JudikaturOGH

11Os119/20i – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. November 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. November 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter im Verfahren zur Unterbringung des Erich J***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Betroffenen und der Erwachsenenvertreterin gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28. August 2020, GZ 91 Hv 30/20b-32, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde gemäß § 21 Abs 1 StGB die Unterbringung des Erich J***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet.

Demnach hat er am 13. Mai 2020 in W***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen und seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer paranoiden Schizophrenie, beruht

I./ Nursel T***** gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er mit einem Küchenmesser mit einer Klingenlänge von rund 12 cm in ihre Richtung deutete und dabei unverständliche Worte murmelte;

II./ Ornela Z***** durch die Äußerung sie solle sich „schleichen“, wobei er ein Küchenmesser mit einer Klingenlänge von rund 12 cm vorzeigte, mithin durch eine gefährliche Drohung mit dem Tod zu einer Handlung, nämlich zum Verlassen des Kinderspielplatzes genötigt,

also Taten begangen, die als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1, Abs 2 StGB (I./) und als Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (II./) mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen.

Indem die Mängelrüge (Z 5) behauptet, die Feststellungen der Tatrichter zu dem vom Betroffenen gegen T***** gerichteten Messer (US 6), zum Bedeutungsinhalt der gefährlichen Drohung (US 6), zur Wahrnehmbarkeit des Messers für Z***** (US 5) und zum Vorsatz, diese zum Verlassen des Spielplatzes durch eine Drohung mit dem Tod zu nötigen (US 5), stünden im „Widerspruch“ (gemeint offenbar im Sinn der Z 5 dritter Fall) mit den Angaben der genannten Opfer, wird kein Begründungsmangel aufgezeigt. Der Hinweis auf Beweisergebnisse, die allenfalls gegen getroffene Feststellungen sprechen, ist unter dem Aspekt des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes, der auf Widersprüche zwischen zwei Urteilsaussagen abzielt, unbeachtlich (RIS Justiz RS0119089 [T1]; Ratz , WK StPO § 281 Rz 439).

Dass der Schöffensenat bei der Würdigung der Angaben der Zeuginnen und der Einlassung des Betroffenen (US 7 f) gegen Denkgesetze oder grundlegende Erfahrungswerte verstoßen hätte ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 446 ff), wird vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Dem Gebot zu bestimmter, aber gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen folgend, waren die Tatrichter dabei nicht verpflichtet, den vollständigen Inhalt dieser Aussagen in jedem Detail zu erörtern (RIS Justiz RS0098778). Soweit die Rüge vermeint, dass der Betroffene während der Vorfälle auf einer Bank sitzen blieb und sich nicht auf die Opfer, zubewegte (US 5), stünde der Annahme von Todesdrohungen entgegen, bekämpft sie die Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehenen B erufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (RIS Justiz RS0099455). Gleiches gilt, wenn sie aus Details der Angaben der Opfer für den Betroffenen günstigere Schlussfolgerungen einfordert (RIS Justiz RS0098400).

Aus welchem Grund die konstatierte Drohung mit dem Messer bei gebotener Anlegung eines objektiv individuellen Maßstabs nicht geeignet sein sollte, den Opfern begründete Besorgnis einzuflößen, der Betroffene sei willens und in der Lage, das angekündigte Übel herbeizuführen ( Jerabek/Ropper in WK² StGB § 74 Rz 27 und 32), legt die Beschwerde (nominell Z 5, der Sache nach Z 9 lit a; vgl RIS Justiz RS0092448, RS0092538) nicht dar. Mit ihrer Behauptung, der Beschwerdeführer hätte lediglich die – als Anlasstaten nach § 21 Abs 1 StGB nicht geeigneten – Vergehen nach (jeweils) § 107 Abs 1 StGB begangen (der Sache nach erneut Z 9 lit a; vgl RIS Justiz RS01322762), orientiert sie sich nicht am festgestellten Sachverhalt und verfehlt solcherart den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS Justiz RS0099810).

Die Erwachsenenvertreterin des Betroffenen hat zwar fristgerecht Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angemeldet (ON 31 S 26), binnen vier Wochen nach Zustellung einer Urteilsabschrift aber keine Ausführung der Beschwerdegründe überreicht. Weil auch bei der Anmeldung kein Nichtigkeitsgrund einzeln und bestimmt bezeichnet wurde, war auf ihre Nichtigkeitsbeschwerde vom Obersten Gerichtshof keine Rücksicht zu nehmen (§ 285 Abs 1 zweiter Satz StPO).

D ie Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits nach nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§§ 285d Abs 1, 285i StPO).

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