JudikaturOGH

3Ob70/20w – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. September 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Dr. Roch als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei m*gesmbH, *, vertreten durch Dr. Zsizsik Dr. Prattes Rechtsanwälte OG in Bruck an der Mur, und der auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenientin a* GmbH, *, vertreten durch Reif und Partner Rechtsanwälte OG in Kapfenberg, gegen die beklagte Partei E* GesmbH, *, vertreten durch Dr. Klaus Kollmann und andere Rechtsanwälte in Graz, wegen 260.830,48 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 31. Jänner 2020, GZ 2 R 149/19b 19, womit das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 8. Juli 2019, GZ 26 Cg 104/18i 15, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei und der Nebenintervenientin die mit jeweils 2.804,33 EUR (hierin enthalten 467,39 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin war ab Dezember 2011 Mieterin eines Wohnungseigentumsobjekts, in dem sie eine Ordination betreibt. Zuvor hatte die damalige Liegenschaftseigentümerin, eine Wohnbaugenossenschaft, im Frühjahr 2011 die Beklagte mit der Durchführung von Heizungs , Lüftungs und Sanitärarbeiten im Bereich „Wohnungen und Allgemeines“, also auch bezüglich des von der Klägerin gemieteten Objekts, und am 2. August 2011 in einem Zusatzauftrag mit Heizungs- und Sanitärinstallationsarbeiten im Zusammenhang mit dem Ausbau nur des von der Klägerin gemieteten Objekts beauftragt. Mit Kaufvertrag vom 23. Dezember 2014 erwarb die Klägerin von der Wohnbaugenossenschaft 1027/2324 Anteile an der Liegenschaft, verbunden mit Wohnungseigentum an diesem Objekt. Mit Abschluss des Kaufvertrags trat die Wohnbaugenossenschaft sämtliche mit dem Kaufobjekt in Zusammenhang stehenden Schadenersatz- und Gewährleistungsansprüche an die Klägerin ab.

[2] Die Klägerin begehrt nach Klageausdehnung Zahlung von 260.830,48 EUR sA an ihr bereits entstandenen sowie künftig für eine Generalsanierung erforderlichen Kosten, weil die Beklagte die in der Ordination der Klägerin installierte Wasserversorgungsanlage mangelhaft (nicht dem Stand der Technik entsprechend) errichtet habe, weshalb es zu akutem Legionellenwachstum komme.

[3] Die Beklagte wendete insbesondere mangelnde Aktivlegitimation der Klägerin ein.

[4] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne inhaltliche Prüfung des eingeklagten Anspruchs wegen fehlender Aktivlegitimation der Klägerin ab. Die Forderungsabtretung durch die Wohnbaugenossenschaft sei infolge eines im Werkvertrag zwischen dieser und der Beklagten vereinbarten Zessionsverbots unwirksam. Außerdem entscheide in Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung der Liegenschaft, wozu insbesondere die ordnungsgemäße Erhaltung der allgemeinen Teile der Liegenschaft einschließlich der Behebung ernster Schäden des Hauses in einem Wohnungseigentumsobjekt gehöre, die Mehrheit der Wohnungseigentümer. Es könnten zwar auch einzelne Wohnungseigentümer Gewährleistungsansprüche an gemeinschaftlichen Anlagen geltend machen; soweit aber das Vorgehen des einzelnen Eigentümers Gemeinschaftsinteressen beeinträchtigen könnte, sei ein Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer erforderlich. Hier bestünden gemeinschaftliche Interessen an der Herstellung eines mängelfreien Zustands und an einer gemeinschaftlichen Rechtsverfolgung zur Erreichung dieses Zwecks.

