1Ob74/20v – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer Zeni Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin G* L *, vertreten durch Dr. Klaus J. Mitzner Labrés, Rechtsanwalt in Villach, gegen den Antragsgegner F* L*, vertreten durch Dr. Karl-Peter Hasch, Rechtsanwalt in Villach, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse , über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 15. Jänner 2020, GZ 2 R 163/19a 75, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom 27. Juni 2019, GZ 40 Fam 109/10x 71, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin die mit 1.568,52 EUR (darin 261,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht verpflichtete den Mann (im dritten Rechtsgang) zusätzlich zum bereits im zweiten Rechtsgang unbekämpft zuerkannten Betrag von 5.750 EUR zur Leistung einer weiteren Ausgleichszahlung von 24.250 EUR an die Frau.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Mannes, mit dem er die Abweisung des Zuspruchs „einer 5.750 EUR übersteigenden Ausgleichszahlung“ anstrebte, nicht Folge. Es erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs letztlich für zulässig, weil oberstgerichtliche Judikatur zur Frage fehle, „ob das Begehren auf eine solche Ausgleichszahlung auch auf die Aufteilung von Vermögen gestützt werden kann, welches im Zuge eines bereits anhängigen Verfahrens nach den §§ 81 ff EheG und (lange) nach Ablauf der Jahresfrist des § 95 EheG erstmals releviert wurde“.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Mannes ist entgegen dem nach § 71 Abs 1 AußStrG nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig, weil darin keine erhebliche Rechtsfrage angesprochen wird. Die Zurückweisung des ordentlichen Revisionsrekurses mangels Erörterung einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG).
1. Dass der Ablauf der Frist des § 95 EheG einer Aufteilungsentscheidung nur insoweit entgegensteht, als es um die Zuweisung von Vermögensgegenständen geht, die nicht innerhalb der Jahresfrist zum Gegenstand des darauf abzielenden Antrags gemacht wurden, hat der erkennende Fachsenat bereits mehrmals ausgesprochen. Die Frage der Festsetzung einer allfälligen Ausgleichszahlung gemäß § 94 EheG bzw die Forderung einer solchen oder die Ausdehnung eines auf eine Ausgleichszahlung gerichteten Begehrens wird nach der gefestigten Judikatur des Fachsenats davon nicht berührt, handelt es sich doch beim – letztlich erst vom Gericht festzulegenden – Anspruch auf eine Ausgleichszahlung nicht um einen der Aufteilung unterliegenden Vermögensgegenstand, sondern vielmehr um ein Instrument, mit dem bei der realen Zuteilung (oder Belassung) des vorhandenen Vermögens verbleibende Unbilligkeiten ausgeglichen werden sollen (RIS Justiz RS0057583 [T13]; RS0109615 [T5]). Bei der Festsetzung der Ausgleichszahlung ist aber grundsätzlich das gesamte nach den §§ 81 ff EheG der Aufteilung unterliegende Vermögen zu erfassen (RS0057583 [T15]; RS0109615 [T9]).
Von diesen Grundsätzen ging das Rekursgericht aus, ohne dass der Mann dazu eine Fehlbeurteilung aufzuzeigen vermag. Es erachtete seinen Einwand, wonach der Anspruch auf eine Ausgleichszahlung wegen der von der Frau zur Abdeckung der Schulden seines Einzelunternehmens geleisteten Beträge (vgl § 91 Abs 2 EheG) verfristet sei, für nicht berechtigt. Entgegen der Ansicht des Mannes im Revisionsrekurs wurden der Frau nicht „weitere, bisher nicht behauptete Vermögensgegenstände“ zugewiesen, sondern sie argumentierte nach Ablauf der Frist des § 95 EheG mit zwei Lebensversicherungsverträgen, die sie zur Abdeckung von Schulden des Unternehmens des Mannes verwendete, was bei Bemessung der Ausgleichszahlung zu berücksichtigen sei.
