und öffentliche Unternehmen anzuwenden. Die Umsetzung in das nationale Recht sei durch das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG) erfolgt. § 2 Abs 7 Justizbetreuungsagentur-Gesetz (JBA G), wonach die §§ 10 bis 14 AÜG auf das von der Beklagten überlassene Personal nicht anzuwenden seien, verstoße gegen die Richtlinie, sodass diese direkt auf das Dienstverhältnis des Klägers zur Beklagten Anwendung finde. Vertragliche Dienstnehmer des Bundes hätten mit Vollendung des 43. Lebensjahres Anspruch auf eine sechste Urlaubswoche. Dem Kläger sei dagegen nach den Bestimmungen des Url G durchgehend nur ein Urlaubsanspruch von fünf Wochen pro Jahr gewährt worden. Er habe daher für den Zeitraum 2012 bis 2018 einen Anspruch auf eine Erhöhung des Urlaubsausmaßes um insgesamt 33,94 Arbeitstage, sohin auf eine Urlaubsersatzleistung aufgrund des beend e ten Arbeitsverhältnisses von 7.333,51 EUR brutto sA.

Die Beklagte bestritt und brachte vor, der österreichische Gesetzgeber habe von der Öffnungsklausel des Art 5 Abs 3 der LeiharbeitsRL Gebrauch gemacht. § 2 Abs 7 JBA G stelle eine danach zulässige Abweichung in Bezug auf die Arbeits und Beschäftigungsbedingungen dar. Es könne der Richtlinie nicht unterstellt werden, dass zwar eine Abänderung d urch Tarifvertrag zulässig sei, nicht jedoch durch Gesetz. Jedenfalls wäre bei richtlinienkonformer Auslegung die Öffnungsklausel auf die genannte gesetzliche Bestimmung anzuwenden. Der nunmehr behauptete Urlaubsanspruch sei gegenüber der Beklagten auch nicht geltend gemacht worden, daher sei ein Anspruch auf eine sechste Urlaubswoche für die Jahre 2012 bis 2015 jedenfalls bereits verjährt bzw verfallen.

Das Erstgericht wies neben den übrigen Ansprüchen auch das auf Zahlung von 7.333,51 EUR brutto sA gerichtete Eventualbegehren ab. Art 5 Abs 3 Leiharbeit sRL erlaube den Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen vom Grundsatz der Gleichbehandlung abzuweichen und Tarifverträge abzuschließen. Die Umsetzung der Richtlinie sei inner staatlich durch das A ÜG erfolgt. In § 2 Abs 7 JBA G werde von der Möglichkeit einer abweichenden Regelung Gebrauch gemacht. Damit bestehe kein Anlass für eine direkte Anwendung der LeiharbeitsRL, weshalb kein Anspruch auf Gewährung einer sechsten Urlaubswoche bestehe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers in diesem Punkt Folge und verpflichtete die Beklagte, dem Kläger 7.333,51 EUR brutto sA zu zahlen. Im Übrigen bestätigte es das klagsabweisende erstinstanzliche Urteil.

Die LeiharbeitsRL sehe vor, dass die wesentlichen Arbeits und Beschäftigungsbedingungen der Leiharbeitnehmer während der Dauer der Überlassung an ein entleihendes Unternehmen mindestens denjenigen entsprechen müssten, die für sie gelten würden, wenn sie von jenem Unternehmen unmittelbar für den gleichen Arbeitsplatz eingestellt worden wären. Nach Art 5 Abs 3 der Richtlinie könnten die Mitgliedstaaten den Sozialpartnern die Möglichkeit einräumen, Tarifverträge aufrecht zu erhalten oder abzuschließen, die unter Achtung des Gesamtschutzes von dieser Regelung abweichen. Damit habe aber die Abweichung auf Basis einer gesetzlichen Ermächtigung durch den Kollektivvertrag selbst zu erfolgen, nicht durch ein Gesetz. § 2 Abs 7 JBA G stelle keine gesetzliche Ermächtigung an die Kollektivvertragsparteien dar, sondern schließe bloß die Geltung der §§ 10 bis 14 AÜG aus. Der für die Arbeitnehmer der Beklagten geltende Kollektivvertrag sehe überhaupt keine Regelung des Urlaubsanspruchs vor. Es bestehe damit weder eine gesetzliche Ermächtigung für eine Abweichung durch die Kollektivvertragsparteien noch eine Abweichung im anwendbaren Kollektivvertrag, sodass die österreichische Rechtslage der LeiharbeitsRL widerspreche.

