JudikaturOGH

26Ds1/19z – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. Oktober 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 15. Oktober 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Angermaier und Dr. Schimik sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Univ. Prof. Dr. Bydlinski in Gegenwart von Mag. Doll als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Verletzung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufung des Beschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer ***** vom 21. Februar 2018, AZ D 134/13, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin MMag. Sauter Longitsch LL.M., des Kammeranwalts Dr. Meyenburg und des Beschuldigten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld wird nicht Folge gegeben, das angefochtene Erkenntnis, das im Übrigen unberührt bleibt, aus Anlass der Berufung in der Subsumtion der Taten auch unter die Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung ersatzlos und demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und der Beschuldigte für die ihm weiterhin zur Last liegenden Disziplinarvergehen der Verletzung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt zu einer Geldbuße von 500 Euro verurteilt.

Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe wird der Beschuldigte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Beschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer ***** vom 8. Oktober 2015 (ON 20) wurde Rechtsanwalt ***** – im ersten Rechtsgang – der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes (zu ergänzen:) nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt. Demnach hatte er „durch Äußerungen in Schriftsätzen vom 25. 9. 2012 (Einspruch, Antrag gemäß § 7 Abs 3 EO, Aufschiebungsantrag) und im Rekurs vom 26. 3. 2013 dadurch, dass er den Richtern der OLG Graz Beschlüsse je vom 27. 3. 2012 zu 7 R 11/12k und 7 R 10/12p sowie je 21. 6. 2012 zu 7 R 12/lif und 7 R 13/lib je Amtsmissbrauch durch Erlassung dieser Beschlüsse vorwarf, sowie dass dies demjenigen, der aufgrund der Beschlüsse Exekution führe, bekannt sein müsse, und dass er weiters im Aufschiebungsantrag vom 25. 9. 2012 vorwarf, dass die mit der Einleitung des Exekutionsverfahrens bezweckte Vermögensverschiebung strafgesetzwidrig wäre, sowie indem er dem Betreibendenvertreter und seiner Mandantschaft Geldwäscherei vorgeworfen habe, die Grenzen des § 9 Abs 1 RAO überschritten“. Mit Urteil des Obersten Gerichtshofs als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter vom 17. Februar 2017, AZ 26 Os 6/16a, 7/16y (ON 30), wurde der Berufung des Disziplinarbeschuldigten Folge gegeben, das angefochtene Erkenntnis aufgehoben, eine neue Verhandlung angeordnet und die Sache an den Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer ***** verwiesen. Mit Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer ***** vom 21. Februar 2018 wurde Rechtsanwalt ***** – im zweiten Rechtsgang – erneut wegen des im aufgehobenen Erkenntnis vom 8. Oktober 2015 genannten Verhaltens der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes (zu ergänzen:) nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt und zur Disziplinarstrafe der Geldbuße in Höhe von 1.000 Euro verurteilt.

[2] Mit Schriftsatz vom 19. November 2018 (ON 47) erhob der Beschuldigte – im Zweifel rechtzeitig (vgl RIS Justiz RS0100136) – Berufung gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats dieser Rechtsanwaltskammer vom 21. Februar 2018 und brachte unter einem einen Antrag auf Berichtigung des Protokolls über die mündliche Disziplinarverhandlung vom 21. Februar 2018 (ON 42) ein.

Rechtliche Beurteilung

[3] Mit Beschluss vom 23. November 2018 (ON 52) berichtigte der Vorsitzende des Disziplinarrats gemäß § 77 Abs 3 DSt iVm § 271 Abs 7 StPO das Protokoll über die Disziplinarverhandlung vom 21. Februar 2018 im Sinn des Antrags des B eschuldigten. Das Disziplinarerkenntnis wurde dem Beschuldigten am 28. Juni 2019 durch Hinterlegung (nochmals) zugestellt.

[4] Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Berufung des Beschuldigten wegen (der Sache nach) Nichtigkeit, Schuld und (implizit: § 49 letzter Satz DSt) Strafe, der in den beiden erstgenannten Anfechtungspunkten keine Berechtigung zukommt. Eine neue Ausführung der Berufung wurde innerhalb der neu ausgelösten Rechtsmittelausführungsfrist nicht erstattet, sodass die bereits eingebrachte Ausführung (ON 47) maßgeblich ist (RIS Justiz RS0126527, RS0126175).

