26Ds1/19z – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 15. Oktober 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Angermaier und Dr. Schimik sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Univ. Prof. Dr. Bydlinski in Gegenwart von Mag. Doll als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Verletzung von Ehre und Ansehen des Standes über die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Präsidenten des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer ***** vom 21. Februar 2018, AZ D 134/13 (ON 44), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen. Der angefochtene Beschluss wird ersatzlos aufgehoben.
Text
Gründe:
[1] Mit Schriftsatz vom 17. Jänner 2018 (ON 36) lehnte Rechtsanwalt ***** gemäß § 33 Abs 2 DSt zwei der ihm mit der Ladung zur mündlichen Disziplinarverhandlung im zweiten Rechtsgang (vgl ON 33) bekanntgegebenen Mitglieder des erkennenden Senats ab und wies ferner darauf hin, dass ein Senatsmitglied bereits an der Entscheidung im ersten Rechtsgang beteiligt gewesen sei. Nachdem Rechtsanwalt ***** weiters mit Note des Vorsitzenden des Disziplinarrats vom 6. Februar 2018 (ON 38) mitgeteilt worden war, dass infolge Verhinderung des (nachgerückten) Senatsmitglieds ***** an dessen Stelle ***** trete (ON 38), lehnte der B eschuldigte mit Eingabe vom 16. Februar 2018 (ON 39) auch ***** gemäß § 33 Abs 2 DSt ab. Mit Beschluss vom 21. Februar 2018 (ON 44) wies der Präsident des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer ***** den „Antrag“ des Disziplinarbeschuldigten vom 16. Februar 2018, „die Ablehnung des Senatsmitglieds ***** gemäß § 33 DSt zur Kenntnis zu nehmen“, zurück.
[2] Mit Schriftsatz vom 19. November 2018 (ON 47) erhob der B eschuldigte – im Zweifel rechtzeitig (vgl RIS Justiz RS0100136) – Beschwerde gegen den Beschluss des Präsidenten des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer ***** vom 21. Februar 2018 (ON 44).
[3] Die Beschwerde ist unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
[4] Gemäß § 26 Abs 3 DSt ist der B eschuldigte berechtigt, einzelne Mitglieder des Disziplinarrats unter Angabe bestimmter Gründe wegen Befangenheit abzulehnen. Über das Vorliegen von Befangenheitsgründen entscheidet vor der mündlichen Disziplinarverhandlung der Präsident des Disziplinarrats; gegen dessen Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht zulässig (§ 26 Abs 5 DSt). Unbeschadet dieses Ablehnungsrechts wegen Befangenheit hat der B eschuldigte gemäß § 33 Abs 2 DSt das Recht, innerhalb einer Woche nach Zustellung der Ladung (vgl § 33 Abs 1 DSt) ohne Angabe von Gründen zwei Mitglieder durch Ablehnung von der Teilnahme an der Verhandlung auszuschließen. Dieses Recht kann nur bei der ersten Ladung sowie bei geänderter Senatszusammensetzung hinsichtlich neuer Senatsmitglieder geltend gemacht werden. Beim Recht des B eschuldigten nach § 33 Abs 2 DSt handelt es sich um eine dessen Rechtsstellung begünstigende Spezialnorm. Es dient der Wahrnehmung nicht näher begründbarer Befangenheitsprobleme oder von Gründen, die (allenfalls) nicht zur erfolgreichen Ablehnung wegen Befangenheit reichen, aber zwischen Berufskollegen nicht selten vorkommen können, und die – im Anwendungsbereich des § 33 DSt – nicht genannt werden müssen (vgl Lehner in Engelhart et al RAO DSt § 33 Rz 2; RIS Justiz RS0115213; ErläutRV 1188 BlgNR 17. GP 27). Durch Ablehnung nach § 33 Abs 2 DSt sind die konkreten Mitglieder des Disziplinarrats von der Teilnahme an der Verhandlung und Entscheidung ausgeschlossen (vgl Lehner in Engelhart et al RAO DSt § 33 Rz 2; vgl OBDK 24. März 2003, 4 Bkd 3/02, AnwBl 2003/7899). Durch die Ausübung dieses Ausschließungsrechts kommt es zu einer geänderten Zusammensetzung des erkennenden Senats (vgl § 30 DSt) durch Nachrücken der nach der Geschäftsverteilung (vgl § 15 Abs 4 DSt) hiezu berufenen Mitglieder des Disziplinarrats. Anders als über eine Ablehnung gemäß § 26 Abs 3 DSt ist über eine Ablehnung (Ausschließung) gemäß § 33 Abs 2 DSt nicht zu entscheiden (vgl AnwBl 2001/7774, Strigl ); insbesondere ist eine Entscheidung des Präsidenten des Disziplinarrats über eine Ablehnung gemäß § 33 Abs 2 DSt – anders als über einen vor der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag iSd § 26 Abs 3 DSt (vgl § 26 Abs 5 DSt) – im Gesetz nicht vorgesehen. Vielmehr hat der Vorsitzende des erkennenden Senats im Fall zulässiger Ausübung des Ausschließungsrechts mittels – nicht gesondert anfechtbarer (vgl § 58 DSt) – prozessleitender Verfügung die entsprechenden Veranlassungen (Ladung der nachrückenden Senatsmitglieder) zu treffen (vgl § 31 Abs 1 DSt; § 77 Abs 3 DSt iVm § 221 StPO). Mit dem angefochtenen Beschluss hat der Präsident des Disziplinarrats über den „Antrag“ des B eschuldigten auf Ablehnung des Senatsmitglieds ***** gemäß § 33 Abs 2 DSt (abschlägig) entschieden. Zu einer derartigen Entscheidung fehlt dem Präsidenten des Disziplinarrats jedoch – wie oben ausgeführt wurde – die Kompetenz. Die dagegen gerichtete Beschwerde war daher mangels gesetzlichen Bezugspunkts dieses Rechtsmittels zurückzuweisen und der demnach wirkungslose Beschluss zur Klarstellung zu beseitigen (vgl Ratz , WK StPO § 292 Rz 45; RIS Justiz RS0116267, RS0116270; vgl auch 14 Os 46/14t).