JudikaturOGH

7Ob132/20t – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. September 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon. Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M* R*, geboren am *, vertreten durch Dr. Thomas Raubal, Rechtsanwalt in Wien, dieser vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei W* R*, geboren am *, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 4. März 2020, GZ 42 R 473/19y 36, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1 Grundsätzlich können in zweiter Instanz verneinte Mängel des Verfahrens erster Instanz nicht mehr Gegenstand der Revision sein (RS0042963).

1.2 In einer Verfahrensrüge wegen Verletzung der Pflichten des § 182a ZPO hat der Rechtsmittelwerber darzulegen, welches zusätzliche oder andere Vorbringen er aufgrund der von ihm nicht beachteten neuen Rechtsansicht erstattet hätte (RS0037095 [T5, T6]). Dies wird von der Klägerin unterlassen, die nur vage darauf verweist, dass sie „bei gehöriger Erörterung ihr Vorbringen hätte ergänzen bzw entsprechende Beweisanbote hätte stellen können“.

2.1 Die Verschuldenszumessung bei der Scheidung erfolgt nach den Umständen des Einzelfalls und kann in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage begründen (RS0119414), sofern keine krasse Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz vorliegt (RS0119414 [T1]). Maßgeblich ist das Gesamtverhalten und die besonderen Umstände des Einzelfalls (RS0056171 [T6]), wobei insbesondere das Gewicht der Eheverfehlungen, ihre Reihenfolge und ihr Beitrag zur Ehezerrüttung in die Beurteilung miteinzubeziehen sind (RS0057223 [T2]; RS0056751). Bei der Beurteilung des überwiegenden Verschuldens eines Ehegatten sind alle Umstände zu berücksichtigen und in ihrer Gesamtheit gegenüberzustellen (RS0057303). Ein überwiegendes Verschulden ist nur dann auszusprechen, wenn der graduelle Unterschied der beiderseitigen Verschuldensanteile augenscheinlich hervortritt (RS0057821; vgl auch RS0057057), also das mindere Verschulden des einen Teils im Rahmen des maßgeblichen Gesamtverhaltens beider Ehegatten in seinem Zusammenhang fast völlig in den Hintergrund tritt (RS0057858 [T11]).

2.2 Die Vorinstanzen gingen davon aus, dass einerseits die übermäßige – grundlose – Eifersucht der Klägerin und andererseits die zunehmend gleichgültige Reaktion des Beklagten zur unheilbaren Zerrüttung der Ehe führten, wobei sich das Fehlverhalten des einen Ehegatten jeweils noch verstärkend auf das des anderen ausgewirkt habe und auch die prekäre finanzielle Situation der Streitteile noch zusätzlich belastend gewesen sei. Aufgrund dieses wechselseitigen lieb und interesselosen Verhaltens sei von einem gleichteiligen Verschulden an der Zerrüttung der Ehe auszugehen. Diese Rechtsansicht der Vorinstanzen ist nicht korrekturbedürftig.

3. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

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