[5] Die Besetzungsrüge (§ 281 Abs 1 Z 1 StPO) behauptet zu Unrecht eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter zufolge (ersatzweiser) Beiziehung der Rechtsanwältin ***** als Mitglied des erkennenden Senats anstelle von Rechtsanwalt *****: Mit Verfügung des Vorsitzenden ***** vom 20. Dezember 2017 wurde die mündliche Disziplinarverhandlung für den 21. Februar 2018 16:00 Uhr anberaumt (bei ON 33), zu der der B eschuldigte unter Bekanntgabe der nach der Geschäftsverteilung zuständigen Mitglieder des Senates und der für den Fall deren Verhinderung oder Ablehnung tretenden Senatsmitglieder geladen wurde (ON 33). Mit Schreiben vom 30. Jänner 2018 teilte ***** als – infolge Ablehnung einzelner Senatsmitglieder durch den B eschuldigten (vgl ON 36) – nachgerücktes Senatsmitglied mit, dass er am 21. Februar 2018 von 13:30 Uhr bis 17:30 Uhr eine Verhandlung vor dem Bezirksgericht für Handelssachen Wien zu verrichten habe und daher an der Teilnahme an der mündlichen Disziplinarverhandlung verhindert sei (ON 37). Der B eschuldigte wurde daraufhin mit Schreiben des Vorsitzenden vom 6. Februar 2018 verständigt, dass infolge Verhinderung des Senatsmitglieds ***** an dessen Stelle ***** trete (ON 38). § 15 Abs 4 DSt normiert für erkennende Senate (vgl § 30 DSt) das Prinzip der festen Geschäftsverteilung: Demnach hat der Präsident des Disziplinarrats die erkennenden Senate jährlich nach der Vollversammlung der Rechtsanwaltskammer zu bilden und die Geschäfte unter ihnen im Vorhinein zu verteilen. Gleichzeitig ist die Reihenfolge zu bestimmen, in der die weiteren Mitglieder des Disziplinarrats bei Verhinderung eines Senatsmitglieds in die Senate eintreten. Der Einwand, der B eschuldigte sei infolge Teilnahme der Vertreterin des zuständigen Senatsmitglieds ***** an der mündlichen Disziplinarverhandlung am 21. Februar 2018 in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt worden, geht schon deshalb ins Leere, weil der Vertretungsfall bei jedweder Abwesenheit des ursprünglich zuständigen Senatsmitglieds eintritt (vgl RIS Justiz RS0123066; vgl auch 15 Os 24/07d). Die vom B eschuldigten ersichtlich intendierte Verlegung der mündlichen Disziplinarverhandlung auf einen anderen Termin war daher nicht geboten.

[6] Soweit der B eschuldigte unter Hinweis auf das ihn freisprechende Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer ***** vom 13. Juni 2016, AZ D 137/14, und die bezughabende Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 28. November 2017, AZ 26 Ds 2/17v, für ihn günstigere Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der hier verfahrensgegenständlichen Äußerungen in den Schriftsätzen vom 25. September 2012 und vom 26. März 2013 fordert, vermag er – unter dem Aspekt einer Schuldberufung – keine Bedenken gegen die Beweiswürdigung des Disziplinarrats in Bezug auf die solcherart kritisierten Feststellungen (vgl RIS Justiz RS0092588) zum Bedeutungsinhalt der inkriminierten Äußerungen (vgl ES 15, 17 ff) und deren Richtigkeit zu wecken.