Der Einzelne könne sich gegenüber dem Staat auf eine mittelbare Anwendung einer Richtlinie berufen, wenn diese inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sei. Dies sei auch bei staatsnahen Einrichtungen wie der Beklagten zu bejahen. Damit könne der Kläger gegenüber der Beklagten gestützt auf das Gleichbehandlungsgebot der LeiharbeitsRL einen Anspruch auf die sechste Urlaubswoche geltend machen. Dieser Anspruch sei unter Berücksichtigung des nationalen Gleichheitssatzes nicht verjährt. Ein Verfall sei ebenfalls nicht eingetreten, weil ein Urlaubsverbrauch jeweils auf den ältesten Urlaubsanspruch anzurechnen sei. Der Kläger habe daher Anspruch auf die Urlaubsersatzleistung für die jeweilige sechste Urlaubswoche.

Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur unmittelbaren Anwendung der LeiharbeitsRL im Fall des Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot wegen des Nichtvorliegens einer gesetzlichen Ermächtigung sondern einer abweichenden Regelung durch das Gesetz selbst sowie zur Anwendung der neueren Rechtsprechung des EuGH betreffend die Verjährung von Urlaubsansprüchen auf den den Mindesturlaub laut Arbeitszeitrichtlinie übersteigenden Urlaubsanspruch fehle.

Gegen den Zuspruch von 7.333,51 EUR sA wendet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag das Urteil des Berufungsgerichts dahingehend abzuändern, dass das Klagebegehren vollinhaltlich abgewiesen wird. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger begehrt in seiner Revisionsbeantwortung die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klarstellung zulässig und auch berechtigt.

1. § 20 JBA G sieht vor , dass für die durch die Beklagte begründeten Arbeitsverhältnisse, damit auch für das zum Kläger, § 1 Abs 2 VBG 1948 und § 4 AngG keine Anwendung finden. Für Arbeitsverhältnisse sind das Angestelltengesetz und die übrigen für private Arbeitgeber geltenden arbeitsrechtlichen Rechtsvorschriften, damit auch das Urlaubsgesetz, anzuwenden.

2. Der dem Kläger tatsächlich gewährte Urlaub entspricht den Regelungen des Urlaubsgesetzes. Dieses sieht vor, dass bei einer Dienstzeit von weniger als 25 Jahren 30 Werktage Urlaub zustehen, dieses Urlaubsausmaß erhöht sich nach Vollendung des 25. Jahres auf 36 Werktage. Ausgehend von dieser gesetzlichen Regelung besteht der geltend gemachte Anspruch auf Urlaubsersatzleistung nicht. Eine Berechtigung des Anspruchs des Klägers könnte sich daher nur aus einer unmittelbaren Anwendung der LeiharbeitsRL ergeben.

3. Nach Art 1 Abs 2 gilt die LeiharbeitsRL für öffentliche oder private Unternehmen, bei denen es sich um Leihunternehmen und entleihende Unternehmen handelt, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, unabhängig davon, ob sie Erwerbszwecke verfolgen oder nicht.

Die Vorinstanzen haben unter Verweis darauf, dass die Richtlinie für öffentliche und private Unternehmen gilt, die Anwendbarkeit bejaht, sich jed och nicht näher mit der Frage befasst, ob es sich im vorliegenden Fall beim Leiharbeitsunternehmen und dem entleihenden Unternehmen jeweils um ein solches handelt, d as eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüb t .

4. Zu Art 1 Abs 2 der Richtlinie hat der EuGH in der Entscheidung vom 17. 11. 2016 Betriebsrat der Ruhrlandklinik gGmbH , C 216/15, ECLI:EU:C:2016:883, Rn 44 Stellung genommen: „Bezüglich der Auslegung des Begriffs 'wirtschaftliche Tätigkeit' im Sinne von Art 1 Abs 2 der Richtlinie 2008/104 ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs jede Tätigkeit, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten, wirtschaftlichen Charakter hat.“ Dazu verwies der EuGH auf die Entscheidungen Kommission/Italien C 35/96, ECLI:EU:C:1998:303; Scattolon , C 108/10, ECLI:EU:C:2011:542; und Kommission/Ungarn , C 179/14, ECLI:EU:C:2016:108. Da raus ergibt sich , dass der EuGH den Begriff „wirtschaftliche Tätigkeit“ in Übereinstimmung mit seiner bisherigen Rechtsprechung in anderen Bereichen des Unionsrechts, im konkreten der Betriebsübergangsrichtlinie, den Artikeln 49 und 56 AEUV über die Niederlassungs und die Dienstleistungsfreiheit sowie dem Wettbewerbsrecht versteht. Dem entspricht auch der Erwägungsgrund 22 der Richtlinie, wonach diese im Einklang mit den Vorschriften des Vertrags über die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit (…) umgesetzt werden solle. Zu r Auslegung des Begriff s „wirtschaftliche Tätigkeit“ und zur Abgrenzung zu einer „nicht wirtschaftlichen Tätigkeit“ kann daher auf die Judikatur des EuGH auch in anderem Kontext als der Leiharbeits RL zurückgegriffen werden.

