8Ob74/20w – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely Kristöfel als weitere Richter in der Ablehnungssache der Antragstellerinnen 1. Mag. K*****, 2. Dr. J*****, 3. MMag. B*****, und 4. MMag. C*****, sämtliche vertreten durch Dr. Maria Lisa Doll Aidin, Rechtsanwältin in Salzburg, betreffend die Ablehnung der Richterin Mag. E*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 25. Juni 2020, GZ 7 R 10/20z 6, mit dem der Rekurs der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 5. März 2020, GZ 3 Nc 11/20y 2, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Antragstellerinnen sind die Zweit-, Viert-, Fünft- und Sechstbeklagte im (anwaltspflichtigen) Anlassverfahren. Mit ihrem am 9. 2. 2020 ohne anwaltliche Fertigung eingebrachten Antrag lehnten sie die dort zuständige Erstrichterin ab. Die abgelehnte Richterin trug den Antragstellerinnen mit Beschluss vom 10. 2. 2020 auf, den Ablehnungsantrag binnen sieben Tagen „durch Unterfertigung durch ihren Rechtsanwalt und Einbringung im ERV“ zu verbessern. Begründend führte sie aus, dass im Anwaltsprozess für einen Ablehnungsantrag Anwaltspflicht gilt.
Das Erstgericht wies den (fristgerecht verbesserten) Ablehnungsantrag nach meritorischer Prüfung ab.
Das Rekursgericht wies den dagegen erhobenen, wiederum nicht von einem Anwalt unterschriebenen, Rekurs der Antragstellerinnen zurück und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Ein Verbesserungsverfahren zur Beibringung einer Anwaltsunterschrift für den Rekurs sei nicht neuerlich einzuleiten. Die Anwaltspflicht sei den Rekurswerberinnen bereits bekannt. Wenn sie dennoch in diesem Bewusstsein wieder ein Rechtsmittel ohne Anwaltsunterschrift einbringen würden, sei daraus nur der Schluss zu ziehen, dass sie diese prozessuale Formvorschrift absichtlich und rechtsmissbräuchlich verletzten.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der (als „Rekurs“ bezeichnete) außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerinnen , der nicht zulässig ist.
Rechtliche Beurteilung
1. Wird im Ablehnungsverfahren ein Rekurs ohne meritorische Prüfung der Ablehnungsgründe aus formellen Gründen zurückgewiesen, ist der Revisionsrekurs nicht im Sinn des § 24 Abs 2 JN jedenfalls unzulässig. Der Rechtszug an den Obersten Gerichtshof setzt aber auch in diesem Fall voraus, dass eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO vorliegt (RIS Justiz RS0044509). Das ist hier nicht der Fall.
2.1 Einer Partei ist in der Regel gemäß §§ 84 f ZPO die Möglichkeit einzuräumen, Formmängel einer Prozesshandlung – zu denen auch die fehlende anwaltliche Vertretung gehört – innerhalb einer vom Gericht zu setzenden Frist zu beheben, außer die Partei hat ihre Eingabe im Bewusstsein ihrer Fehlerhaftigkeit eingebracht (RS0036385 [T11]; RS0036447 [T7]). Die Bestimmungen der ZPO über die Möglichkeit der Verbesserung von Formgebrechen haben den Zweck, eine Partei vor prozessualen Nachteilen zu schützen, die versehentlich oder in Unkenntnis der gesetzlichen Vorschriften einen Formfehler begeht (vgl RS0036447 [T2]; RS0036385 [T2]). Wenn eine Partei prozessuale Formvorschriften allerdings absichtlich und rechtsmissbräuchlich verletzt, ist ihr die Möglichkeit der Verbesserung zu versagen (RS0036385 [T8]). Ob ein Rechtsmissbrauch vorliegt, ist grundsätzlich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (RS0036385 [T7]).
2.2 Die Ansicht des Rekursgerichts, dass hier wegen Rechtsmissbrauchs kein (weiterer) Verbesserungsauftrag ob der auf dem Rekurs (erneut) fehlenden anwaltlichen Fertigung zu erteilen war, hält sich im Rahmen der Rechtsprechung.
Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung durch das Rekursgericht zeigen die Rechtsmittelwerberinnen nicht auf: Sie stellen gar nicht in Abrede, dass ihnen die Anwaltspflicht im Ablehnungsverfahren bekannt war, sondern wenden bloß ein, die zugrundeliegende Rechtsprechung sei unrichtig bzw nicht mit der derzeitigen Situation aufgrund der COVID-19-Problematik in Einklang zu bringen. Die ins Treffen geführten Schwierigkeiten, eine (neue) Rechtsanwältin für die Einbringung eines Rekurses im Ablehnungsverfahren zu finden, sind jedoch in concreto nicht nachvollziehbar, waren die Antragstellerinnen doch schon in erster Instanz von der nun auch in dritter Instanz einschreitenden Anwältin vertreten. Ebenso wenig vermag der Hinweis auf die vermeintlich kurze Rekursfrist von zwei Wochen die fehlende Anwaltsunterschrift auf dem Rechtsmittel zu rechtfertigen. Die Antragstellerinnen sind daran zu erinnern, dass sie die Fristunterbrechung nach § 1 Abs 1 1. COVID-19-JuBG (bis zum Ablauf des 30. 4. 2020) zur Gänze in Anspruch genommen und ihren Rekurs gegen den (bereits am 10. 3. 2020 ihrer Anwältin zugestellten) erstgerichtlichen Beschluss am letztmöglichen Tag, nämlich am 15. 5. 2020 um 23:30:34 Uhr, per Telefax beim Erstgericht eingebracht haben.
2.3 Die Rechtsmittelausführungen sind daher nicht geeignet, die Schlussfolgerung zu erschüttern, dass die Antragstellerinnen mit dem Formmangel auf das Institut der Verbesserung spekuliert haben, um das Verfahren zu verschleppen oder zu verzögern. Dass das Rekursgericht die Antragstellerinnen nicht weiter „zu den Umständen der fehlenden Anwaltsunterschrift“ bzw zum Aktenvermerk befragt hat, in dem das Erstgericht seine Erwägungen zum Unterbleiben eines Verbesserungsauftrags festgehalten hat, begründet damit schon mangels Relevanz keinen Verfahrensfehler. Die behauptete Nichtigkeit wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs ist darin ebenfalls nicht zu erblicken.
3. Das Rechtsmittel war daher zurückzuweisen.