2. Der Mann hat sein Unternehmen während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft im Jahr 1998 geschlossen. Die daraus resultierenden Schulden von 1,5 Mio Schilling schuldete er im Juli 1999 um. Zu diesem Zweck schlossen er und seine (damalige) Frau als Kreditnehmer mit dem Zweck „Umschuldung“ einen Abstattungskreditvertrag mit einem Kreditunternehmen ab. Die Vorinstanzen beurteilten diesen Kreditvertrag als Unternehmenskredit und bezogen ihn mangels Konnexität im Sinn des § 81 Abs 1 und § 83 Abs 1 EheG nicht – als Passivum – in die Aufteilung ein, weil er zur Umschuldung von Betriebsverbindlichkeiten des Mannes aufgenommen worden sei. Daran würde auch der Umstand nichts ändern, dass das Unternehmen des Mannes bei Aufnahme des „Umschuldungskredits“ bereits aufgelöst gewesen sei. Dass hinsichtlich dieses Kredits vom Erstgericht im ersten Rechtsgang ein Ausspruch nach § 98 EheG getroffen wurde (der Beschluss erwuchs mittlerweile in Rechtskraft), sei unbekämpft geblieben und nicht weiter relevant.
Der Mann strebt ausgehend davon, dass die einem Unternehmen gewidmeten Vermögenswerte dann in die Aufteilungsmasse einer nachehelichen Vermögensauseinandersetzung fielen, wenn das Unternehmen im maßgeblichen Zeitpunkt der Auflösung der ehelichen Gemeinschaft gar nicht mehr existierte (vgl RS0115569), an, die bestehenden Verbindlichkeiten aus dem von beiden Parteien im Juli 1999 aufgenommenen Kredit in die Aufteilung einzubeziehen. Er übersieht dabei aber, dass bei der Aufteilung nur Schulden, die mit dem ehelichen Gebrauchsvermögen und den ehelichen Ersparnissen in einem inneren Zusammenhang stehen, in Anschlag zu bringen sind (§ 81 Abs 1 EheG). Darüber hinaus ist nur auf Schulden, die (sonst) mit dem ehelichen Lebensaufwand zusammenhängen, Bedacht zu nehmen (§ 83 Abs 1 EheG). Er vermag aber nicht aufzuzeigen, dass dieser Kreditvertrag, der nach den Ausführungen des Erstgerichts „rein betrieblichen Zwecken“ diente und mit dem seine Verbindlichkeiten aus seinem aufgelösten Einzelunternehmen umgeschuldet wurden, mit ehelichem Gebrauchsvermögen oder ehelichen Ersparnissen im inneren Zusammenhang steht oder mit ehelichem Lebensaufwand zusammenhängt. Damit scheidet aber eine Einbeziehung der noch offenen Kreditschulden in die Aufteilung aus.
3. Dass der Mann aufgrund seiner finanziellen Verhältnisse nicht in der Lage wäre, die begehrte und letztlich zuerkannte Ausgleichszahlung zu leisten, behauptet er erstmals im Revisionsrekurs. Dabei handelt es sich um eine unbeachtliche Neuerung (§ 66 Abs 2 AußStrG). Zudem hätte er während der knapp zehnjährigen Verfahrensdauer Mittel ansparen können, damit es ihm leicht möglich ist, die (von Anfang an begehrte und schließlich auch zugesprochene) Ausgleichszahlung zu leisten (vgl RS0057642).
4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
5. Die Frau hat in ihrer Revisionsrekursbeantwortung auf die fehlende Zulässigkeit des Rechtsmittels des Mannes hingewiesen. Ihr steht daher gemäß § 78 Abs 2 AußStrG der Ersatz der im Zwischenstreit über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses entstandenen Kosten zu (RS0122774). Die Kosten sind auf der Basis der Bemessungsgrundlage von 24.250 EUR zuzusprechen; gemäß § 23 Abs 3 RATG beträgt der Einheitssatz 50 % (anstatt wie verzeichnet 150 %).