5. Die vom EuGH in der zitierten Entscheidung verwendete Definition der wirtschaftlichen Tätigkeit als jene Tätigkeit, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten, findet sich dabei in einer Vielzahl von Entscheidungen ( Motoe , C 49/07, ECLI:EU:C:2008:376, Rn 22; EasyPay und Finance Engineering , C 185/14, ECLI:EU:C:2015:716, Rn 37; Kommission/Italien , C 35/96, ECLI:EU:C:1998:303, Rn 36).

In der Entscheidung Ricardo , C 416/16, ECLI:EU:C:2017:574, Rn 34, ergänzt der EuGH, dass Tätigkeiten in Ausübung hoheitlicher Befugnisse grundsätzlich nicht als wirtschaftliche Tätigkeiten einzustufen seien, wobei Dienstleistungen, die im allgemeinen Interesse und ohne Erwerbszweck im Wettbewerb mit Dienstleistungen von Wirtschaftsteilnehmern, die einen Erwerbszweck verfolgen, erbracht werden, unter den Begriff „wirtschaftliche Tätigkeit“ fallen können. In dieser Entscheidung wurde auch darauf hingewiesen, dass es sich bei der Übertragung von Aufgaben im Zuge einer Umstrukturierung von Verwaltungsbehörden oder bei der Übertragung von Verwaltungsaufgaben von einer Behörde auf eine andere nicht um einen Übergang im Sinn der Richtlinie 2001/23 handelt (Rn 29). In diesem Sinn wurde bereits in der Entscheidung Henke , C 298/94, ECLI:EU:C:1996:382, Rn 17, bei einer Übertragung von hoheitlichen Tätigkeiten zwischen einer Gemeinde und einer Verwaltungsgemeinschaft, selbst wenn diese Tätigkeiten wirtschaftliche Aspekte eingeschlossen haben sollten, die Anwendbarkeit der Richtlinie 77/187/EWG im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis einer Sekretärin verneint.

In der Entscheidung Scattolon , C 108/10, ECLI:EU:C:2011:542, Rn 46, wurde zur Begründung der wirtschaftlichen Tätigkeit in Abgrenzung zur hoheitlichen Tätigkeit darauf verwiesen, dass die dort verfahrensgegenständlichen Dienste in bestimmten Fällen an private Wirtschaftsteilnehmer vergeben würden sowie dass sie nicht in Ausübung hoheitlicher Befugnisse erbracht würden. In der Entscheidung Motoe , C 49/07, ECLI:EU:C:2008:376, Rn 24 f, führte der EuGH aus , dass Tätigkeiten, die in Ausübung hoheitlicher Befugnisse erfolgen, keinen wirtschaftlichen Charakter haben, der die Anwendung der Wettbewerbsregeln des Vertrags rechtfertigen würde. Die bloße Tatsache, dass eine Einrichtung für einen Teil ihrer Tätigkeit über hoheitliche Gewalt verfüge, stehe ihrer Einstufung als Unternehmen im Sinn des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft für den Rest ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit nicht entgegen. Die Unterscheidung zwischen hoheitlicher und wirtschaftlicher Betätigung sei nämlich für jede von der Einrichtung ausgeübte Tätigkeit gesondert zu treffen.

6 . Auch in der Literatur w urde zur Abgrenzung der „wirtschaftlichen Tätigkeit“ gerade auch im Hinblick auf hoheitliche Tätigkeiten Stellung genommen.

