JudikaturOGH

11Os91/20x – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. September 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. September 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen B***** wegen der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2013/116 und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 5. Juni 2020, GZ 16 Hv 4/20b-43, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde B***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2013/116 (I./A./ und B./) sowie des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt.

Danach hat er in W***** und ander norts

I./ K***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, und zwar

A./ in der Nacht von 11. auf den 12. Dezember 2018, indem er ihr den Mund zuhielt, sie würgte, sie auf das Bett stieß, ihr eine Hand nach hinten verdrehte, ihr mit der flachen Hand ins Gesicht und auf den Oberschenkel schlug, ihre Unterhose zur Seite schob und mit seinem Penis vaginal in sie eindrang;

B./ am 1. Jänner 2019, indem er sie auf das Bett stieß, ihr den Mund zuhielt, ihre Hände festhielt und ihre Beine auseinanderdrückte und anschließend mit seinem Penis vaginal in sie eindrang;

II./ in der Zeit von August 2018 bis Februar 2019 gegen K***** längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, indem er in oftmaligen, zumindest einmal monatlichen Angriffen mit der Hand oder in einem Fall mit einem Holzstab auf ihren Kopf und Körper schlug, ihren Kopf gegen die Wand schlug, sie mit Füßen trat, wodurch sie Hämatome am Oberkörper, den Oberschenkeln, im Gesicht und Schmerzen am ganzen Körper erlitt, sie unter Vorhalt eines Messers mit dem Umbringen bedrohte, diese somit am Körper misshandelte und vorsätzliche mit Strafe bedrohte Handlungen teils gegen Leib und Leben (§ 83 Abs 1 StGB § 83 Abs 2 StGB), gegen die Freiheit (§ 107 Abs 1, Abs 2 StGB) beging.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen der ersichtlich in Ansehung der Schuldsprüche I./A./ und B./ ausgeführten Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch Abweisung (ON 42 S 36) der begehrten Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, „dass das Geschlechtsteil des Angeklagten zu klein für eine Vergewaltigung ist“ (ON 42 S 35), Verteidigungsrechte nicht verletzt.

Denn inwieweit mit Blick auf den Umstand, dass bei entsprechender innerer Tatseite Vollendung des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB bereits mit dem Unternehmen des Beischlafs, also schon mit Berührung der äußeren Geschlechtsteile von Täter und Opfer, und nicht erst mit dessen Vollzug eintritt und überdies die Frage einer allfälligen Erektion des männlichen Glieds bzw dessen bloß teilweisen Eindringens unbeachtlich ist (RIS Justiz RS0115581, RS0090720; Philipp in WK 2 StGB § 201 Rz 43), dieses Beweisthema dennoch geeignet sein soll, einen für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage erheblichen Umstand zu betreffen (§ 55 Abs 2 Z 2 StPO; RIS-Justiz RS0116503; Ratz , WK StPO § 281 Rz 327 und 340), wird nicht dargelegt .

I m Übrigen überging der Antrag die – ein diesbezügliches Vorbringen erheischende – Verantwortung des Angeklagten, wonach er während des Tatzeitraums Geschlechtsverkehr nicht nur mit dem Tatopfer, sondern „ab und zu“ auch mit einer Russin und einmal auch mit einer Frau , mit der er überdies ein gemeinsames Kind hat (ON 42 S 15 ff), vorgenommen habe (vgl US 11 f). Ausführungen dazu im Rechtsmittelverfahren sind verspätet und somit unbeachtlich.

Die in Ansehung des Schuldspruchs II./ eine fehlende bzw offenbar unzureichende Begründung zu im einzelnen konstatierten Übergriffen (US 3 ff) relevierende Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) hält nicht wie geboten an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe fest (RIS Justiz RS0166504, RS0119370; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 394), indem bloß eine Passage des Urteils zitiert, die restlichen Erwägungen (insb US 7 bis 10) jedoch ignoriert werden. Überdies ist der Verweis auf die als glaubwürdig und nachvollziehbar erachteten, vor der Kriminalpolizei und anlässlich der kontradiktorischen Vernehmung erfolgten Angaben des Tatopfers (US 7 f) sowie auf die hiezu „kongruente Aussage“ der Zeugin Jihane H***** (US 9) und das vom Tatopfer (auch hinsichtlich der erlittenen Verletzungen) samt Lichtbildern angefertigte Gedächtnisprotokoll (US 9) logisch und empirisch einwandfrei und solcherart nicht zu beanstanden.

Die zur bestimmten, aber gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) verhaltenen Tatrichter sind im Übrigen nicht verpflichtet, den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen im Einzelnen dahingehend zu erörtern, wie weit sie für oder gegen diese oder jene Geschehensvariante sprechen, und sich mit den Beweisergebnissen in Richtung aller denkbaren Schlussfolgerungen auseinanderzusetzen (RIS Justiz RS0098377; Ratz , WK StPO § 281 Rz 428).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der Äußerung des Angeklagten hiezu – bereits nach nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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