15Os109/20y – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Oktober 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in der Strafsache gegen G***** K***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 zweiter Fall, 15 StGB, AZ 613 Hv 14/20b des Landesgerichts Korneuburg, über die Grundrechtsbeschwerde der Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 8. September 2020, AZ 32 Bs 213/20p (ON 98 der Hv Akten), nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019 den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Grundrechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Das Landesgericht Korneuburg verhängte mit Beschluss vom 3. Juli 2020 (ON 83) über d ie am 7 . März 2020 auf Grundlage eines Europäischen Haftbefehls (ON 66, 67) in Deutschland festgenommene (ON 72) und am 2. Juli 2020 an Österreich übergebene (ON 74–78 ) G***** K***** die Untersuchungshaft aus den Gründen der Flucht- und der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 und Z 3 lit b StPO und setzte diese nach Durchführung einer Haftverhandlung (ON 85 ) mit Beschluss vom 15. Juli 2020 (ON 86) aus denselben Haftgründen fort.
Mit der nunmehr angefochtenen Entscheidung (ON 98) wies das Oberlandesgericht Wien den gegen die Anklageschrift vom 22. Juli 2020 (ON 88), erhobenen Einspruch der Angeklagten (ON 96 ) ab und legte die Akten wegen Bedenken gegen die örtliche Zuständigkeit des Landesgerichts Korneuburg gemäß § 215 Abs 4 zweiter Satz dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor (14 Ns 49/20x) .
Gemäß § 214 Abs 3 StPO setzte das Oberlandesgericht die Untersuchungshaft aus den Gründen der Flucht und der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 und Z 3 lit b StPO fort.
Dabei ging es (BS 11 f) vom dringenden Verdacht aus, G***** K***** habe in der Zeit vom 2. Dezember 2018 bis zumindest 28. Juni 2019 in K***** und anderen Orten gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 StGB), teilweise im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem rechtskräftig zu AZ 613 Hv 4/20g des Landesgerichts Korneuburg verurteilten Ü***** C*****, mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die wahrheitswidrige Vorgabe, sie werde die Kredite binnen der vereinbarten Laufzeit vollständig zurückzahlen bzw ihren Zahlungsverpflichtungen vollständig nachkommen, teilweise unter Benützung falscher Urkunden, nämlich durch die Vorlage gefälschter Lohnbestätigungen, Meldebestätigungen und Personaldokumente, nachgenannte Bankangestellte, Verfügungsberechtigte und Kreditnehmer zur Gewährung von Krediten oder zum Abschluss von Verträgen, somit zu Handlungen verleitet bzw zu verleiten versucht, welche die genannten Bankinstitute, Verfügungsberechtigte und Kreditnehmer insgesamt in einem Betrag von ca 125.808,27 Euro am Vermögen schädigten, und zwar
I./ am 3. Dezember 2018 in N***** E***** und E***** C***** zum Abschluss eines Finanzierungskredits bei der S***** Bank für den Ankauf eines Porsche Panamera, Gesamtschaden von 55.749,10 Euro, wobei sie N***** E***** und E***** C***** ein Schriftstück einer „Europäischen Kreditbank“ vorlegte, in dem ein Kredit von 100.000 Euro zugesichert wurde, und angab, den Kredit damit nach 14 Tagen zu bedienen;
II./ am 19. Februar 2019 in D***** Angestellte des Unternehmens G***** L***** Kfz Handel zur Einräumung eines Finanzierungskredits für einen weißen BMW 435d x Drive Coupe von 35.600 Euro zum Nachteil der B*****, durch Verwendung der erfundenen persönlichen Daten des M***** G***** und unter Vorlage von gefälschten Dokumenten (gefälschte Ausweise, gefälschter Einkommensnachweis, gefälschte ZMR Bestätigung und gefälschte r Versicherungsdatenauszug), wobei es beim Versuch blieb, weil der Finanzierungsantrag durch die B***** abgelehnt wurde;
III./ am 5. März 2019 in D***** Angestellte des Unternehmens G***** L***** Kfz Handel zur Einräumung eines Finanzierungskredits für einen weißen BMW 435d x Drive Coupe von 40.263 Euro zum Nachteil der S***** Bank, durch Verwendung der persönlichen Daten des C***** Gö***** und unter Vorlage von gefälschten Lohnzetteln und einer gefälschten ZMR Meldebestätigung;