Rebhahn/Schörghofer/Kolbe (in Franzen/Gallner/ Oetker Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht³, Art 1 RL 2008/104/EG/620, Rz 12 ff) führen zum Begriff der „wirtschaftlichen Tätigkeit“ im Sinn der LeiharbeitsRL aus: „Unklar ist, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit beider beteiligter Unternehmen erforderlich ist, um den Anwendungsbereich der Richtlinie zu eröffnen. Sinnvoll angewandt werden können die Vorgaben der Richtlinie jedenfalls nur, wenn beide Unternehmen erfasst werden; eine 'gespaltene Lösung' verfehlte den Arbeitnehmerschutzzweck. Weil die Richtlinie zudem die Unternehmenseigenschaft sowohl für den Ver als auch für den Entleiher verlangt, ist davon auszugehen, dass ihr Anwendungsbereich nur Fälle erfasst, in denen beide beteiligte Unternehmen wirtschaftlich tätig sind ... Bei Mischunternehmen muss es darauf ankommen, ob die Leiharbeit selbst im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit erfolgt. (…)

Schwierig ist die Lage bei Beteiligung des Staates als Hoheitsträger. Hoheitliche Tätigkeiten sind idR keine wirtschaftlichen (können dies aber sein) und fallen dann nicht unter dem Unternehmensbegriff ... Da Art 1 die Unternehmenseigenschaft für Ver und Entleiher verlangt, ist die Richtlinie prima facie auf die Überlassung von Arbeitnehmern, auch durch einen gewerblichen Verleiher nicht anwendbar, wenn der Entleiher eine hoheitliche Aufgabe besorgt. Dabei ist auf die konkrete Aufgabe beim Entleiher abzustellen, für die der Arbeitnehmer eingesetzt wird, sodass die Richtlinie anwendbar ist, wenn die konkrete Aufgabe wirtschaftlicher Natur ist .“

Harmann in Schüren (AÜG 5 § 1 Rz 278 ff) geht unter Hinweis auf die EuGH-Judikatur zusammengefasst davon aus, dass es e ntscheidend darauf ankomme, ob die Dienstleistung auf einem bestimmten Markt angeboten werde, ob also am Marktgeschehen teilgenommen werde. Das sei nach objektiven Kriterien und nicht nach der Motivlage zu bestimmen. Ob die Leiharbeit aus sozialen, karitativen oder sonstigen altruistischen Motiven praktiziert werde, spielt keine Rolle. Die Teilnahme am Marktgeschehen setze zunächst das Vorhandensein eines Marktes voraus. Für die Dienstleistung „Leiharbeit“ müsse es also ein Angebot und eine Nachfrage geben. Ob ein Unternehmen am Marktgeschehen teiln ehme , hänge davon ab, ob eine Wettbewerbssituation besteht. Davon sei in marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystemen prinzipiell auszugehen. Trotz des insoweit ungenauen Wortlauts in § 1 Abs 2 LeiharbeitsRL sei dabei nicht allein auf den Verleiher abzustellen, also darauf, ob es für sein Arbeitskräfteangebot noch einen Konkurrenten g ebe oder zumindest geben k önne . Es müssten entweder mindestens zwei Anbieter oder zwei Nachfrager um die Dienstleistungen konkurrieren. Nur dort, wo von vornherein keine Wettbewerbssituation denkbar sei, fehle der Marktbezug. Das sei bei der Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten der Fall, we il der Staat insoweit eine Monopolstellung habe und es weder auf Anbieter noch auf Nachfrageseite einen Wettbewerb gebe. Auch wenn der Staat sonst eine Beschäftigungsmöglichkeit schaffe und Arbeitnehmer exklusiv bestimmten Nachfragern zuteile, bestehe von vornherein keine Wettbewerbssituation.

Forst (in Schlachter/Heinrich [Hrsg], Europäisches Arbeits und Sozialrecht, Leiharbeitsrichtlinie Rz 57) geht davon aus, dass, da sowohl das Leiharbeits und als auch das entleihende Unternehmen eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben müssten, es keine Rolle spielen könne, ob sie als Anbieter oder als Nachfrager am Markt auftreten. Weiters habe der EuGH zur Betriebsübergangsrichtlinie entschieden, das Kriterium diene vor allem dazu, hoheitliche Tätigkeiten aus dem Geltungsbereich der Richtlinie auszuscheiden. Dieselbe Funktion sei dem Merkmal auch bei der Leiharbeit zuzuschreiben. Eine weite Interpretation helfe nämlich, Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern, was eines der Hauptanliegen der Leiharbeits RL sei. Folglich scheide eine wirtschaftliche Tätigkeit nur aus, wenn die fragliche Tätigkeit weder auf der Anbieter noch auf der Nachfrageseite ebenso von einem Privaten erbracht werden könnte. Auch öffentliche Stellen wie die Streitkräfte und karitative Einrichtungen übten deshalb eine wirtschaftliche Tätigkeit aus, wenn sie als Entleiher/Nachfrager am Markt auftreten.