[7] Indem der B eschuldigte erneut behauptet, er sei seinem gesetzlichen Richter entzogen worden, und die Begründung des Disziplinarerkenntnisses als „infame Lüge“ bezeichnet, vermag er – unter dem Gesichtspunkt einer Schuldberufung – keine Bedenken gegen die erstinstanzliche Beweiswürdigung zu wecken. Das Vorbringen, der erkennende Senat habe „aus Teilnehmerinnen und/oder Unterstützerinnen der oben beschriebenen rechtsstaatsfeindlichen Verbindung“ bestanden, ist einer sachlichen Erwiderung nicht zugänglich. Mit der Behauptung, die inkriminierten Äußerungen seien „Gegenstand eines Oppositions- und Impugnationsverfahrens“ gewesen, in dem der B eschuldigte „die Richtigkeit der ihm nunmehr als disziplinär vorgeworfenen Tatsachenbehauptungen unter Beweis gestellt“ habe, und es sei ausschließlich Sache des in diesem Verfahren erkennenden Gerichts zu klären, inwiefern die „Sachverhaltsbehauptungen“ des B eschuldigten zutreffen, zeigt die Berufung keine Umstände auf, die geeignet wären, Zweifel an der Beweiswürdigung des Disziplinarrats hinsichtlich des Bedeutungsinhalts der inkriminierten Äußerungen zu wecken. Der Vorwurf, der Disziplinarrat versuche durch ein willkürliches Disziplinarverfahren den B eschuldigten „wieder einmal seinem gesetzlichen Richter zu entziehen und ihn durch gefährliche Drohung an der Geltendmachung seiner Rechte zu hindern“, ist einer sachlichen Erwiderung nicht zugänglich.

[8] Gleiches gilt für das Vorbringen, die rechtliche Beurteilung des Disziplinarrats sei „rechtswissenschaftlich dermaßen verfehlt, dass es müßig erscheint, dagegen noch Argumente aufbieten zu wollen“, und erweise sich „als bloße Bemäntelung eines rechtswidrigen Angriffes auf den Disziplinarbeschuldigten, um diesem die Verfolgung seiner Rechte zu erschweren“. Inwiefern der Disziplinarrat gegen „die Rechtskraft dieser Entscheidungen“ verstoßen haben soll, ist nicht nachvollziehbar. Soweit der Berufungswerber, gestützt auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO, Feststellungen zum Verfahren AZ 2 Nc 1/12y des Landesgerichts Leoben vermisst, leitet er deren rechtliche Relevanz nicht aus einem Vergleich mit dem Gesetz ab. Das Berufungsvorbringen, im Disziplinarerkenntnis sei „bloß der Inhalt von Schriftsätzen festgestellt“ worden, ignoriert prozessordnungswidrig (RIS Justiz RS0099810) die Sachverhalts feststellungen zum Bedeutungsinhalt der inkriminierten Textpassagen. Welche darüber hinausgehenden Konstatierungen für die rechtsrichtige Subsumtion erforderlich sein sollen, erklärt die „sekundäre Feststellungsmängel“ behauptende Berufung nicht.

[9] Allerdings ist das Erkenntnis mit vom Beschuldigten ungerügter, diesem zum Nachteil gereichender materieller Nichtigkeit behaftet (§ 77 Abs 3 DSt iVm § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO). Der Disziplinarrat ging davon aus, dass der Beschuldigte in eigener Sache tätig geworden ist (vgl ES 8 ff). Ein Rechtsanwalt kann in eigenen Angelegenheiten – von seinen Verpflichtungen gegenüber den Standesbehörden abgesehen – keine Berufspflichtenverletzung begehen (vgl RIS Justiz RS0056156, RS0054900, RS0054951). Die Subsumtion des dem B eschuldigten angelasteten Überschreitens des in Schriftsätzen zulässigen Maßes seiner Äußerungen (auch) unter das Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt erweist sich als verfehlt (vgl RIS Justiz RS0118449), wobei sich dieser Rechtsfehler aufgrund der erschwerenden Berücksichtigung der „doppelten Qualifikation der Berufspflichtenverletzung und Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes“ (ES 21) für den Berufungswerber auch konkret nachteilig ausgewirkt hat.

[10] Der Berufung des B eschuldigten wegen Nichtigkeit und Schuld war daher nicht Folge zu geben. Aus deren Anlass war das angefochtene Erkenntnis, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, in der rechtlichen Unterstellung der Taten auch unter die Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt sowie demzufolge auch im Strafausspruch aufzuheben und für die dem B eschuldigten weiterhin zur Last liegenden Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt die Strafe neu zu bemessen. Von der angemessenen Geldbuße von 700 Euro war zum Ausgleich der unverhältnismäßigen Dauer des Verfahrens (Art 6 Abs 1 MRK) ein Teil von 200 Euro abzuziehen, woraus sich die im Spruch genannte Geldbuße ergab. Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe (§ 49 letzter Satz DSt) war der B eschuldigte auf diese Entscheidung zu verweisen.

[11] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.

Rückverweise