[5] Das Berufungsgericht hob infolge Berufung der Klägerin das Urteil des Erstgerichts auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Das vereinbarte Zessionsverbot betreffe lediglich die Zahlungsmodalitäten und stehe daher einer Abtretung der Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche der Werkbestellerin an die Klägerin nicht entgegen. Der Wohnungseigentümer könne die aus seinem Werkvertrag mit dem Errichter der Wohnanlage resultierenden Gewährleistungsansprüche gegen seinen Vertragspartner auch dann allein geltend machen, wenn die Mängel allgemeine Teile der Anlage beträfen. Nur soweit sein Vorgehen Gemeinschaftsinteressen beeinträchtigen könnte, etwa bei der Wahl zwischen Verbesserungs und Preisminderungsbegehren, sei er gehalten, die Zustimmung der Mehrheit der Wohnungseigentümer einzuholen. Gleiches gelte für Schadenersatzansprüche des Wohnungseigentümers aus der Verletzung von Vertragspflichten des von ihm mit der Herstellung der Wohnanlage beauftragten Unternehmers. Vertragliche Schadenersatzansprüche seien grundsätzlich vom jeweiligen Vertragspartner (Wohnungseigentümer oder Eigentümergemeinschaft) geltend zu machen, auch wenn die Mängel allgemeine Teile des Hauses beträfen. Lediglich der Umstand, dass es sich um Mängel an allgemeinen Teilen einer gemeinschaftlichen Sache handle und jedes Mitglied einer Mit- oder Wohnungseigentümergemeinschaft auch die Interessen der übrigen Gemeinschaftsmitglieder zu wahren habe, könne überhaupt dazu führen, dass die Gemeinschaft (mehrheitlich) bei der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen mitzubestimmen habe. Folgerichtig beschränke sich diese Entscheidungsbefugnis auf die Geltendmachung von Gemeinschaftsinteressen, etwa die Wahl zwischen Preisminderung und Verbesserung. Soweit sich die Klägerin auf einen abgetretenen Gewährleistungsanspruch stütze, sei der von der Beklagten erhobene Verjährungseinwand schon auf den ersten Blick berechtigt. Damit scheide aber ein mit der möglichen Wahl zwischen einem Verbesserungs und einem Preisminderungsbegehren zusammenhängender Interessen-konflikt unter den Gemeinschaftsmitgliedern von vornherein aus. Bei einem auf Schadenersatz gestützten und auf Zahlung der Kosten für die Ersatzvornahme der Mängelbehebung gerichteten Klagebegehren sei eine rechtlich relevante Beeinträchtigung von Gemeinschaftsinteressen nicht einmal abstrakt denkbar. Daher sei die Aktivlegitimation der Klägerin für den von ihr verfolgten, wirksam und zulässig abgetretenen vertraglichen Schadenersatzanspruch gegenüber der Beklagten zu bejahen, ohne dass es eines Mehrheitsbeschlusses der Wohnungseigentümer bedürfte.

[6] Das Berufungsgericht ließ den Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss zur Klarstellung der Rechtsfrage zu, inwieweit bei einer auf vertraglichen Schadenersatz gestützten und auf Zahlung der Kosten für die im Wege der Ersatzvornahme zu behebenden Mängel gerichteten Klage eines einzelnen Wohnungseigentümers überhaupt rechtlich relevante Interessen der übrigen Wohnungseigentümer berührt werden könnten.

[7] Der Rekurs der Beklagten, mit dem sie die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils anstrebt, ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig , weil er keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigt.

Rechtliche Beurteilung

[8] 1. Ihren Einwand der Unwirksamkeit der Zession der Gewährleistungs und Schadenersatzansprüche hält die Rekurswerberin in dritter Instanz (zu Recht) nicht mehr aufrecht.

[9] 2.1. Die Beklagte begründet ihren Standpunkt, die Klägerin hätte einen Mehrheitsbeschluss der Eigentümergemeinschaft zur Geltendmachung ihrer Schadenersatzansprüche wegen Beeinträchtigung der Interessen der weiteren Wohnungseigentümer herbeiführen müssen, überwiegend mit im Rechtsmittelverfahren unzulässigen und daher unbeachtlichen Neuerungen, indem sie vorbringt, die von der Klägerin angestrebten Sanierungsarbeiten wären unter Inanspruchnahme allgemeiner Teile der Anlage auch im Stiegenhaus durchzuführen, mit massiven Beeinträchtigungen der übrigen Wohnungseigentümer (wochenlanger Baustellenbetrieb, Lärmbelästigung) verbunden und könnten zur Schwächung der Bausubstanz des Gesamtobjekts führen; eine Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft hätte dazu geführt, dass wesentlich einfacheren, kostengünstigeren und für die übrigen Wohnungseigentümer nicht belastenden Maßnahmen der Vorzug gegeben worden wäre.

[10] 2.2. Im Übrigen ist nicht erkennbar, warum die Wahl zwischen dem Verlangen nach Naturalrestitution und der Einklagung des Deckungskapitals für die Mängelsanierung an der im Wohnungseigentumsobjekt der Klägerin von der Beklagten installierten Wasserversorgungsanlage – allenfalls durch Arbeiten an allgemeinen Teilen des Hauses (Zwischendecke; vgl aber die von beiden Seiten wiederholt angesprochene Konstruktion eines „Doppelbodens“) – mit Interessen weiterer Wohnungseigentümer kollidieren sollte (vgl 10 Ob 56/19m P 1.1. mwN); denn diese verfügen weder über vergleichbare vertragliche Ansprüche gegenüber der Beklagten, die eine Abstimmung mit jenen der Klägerin erfordern würden, noch sind ernste Schäden des Hauses erkennbar, die Erhaltungsmaßnahmen notwendig machen würden (vgl § 28 Abs 1 Z 1 WEG; RIS Justiz RS0013431).

[11] 3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Rekursgegner haben auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen. Im Zwischenstreit über die (mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte) Zulässigkeit eines Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO findet ein Kostenvorbehalt nach § 52 ZPO nicht statt (RS0123222 [T4]). Der von beiden Rekursgegnern verzeichnete Streitgenossenzuschlag steht ihnen nicht zu, weil ihnen weder zwei Parteien gegenüberstehen noch ihr Vertreter eine weitere Partei vertritt (§ 15 RATG).

Rückverweise