7. Mit § 1 JBA G w urde die Justizbetreuungsagentur als Anstalt öffentlichen Rechts errichtet, um die Verfügbarkeit der für die Besorgung von Betreuungsaufgaben des Straf und Maßnahmenvollzugs im Sinn des Strafvollzugsgesetzes sowie der für die Unterstützung der ordentlichen Gerichte erforderlichen Personalressourcen zu gewährleisten. Sie ist auch berechtigt das Bundeswappen zu führen.

Nach § 2 JBA G gehört zu den Aufgaben der Justizbetreuungsagentur neben der Versorgung der Justizanstalten mit Personal (Abs 1), die Bereitstellung von Kinderbeiständen und anderen Experten zur Unterstützung der ordentlichen Gerichte in familienrechtlichen Angelegenheiten sowie zu r Wahrnehmung von Aufgaben der Jugendgerichtshilfe (Abs 5) sowie der Abschluss von Ver trägen für die Bereitstellung von Experten, deren spezifische Fachkenntnis innerhalb der Justiz nicht verfügbar, aber für die Bearbeitung komplexer oder besonders umfangreicher Ermittlungsverfahren oder gerichtlicher Verfahren sowie für Controllingaufgaben im Rahmen des Justiz Managements außerhalb des Anwendungsbereichs des Gerichtsorganisationsgesetzes zweckmäßig ist (Abs 5a).

Korrespondierend dazu findet sich in § 2a Abs 5 Staatsanwaltschaftsgesetz die Bestimmung, dass in geeigneter Weise – gegebenenfalls im Wege des § 2 Abs 5a JBA-G – dafür Sorge zu tragen ist, dass der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltsschaft zumindest fünf Experten aus dem Finanz- oder Wirtschaftsbereich zur Verfügung stehen.

8. Auch wenn daher durch die Beklagte Arbeitskräfte gegen Entgelt auf Basis einer Rahmenvereinbarung mit dem Bundesministerium für Justiz überlassen werden , handelt es sich zum einen um keine Leistungen, die von der Beklagten auf dem Markt angeboten w erden , sondern um einen ausgegliederten Personalpool, durch den der flexible Einsatz von Arbeitskräften innerhalb der Justiz gewährleistet werden soll, wobei diese Arbeitskräfte auch ausschließlich dem Bundesministerium für Justiz zur Erbringung der im Gesetz geregelten Aufgaben zur Verfügung stehen.

Zum anderen erfolgt der Einsatz nicht im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit des Beschäftigers Republik Österreich. Experten wie der Kläger werden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaften, damit einer genuin hoheitlichen Tätigkeit eingesetzt. So ergibt sich aus den Feststellungen, dass der Kläger im Bereich der Wirtschafts und Korruptionsstaatsanwaltschaft tätig war und diese bei betriebswirtschaftlichen, steuerlichen und handelsrechtlichen Fragen unterstützte, Berichte für die Staatsanwälte erstellte, um entweder Anklage erheben zu können, die Verfahren einzustellen oder Ermittlungsschritte zu setzen, bei der Vorbereitung von Fragen für Vernehmungen, der Teilnahme an Vernehmungen, der Mitwirkung bei Hausdurchsuchungen, bei Ers tellung von Zahlenstromanalysen und der Unterstützung der Wirtschaftsexperten bei Erstellung von Berichten und Analysen eingesetzt wurde. Der Kläger wurde da her im Bereich der Hoheitsverwaltung des Bundes beschäftigt.

9. Insoweit liegt in Bezug auf die Überlassung des Klägers sowohl auf Seiten der Beklagten als Überlasser als auch auf Seiten des Bundes als Beschäftiger keine „wirtschaftliche Tätigkeit“ im Sinn der LeiharbeitsRL vor. Die konkrete Überlassung unterliegt da her nicht dem Anwendungsbereich der Leiharbeit sRL . Damit kann der Kläger aber aus Abweichungen des JBA G von der Richtlinie keine Ansprüche ableiten. Seine Urlaubsansprüche richten sich ausschließlich nach dem UrlG. Ein Anspruch auf eine sechste Urlaubswoche besteht nicht, daher auch kein Anspruch auf eine entsprechende Urlaubsersatzleistung.

10. Der Revision der Beklagten war daher im Ergebnis Folge zu geben und das Klagebegehren auch hinsichtlich der Urlaubsersatzleistung abzuweisen.

11. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 51 ZPO.

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