IV./ am 12. März 2019 in E***** Angestellte de s Unternehmens A***** S***** O***** zur Einräumung eines Kredits von 17.747,24 Euro durch Vorlage gefälschter Personaldokumente, gefälschter Lohn und Gehaltsabrechnungen, einer gefälschte n Anmeldebescheinigung und eines gefälschten ZMR Auszugs, lautend auf die erfundene Person M***** G*****, geboren am 17. August 1993, bulgarischer Staatsbürger;
V./ am 14. Mai 2019 in S***** Angestellte des Unternehmens M***** zur Einräumung eines Finanzierungskredites von 3.633,97 Euro zum Nachteil der B*****, durch Verwendung der erfundenen persönlichen Daten des M***** G*****, wobei es beim Versuch blieb, da der Finanzierungsantrag durch die B***** abgelehnt wurde;
VI./ am 6. Juni 2019 in L***** Angestellte des Unternehmens A***** zum Abschluss eines Mobilfunkvertrages samt Mobiltelefon (I-Phone XS 256GB Grau) im Betrag von 1.349 Euro zum Nachteil des L***** A***** durch Verwendung der persönlichen Daten des L***** A***** und unter Vorlage des Originalführerscheins des L***** A*****;
VII./ am 6. Juni 2019 in S***** Angestellte des Unternehmens Mc***** zur Einräumung eines Finanzierungskredits für insgesamt vier Elektrogeräte (2x MacBook Pro 13 inch, Apple Watch Series 4 und I-Phone XS 512GB Gold) und einer Geräteversicherung im Betrag von insgesamt 5.573,52 Euro zum Nachteil der S***** Bank durch Verwendung der persönlichen Daten des L***** A***** und unter Vorlage des Originalführerscheins des L***** A***** sowie Vorlage einer Bankomatkarte lautend auf M***** G*****;
VIII./ am 6. Juni 2019 in L***** Angestellte des Unternehmens H***** GmbH zum Abschluss eines Mobilfunkvertrags samt Mobiltelefon (Iphone XS 512GB Grau) im Betrag von 1.154,53 Euro zum Nachteil des L***** A***** durch Verwendung der persönlichen Daten des L***** A***** und unter Vorlage des Originalführerscheins des L***** A*****;
IX./ am 25. Juni 2019 in L***** Angestellte des Unternehmens Mc***** zur Einräumung eines Finanzierungskredits für diverse Elektrogeräte der Marke Apple in der Höhe von insgesamt ca 7.000 Euro zum Nachteil der S***** Bank durch Verwendung der persönlichen Daten des M***** T***** und unter Vorlage einer Meldebestätigung, von drei Lohnzetteln sowie der Kopie einer Bankomatkarte, wobei es beim Versuch blieb, da der Finanzierungsantrag durch die S***** Bank abgelehnt wurde;
X./ am 28. Juni 2019 in L***** Angestellte des Unternehmens Mc***** zur Einräumung eines Finanzierungskredits für diverse Elektrogeräte der Marke Apple von insgesamt 3.971,88 Euro zum Nachteil der S***** Bank, durch Verwendung der persönlichen Daten des L***** A***** und unter Vorlage des Originalführerscheins des L***** A*****.
In rechtlicher Hinsicht subsumierte das Oberlandesgericht dieses Verhalten dem Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 zweiter Fall, 15 StGB (BS 2, 12).
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene Grundrechtsbeschwerde der G***** K***** orientiert sich nicht am Gesetz:
Gemäß § 1 Abs 1 GRBG ist die Grundrechtsbeschwerde an den Obersten Gerichtshof nur nach Erschöpfung des Instanzenzugs zulässig.
Dabei ist der Instanzenzug nicht nur vertikal, sondern auch horizontal zu erschöpfen, was bedeutet, dass die argumentative Basis der Grundrechtsbeschwerde bereits im Instanzenzug vorgebracht worden sein muss. Dem zuwider hat die Beschwerdeführerin ihre Freilassung nicht auf dem in der Prozessordnung vorgesehenen Weg begehrt und damit die zuständigen Gerichte gerade nicht in die Lage versetzt, ihre diesbezüglichen Argumente zu erwägen (vgl 13 Os 110/15y mwN). Im Anklageeinspruch wurde ausschließlich die Frage der örtlichen Zuständigkeit angesprochen.
Die Zulässigkeitsvoraussetzung der Erschöpfung des Instanzenzugs ist nicht erfüllt, weshalb die Beschwerde ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) zurückzuweisen war.